Brigitte Antonius auf der Bürgerkanzel

„Sterne hat St. Nicolai immer“, sagte Superintendentin Christine Schmid in ihrer Begrüßung mit Blick in das Sternengewölbe der mittelalterlichen Backsteinbasilika im Lüneburger Wasserviertel. Doch mit Brigitte Antonius stehe ein Star auf der Bürgerkanzel, stimmte Schmid die Gemeinde am 9. März 2014 auf den Gottesdienst ein und machte die Zuhörer im voll besetzten Mittelschiff neugierig: „Heute wollen Sie nicht als Star sprechen, sondern als Christ und Mensch.“

„Ich bin für viele von Ihnen Johanna Jansen aus den Roten Rosen, aber heute bin ich Brigitte Antonius“, unterstrich die beliebte Fernsehdarstellerin zu Beginn ihrer Rede. Als solche habe sie in Lüneburg eine zweite Heimat gefunden, ließ sie die Gemeinde wissen, zu der diesmal auch viele Fans der seit 2006 in Lüneburg produzierten Telenovela gehörten.

Groß geworden sei sie in einem Burgenländer Krankenhaus, wo der Vater Chefarzt der Chirurgie gewesen sei, erzählte die gebürtige Wienerin zunächst aus ihrer Biografie. Auch der Großvater, ein Pastor, habe sie geprägt. Doch die evangelische Familie gehörte in Österreich zu einer verschwindend kleinen Minderheit. „Umso mehr genieße ich die Kirchen hier und den Geist, der darin weht.“

Sodann wandte sich Brigitte Antonius dem Sonntagsevangelium zu: der Versuchung Jesu durch den Teufel in der Wüste. „Ich stelle mir vor, Jesus hatte nach 40 Tage langem Fasten viel Hunger, umso wunderbarer ist seine Haltung“, sagte Brigitte Antonius mit der ihr eigenen feinen Diktion. Menschen sollten nicht wegschauen, wenn ein anderer in Not ist. „Selber den Stein in Brot verwandeln“, lautet für sie eine Botschaft der Erzählung, „den lieben Gott mit dem eigenen Herzen berühren“.

Auch der zweite im Matthäusevangelium erzählte Angriff des Teufels ist für Brigitte Antonius aktuell. Da gehe es um die „Versuchung, etwas zu riskieren, was wir nicht verantworten können“. Jeder Süchtige sei dem Teufel willkommen, Extremsportler sollten den Respekt vor Gott nicht vergessen.
Jesus sei ein Vorbild tiefen Vertrauens. „Diese Gotteserfahrung mache ich täglich“, bekannte Brigitte Antonius. „Ohne Stille, ohne Innehalten, ohne das Gebet könnte ich eigentlich nichts, konnte es nie.“

Um Jesus von seinem Gott abzubringen, unternahm der Teufel laut Bibel einen letzten Versuch: Sollte Jesus ihn anbeten, würde er ihm alle Reiche der Welt geben. „Für einen Schauspieler die größte Versuchung, sich anbeten zu lassen“, gestand Brigitte Antonius, die im Laufe ihrer langen Karriere unter anderem am Wiener Burgtheater spielte, in zahlreichen Fernsehproduktionen auftrat und mit dem weltberühmten Film-Regisseur Steven Spielberg drehte. Immer gehe es in der Branche um die bessere Rolle, mehr Geld, den tolleren Job. „Da Nein sagen zu können, ist so schrecklich schwer.“ Man könne sich nur immer wieder um Vergebung bemühen, resümierte Brigitte Antonius und schloss ihre Rede mit den Worten: „Vergib uns unsere Schuld.“

Ihren Dank verband Christine Schmid den Hinweis auf zwei Besonderheiten: Brigitte Antonius sei die erste Kanzelrednerin der seit fast 15 Jahren erfolgreichen Reihe, die ihren Predigtauftritt geprobt habe, für die Superintendentin ein Ausdruck von Professionalität. Zudem stehe die 81-Jährige für „neue Bilder vom Alter“. Beim anschließenden Kaffee im Seitenschiff der Kirche nutzten viele Fans die Gelegenheit zum Gespräch mit der Schauspielerin, die auf Wunsch jede ihrer Autogrammkarten mit einer persönlichen Widmung versah. 

Hartmut Merten