"Hoffen" kommt von "hüpfen"

Andacht zur Eröffnung der V. Tagung der Landessynode am am 24.11.2021

„Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe.“

Mit diesem Wort aus Psalm 24 grüße ich Sie zur Eröffnungsandacht der V. Tagung unserer 26. Landessynode.

Eröffnungsandacht nicht Gottesdienst gemeinsam gestaltet mit den Synodalinnen und Synodalen aus dem Sprengel Lüneburg.

Der Ort, die Kapelle des Landeskirchenamtes, nicht die Kirche des Henriettenstiftes.

Vor uns liegen drei Tage gemeinsam geteilter Zeit, aber nicht an einem gemeinsam geteilten Ort, sondern digital vermittelt über die gesamte Landeskirche verstreut.

Das mag ein dreifacher unliebsamer Wechsel sein, den manche schon befürchtet, aber niemand von uns erhofft hat.

Synode, das ist doch im Kern Zusammenkommen, sich gemeinsam auf den Weg machen wollen.

Aber auch in komplizierten Zeiten sind wir dazu berufen, die Tore und Türe unseres Verstandes, unserer Herzen zu öffnen, um uns ansprechen zu lassen von der Geistesgegenwart Gottes. Sein Geist sei nun mit uns während dieser Tagung in dieser Andacht. In seinem Namen feiern wir

Im Namen Gottes des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

 

Wir hören Worte aus dem Propheten Sacharja im 9. Kapitel:

"Du Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.

Denn ich will die Wagen wegtun aus Ephraim und die Rosse aus Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.

Auch lasse ich um des Blutes deines Bundes willen deine Gefangenen frei aus der Grube, in der kein Wasser ist;

So kehrt heim zur festen Stadt, die ihr auf Hoffnung gefangen liegt. Denn heute verkündige ich, dass ich dir zweifach erstatten will."

Musik

Auf Gott hofft mein Herz, und mir ist geholfen (Psalm 28, 7I

Hoffen – ein Wort deutscher Sprache. Seinen Ursprung hat es in dem mittelniederdeutschen Wort hoppen, was so viel meint: wie aufgeregt umherhüpfen, vor Erwartung unruhig springen.

Hoffen und hüpfen, ja springen haben miteinander zu tun. Aber wie war und ist das bei Ihnen? Sind Sie ein Weit- oder ein Hochspringer, gar eine Stabhochspringerin? Oder haben Sie eher abgründige Erinnerungen an die Grundschule so um die 3. Klasse herum - diese rot-weiße Latte über einer üppig blauen Sprungmatte, wie sie höher und höher steigt. Ich muss hier einflechten, dass das deutsche Sportleistungszentrum auf seiner Homepage präzise für die Phase meiner Schulzeit berichtet: Zwar gab es seit 1968 die Fosbury-Floptechnik, aber noch bis Anfang der 1980iger Jahre habe es Weltklassehochspringer, die den Tauchwälzer sprangen. Tja, Floptechnik oder Tauchwälzer, beides sehr plastische Namen womöglich auch für Ihre Erfahrung, die Latte gerissen zu haben. Im Sommer dann draußen auf der Tartanbahn mögen die Füße beim Weitsprung im Sand gelandet sein, unglücklicherweise deutlich vor der Markierung, wo das Entfernungsmessen überhaupt erst begann.

Mit dem Hoffen ist das am Ende ähnlich. Die einen schaffen es einfach nicht, sich aufzurappeln ins Leben mit dem kleinen bisschen Hoffnung, was sie haben. Es gibt einfach zu Vieles, was die Hoffnungslatte einreißt, dies und jenseits von Corona, dumme Sprüche in der Umgebung, Aussitzen von Problemen, behäbige Gremien. Es ist alles gehupft wie gesprungen – kommt gefühlt nicht in Gang. 

Andere trägt die Hoffnung in weite Ferne, in ein Gelände voller Veränderungen und neuer Perspektiven. Sie sind vollkommen begeistert, sogar auch von sich selbst höchst begeisterte Hoffnungsträgerinnen und -träger, kommen ins Schwärmen über Perspektiven, die sie selbst schön finden, aber vielleicht längst nicht alle: in Lüneburg, wo ich herkomme, eine komplett autofreie Stadt Lüneburg, kein Wasser für Coca-Cola. Und eben nicht nur in Lüneburg:

Der Traum von Sprunginnovationen, der Traum einer Gesellschaft voller Sprunginnovationen, CO2-neutral, zugewandt, rücksichtsvoll.  – Träumen Sie mit?

Andere springen voller Hoffnungstrotz in himmlische Höhen, haben die Gabe der Hoffnungseuphorie auch mitten in einem erstaunlich störrischen Alltag: Wie, durch das Kirchendach regnet es rein? Macht doch nichts: es gibt Schirme und das Wort Gottes.

Manche helfen auch nach mit Instrumenten einem Hochsprungstab gleich.  Für mich ist Musik solch eine extreme Verstärkerin von Hoffnung. Sie wirbelt mich in höchste Hoffnungshöhen. Einmal im Advent die Bachkantate „Nun komm der Heiden Heiland“ oder „Bereitet die Wege“ hören, schon sieht die Welt bei mir ganz anders aus. Ich verspreche Euch. Das werde ich heute machen, und erst recht morgen, Musik hören, nach einem langen Synodentag, den wir gemeinsam vor dem Bildschirm teilen, wahrscheinlich im Sitzen.

Ich habe mich da schon gefragt: Wie kann eine sitzende Synode eigentlich springen, hüpfen und sich in der Kunst der kleinen Sprünge üben? Sagen Sie nicht, dass das aussichtslos sei. Starke Themen stehen bis übermorgen an: Zukunftsprozess der Kirche, mit Forscher- und Erkundungsteams, die ausschwärmen sollen, über gewohnte landeskirchliches Mauerwerk hinaus; eine originelle und realistische Bildung von Kirchenvorständen soll möglich werden. Die Frage, wo unsere missionarischen Chancen abbleiben, wird angesprochen ...

Sagen Sie jetzt bitte nicht, die Zukunft der Kirche: ich fürchte ein Tauchwälzer.  Die Neubildung von Kirchenvorständen, … na ja, am Ende ein Paradebeispiel für eine juristisch einwandfrei eingefädelte Floptechnik. Wir springen hoch in die Luft und landen wieder auf der blauen Matte eines landeskirchlichen Himmels, der sich schmerzhaft mit düsteren Wolken unfroher Nachrichten über sexualisierter Gewalt und Austrittsprognosen zuhängt. „Ein feste Burg, ist unser Gott“, das war einmal. Von wegen Hoffen kommt von Hüpfen. Die Synode ist verdonnert eine Gremienhüpfburg zu sein. Drei Tage mehr oder weniger Spaß und wenn wir uns die Alltagsschuhe des kirchlichen Lebens wieder anziehen bleibt am Ende das Meiste so wie es immer schon war.

Und ich sage: Nein!  Wir sitzen zwar, das schon. Aber Psalm 28 verknüpft Hoffen mit dem Herzen. „Auf Gott hofft mein Herz, und mir ist geholfen“, heißt es da. Ein Herz schlägt. Es kann selbst dann, wenn ein Mensch lange sitzt, in ihm vergnügt schlagen. Das Herz versteht sich eben auf die Kunst der kleinen Sprünge, vermag zu hüpfen. Das gilt nicht nur für das Herz eines einzelnen Menschen. Auch eine Gruppe kann sich ein Herz fassen, so Hoffnung fassen und auf dem Feld der Lebensmöglichkeiten produktiv herumtollen. So sehen es jedenfalls die Schriften des Alten Testamentes.

Das hat mich gestern, als ich nachschlug, stark berührt. Ganz am Schluss im allerletzten Kapitel des Alten Testaments ergreift der Prophet Maleachi ein letztes Mal das Wort und sagt zu einem verzagten Israel. „Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln. – Und ihr sollt herausgehen und hüpfen, ja springen wie die jungen Kälber.“ Das ist sicher kein Zufall: Als letztes Vermächtnis, als Schlussvision im Alten Testament steht ein vergnügt über die Lebensweide hüpfendes Israel voller Hoffnung.

Maleachi, zu Deutsch, Dein Bote, Botschaft auch an uns. Die Sonne der Gerechtigkeit kann nur da strahlen, wo Gruppen sich ein Herz fassen und mit Gründen hoffen.

Wir gehen in diesen Tagen auf den Advent zu. Und unsre Synode hat das Zeug zu einer Adventssynode zu werden.  Advent, Weihnachten, das sind christliche Feste der Hoffnung. Aber was heißt das? Was springt da? Springt da was über? Und wer springt da überhaupt? Geht es darum, dass wir mit der Aussicht auf adventlichen Kerzenschein, Glühwein, Lebkuchengeschmack und Tannenduft unsere eigene synodale Hoffnung zusammenklauben?  - Macht nicht Kerzenschein, Glühwein und Lebkuchengeschmack und Tannenduft schlecht! Ja, warum nicht. - Das vielleicht ruhig auch. Aber entscheidend ist für mich: Advent und Weihnachten sind Feste, die in Erinnerung rufen, dass Gott selbst sich ein Herz gefasst hat und mit Jesus von Nazareth in diese Welt hineingesprungen ist, mit uns über die diversen Schatten unseres Lebens springt. „Fröhlich soll mein Herze springen“, ein Lied zu singen nicht nur für die ewig Gutgelaunten in der Kirche, in der Synode, ein Lied Gott in sein Herz zu singen, auf dass es hineinspringt in unser Leben, in unsere Beratung sein Hoffnungsfunke auf unser aller Herz überspringt. Amen.

Gebet

Gott, spring hinein in unser Leben, in unser Nachsinnen über die Kirche, greif uns bei der Hand und lass uns mutig über den Schatten ängstlicher Bedenken springen.

Hilf unserer Bequemlichkeit auf, auf dass wir nicht zu Türstehern ewig gestriger Haltungen werden.

Lass uns nicht vergessen, dass Du uns Menschen die Welt anvertraut hast, auf dass wir gemeinsam mit ihr, nicht gegen sie Hoffnung auf Leben schöpfen.

Ja lass die Sonne Deiner Gerechtigkeit leuchten in die finsteren Winkel unserer Erde, in die Zimmer der Kranken, der Verzweifelten, der Sterbenden.

Gib uns Weisung, wo wir entschiedener hätten helfen, mutiger hätten widersprechen, und vehementer hätten beten müssen.

Lege Deinen Segen auf unsere Beratungen und lass unser Herz auf Dich hoffen.