St. Marien Kirche zu Winsen/Luhe am 5. Februar 2012
Liebe Gemeinde, liebe Ingrid Sobottka-Wermke, es mag manchen hier in Winsen gegeben haben, der in den letzten Wochen die Hoffnung gehabt hat – angesichts fußläufiger Einschränkungen bei Ihnen – sie wird uns schon nicht weglaufen, sie kann ja gar nicht. Jetzt wissen wir: Sie kann! Und wie! Laufen! Aber weglaufen, nein. Zum Weglaufen gibt es auch gar keinen Grund.
Hinlaufen, ja. Und dazu gibt es ganz überzeugende persönliche Gründe. Und wir freuen uns mit Ihnen, dass die lange Zeit einer Wochenend-Ehe ein gutes Ende findet. Hinlaufen, ja. Zur neuen beruflichen Herausforderung als Superintendentin des Kirchenkreises Naumburg-Zeitz und als Pastorin für das Kirchspiel Flemingen-Almrich.
Und jetzt fragen wir uns „Wie kann die das?“ Nicht wegen des Fußes, der noch zu Ende heilen muss, aber „Wie kann die das?“ mit so einem Mut und so einer Kraft aus einer – wie Sie selbst gesagt haben – „tollen Region, tolle Dörfer, hübsches Städtchen, wunderbaren Kirche …“? Da heraus in ungewisses Neues mit fremder Kirche, unbekannten Dörfern und Städten … Wie kann sie das? Danke, dass Sie selbst uns die Antwort darauf geben. Schriftlich lesen wir Ihre Antwort auf der Einladung zu diesem Gottesdienst, Psalm 63, Vers 8 und 9: „Gott, du hast mir geholfen, im Schutz deiner Flügel kann ich vor Freude singen. An dir hängt meine Seele; deine rechte Hand hält mich aufrecht.“ Wir lesen das, und jetzt verstehen wir.
Ingrid Sobottka-Wermke hat als Pastorin in der Gemeinde und als Superintendentin im Kirchenkreis gute und verlässliche Verbindungen zu Menschen geschaffen. Sie war um der Menschen willen schnell und zupackend an der Seite von Menschen, hat für die Menschen Impulse und Anregungen gegeben, Entscheidungen gefördert und Arbeit begleitet für Tauffest, Fundraising und Lange Nacht der Kirchen, für den Tag der Niedersachsen und die Landesgartenschau. Immer für Menschen und mit Menschen.
Und wie sehr Ihnen, liebe Ingrid Sobottka-Wermke, die Menschen wichtig waren, lese ich aus dem rückblickenden Bericht, den sie vor knapp zwei Wochen vor dem Kirchenkreistag gehalten haben. Da reden Sie im Blick auf Ihre eigene Arbeit wenig von sich selbst aber ganz viel von den Menschen an Ihrer beruflichen Seite. Sie nennen Namen und Gruppen. Sie sagen wenig „ich“ und viel „wir“.
Also, den Menschen verbunden in der Gemeinde und im Kirchenkreis, im Kirchenkreisamt und in den Ausschüssen, in den Stiftungen und im Diakonischen Werk. Den Menschen gut verbunden, aber mit den Psalmworten gesprochen „an dir (Gott) hängt meine Seele.“
Und wir verstehen: Wessen Seele „an Gott“ hängt, der kann – wenn es dran ist – auch eine gute Zeit abschließen, freundliche Menschen Gott anbefehlen, vorliegende Aufgaben anderen anvertrauen, hat Mut und Kraft, neue Wege zu gehen. Danke, für dieses! Es möchte vielleicht den einen oder anderen hier unter uns geben, der das auch für sich selbst mit offenen Ohren hört: Wessen Seele an Gott hängt, der kann...
Und wann haben Sie, wie die Psalmworte es sagen, „im Schutz der Flügel Gottes“ gesungen? Ich beantworte mir das mal selber. Zitat Ingrid Sobottka-Wermke in einem Gespräch am vorvergangenen Freitag: „Ich habe hier auch nicht alles zu Ende gebracht. Manches hier in Winsen kam mir vor wie damals beim Strickunterricht in der Schule. Angefangen mit gutem Elan und dann ging es nicht weiter. Mutter musste weiterstricken. Andere mussten es fertig machen. Das hat es hier in meinem Dienst auch gegeben.“
Und wenn hier heute jemand ist, der an solches Nicht-fertig-werden denkt, eigenes und fremdes, an Liegengelassenes und solches, das mit einer falschen Maschenzahl angestrickt wurde … Der darf, nein, der muss dann die Psalmworte hören: „im Schutz deiner Flügel singen …“ Und das Singen ganz sicher nicht nur, weil wir 2012 jetzt gerade das Jahr der Kirchenmusik haben. Sondern weil wir einen Gott haben, der uns die fallen gelassenen Maschen nicht vorzählt, der uns auch nicht durch die Maschen fallen lässt, im Gegenteil: Im Schutz seiner Flügel hält er aufrecht, lässt stehen und gehen.
Und: Im Schutz seiner Flügel nicht nur eine Superintendentin! Keiner von uns könnte flügge werden, keiner von uns könnte auch nur einen Moment stehen, einen Meter gehen, berufliche Stolperstrecken laufen oder abheben im Glück, wenn er nicht unter Gottes Flügelschutz behütet wäre. Und darf singen dabei!
Die Ohren, die das hören, dürfen es dem Mund, der oft verschlossen sein will, weitersagen: Du darfst singen! Auch mit dem Gedanken an nicht fertig Gebrachtes und solches, wo die Maschen noch mal neu aufgenommen werden müssen: „… im Schutz deiner Flügel kann ich vor Freude singen.“
Und damit wissen wir es nun: ER lässt laufen, SEINE Hand hält aufrecht. Das ist gut zu wissen, weil es nun gut zu wünschen ist: Für alles Laufen und alles Aufrechtbleiben in Naumburg und Zeitz, in Flemingen und Almrich, in fremden Dörfern und unbekannten Städten, bei all den Menschen, denen Sie nun neu begegnen, mögen Sie das weiterhin sagen und singen können: „Gott, du hast mir geholfen, im Schutz deiner Flügel kann ich vor Freude singen. An dir hängt meine Seele; deine rechte Hand hält mich aufrecht.“ Amen.