40 Jahre Studienarbeit in Krelingen: Dieses Jubiläum beging das Geistliche Rüstzentrum am 17. März 2012. Rund 1200 Studierende haben sich seit 1972 in Krelingen theologisch orientieren können. Dazu gehören Sprachkurse in Klassischem Griechisch und Hebräisch, zudem gibt es die Möglichkeit, eine Einführung in Bibelkunde, Alte Testament, Philosophie und Dogmatik zu bekommen. Zu den Zielen der Bildungsarbeit gehört laut Studienleiter Pastor Dr. Manfred Dreytza das Leben in der Gemeinschaft.
Einer der Gratulanten war Landessuperintendent Dieter Rathing, hier sein Grußwort im Wortlaut:
Liebe Schwestern und Brüder, für die Landeskirche Hannovers und für den Sprengel Lüneburg schließe ich mich heute gern dem Dank für 40 Jahre Studienarbeit hier in Krelingen an. Es ist ein Dank an Gott und ein Dank an Menschen. Dank an den Gott, der uns ja zunächst über das Altgriechische und über das Hebräische mit seinem Wort entgegenkommt. Dank an die Menschen, die gewusst haben und immer noch wissen: Für uns als Einzelne ist dieses Wort Gottes zu schwer. Es braucht die Übersetzung und das Gespräch in der Glaubensgemeinschaft, um mit diesem Wort fertig zu werden. Beides kommt hier in der Krelinger Studienarbeit zusammen. Die Mühe um das Wort und das Gespräch darüber.
Die Bibel trägt das Gespräch über sich selbst ja schon in sich. Das Neue Testament entsteht in Dialog mit dem, was wir heute Altes Testament nennen. Matthäus schreibt sein Evangelium im Gespräch mit dem, was Markus schon vor ihm aufgeschrieben hat. Und die neutestamentlichen Briefe bilden ein Gespräch darüber ab, wie das Leben in der Gemeinde gestaltet werden soll. Die Bibel selbst offenbart sich als eine Schule des Glaubensgesprächs.
Wenn wir heute biblische Texte übersetzen, bestätigt sich das noch einmal. In der Mühe um das Verstehen eines Textes geraten wir in Auseinandersetzung mit anderen Texten, und wir kommen gewissenmaßen zwangsläufig ins Glaubensgespräch darüber. Auf diese Weise wehrt sich die Heilige Schrift dagegen, mit dem Wort Gottes gleichgesetzt zu werden. Wehrt sich gegen Buchstabengläubigkeit. Wehrt sich dagegen, die Wahrheit Gottes sei mit Zitaten zu gewinnen. Deshalb brauchen wir Schulen des Gesprächs über die Bibel, Studienorte des Glaubensgesprächs.
Die Studienarbeit hier im Geistlichen Rüstzentrum ist eine solche Gesprächsschule. Und wir sollten nicht verwirrt sein, wenn wir wahrnehmen, dass es in der Schullandschaft des Glaubens eine Vielfalt von Gesprächsbeiträgen gibt.
So wie es für den Schüler eines jüdischen Rabbis verwirrend war, als er erlebe, wie eines Tages ein Ehepaar mit der Bitte um geistlichen Rat bei seinem Rabbi erscheint. Der Rabbiner lässt zuerst die Ehefrau erzählen. Sie schimpft und beschwert sich über Missstände in ihrer Ehe. Am Ende sagt ihr der Rabbi: „Mh, du hast Recht.“ Anschließend hat der Mann in derselben Sache viel zu berichten und zu beklagen. Auch zu ihm sagt der Rabbi: „Mh, du hast Recht.“ Als die beiden weg sind, kann der Student kaum noch an sich halten: „Verehrter Rabbiner, wie können Sie nur erst der Frau und dann dem Mann Recht geben. Das ist doch gar nicht möglich.“ Der Rabbi überlegt und sagt dann: „Mh, du hast Recht.“
Liebe Schwestern und Brüder, nur auf den ersten Blick redet dieser Rabbi damit einem Pluralismus und einem Relativismus das Wort, als wenn alles gleich wahr und gleich richtig wäre. So leicht macht es sich keine wirkliche Mühe um die Wahrheit.
Wohl aber werden auf solche Weise Rechte verteilt. Du hast Recht. Das Recht am Ringen teilzuhaben, um das, was richtig ist. Du hast Recht, im Glaubensgespräch zu bleiben. Gemeinsam in der Gesprächsschule zu sein, zu der uns das Wort der Bibel hinführt. Auf dem Weg zu der einen Wahrheit. Dafür danken wir Gott und den Menschen heute hier in Krelingen.