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Ostern - ein ganz großes Ja

Predigt am 8. April 2012 in der St. Johanniskirche Lüneburg

Liebe Gemeinde, bitte antworten Sie doch mal für sich mit JA oder mit NEIN:

  • Kann unsereiner fröhlich sein, auch wenn eine Reihe von Leuten gegen ihn steht? Halten Sie es für ausgeschlossen, dass es neben Gott noch eine Kraft gibt, die über uns Macht hat? Ist es derselbe Gott, der Menschen bedürftig sein lässt und der sie zum Heil führt? Das ist die Meinung, die hinter dem Lobgesang der Hanna steht, den ich eben gelesen habe. (1. Samuel 2,1-2.6-8a)
  • Oder, liebe Gemeinde, noch einmal anders nach Ihrem JA oder NEIN gefragt: Glauben Sie, dass große Steine weggewälzt werden können ohne eine menschliche Hand aus Fleisch und Blut? Halten Sie einen Jüngling in langem weißem Gewand am Grab Jesu für möglich? Kann es sein, dass Jesus drei Tage nach seinem Begräbnis nicht mehr da lag, wohin man ihn bestattet hatte? Das haben wir aus dem Evangelium dieses Ostertages gehört. (Markus 16,1-8)
  • Eine dritte Auswahl habe ich noch für JA oder NEIN: Wurde Jesu Tod vorausgesagt in den biblischen Schriften, die wir heute Altes Testament nennen? Ist Christus so auferstanden, dass er dann auch mit den Augen zu sehen gewesen ist von „fünfhundert Brüdern auf einmal“, dann von den Jüngern und schließlich auch von Paulus? Glauben Sie, dass Sie umsonst glauben, wenn Sie nicht an die Auferstehung Christi glauben? So sagt es der Apostel Paulus in dem Abschnitt des 1. Korintherbriefs, der ersten Lesung heute. (1. Korinther 15,1-11)

Was immer ich Sie, liebe Gemeinde, über Ostern fragen könnte, was auch immer jeder und jede von Ihnen im Einzelnen von der Auferstehung für wichtig hält oder für richtig, für unwichtig oder für falsch, vielleicht auch für zweifelhaft – wichtig sind nicht diese einzelnen Fragen, wichtig ist nicht, auf welche Frage Sie so oder so antworten. Darüber könnten wir unsere Meinungen gegeneinander halten, und über die einzelnen Fragen zur Auferstehung Jesu würden wir wahrscheinlich untereinander sogar wohl verschiedener Meinung sein, hier unter uns in der Kirche, unter Christen am Ostersonntag.

Im Grunde geht es nur um eine Frage, die mit der Auferstehung, geht es nur um eine Frage, die mit allem Osterglauben verbunden ist. Und diese Frage heißt: Steht über unserem Leben im Letzten ein JA oder steht darüber ein NEIN? Steht über deinem Leben im Letzten ein JA oder steht darüber ein NEIN?

Alles andere magst du so oder so beantworten, am Einzelnen hängt es nicht, darüber kannst du gelassen streiten. Leeres Grab und Jüngling im weißen Gewand, weggerollter Stein, der Auferstandene mit den Augen zu sehen oder „im Geist“ …, daran entscheidet sich dein Glaube nicht, du kannst dir die Fragen im Einzelnen vorlegen, oder kannst dich darum herumdrücken. Bei dieser einen Frage geht das nicht. Die will beantwortet sein. Und die Antwort entscheidet alles, sie entscheidet dein Leben, und sie entscheidet dein Sterben: Steht über dir im Letzten ein JA oder steht über dir ein NEIN?

Ostern, Auferstehung Jesu Christi von den Toten …, alles, was die Bibel darüber an Gedanken und Vorstellungen in sich trägt, fragt und antwortet, gegeneinander hält und zusammenfasst, das eine hören wir wohl heraus: Hanna in ihrem Lobgesang, Markus in seinem Evangelium und Paulus in seinen Briefen, sie alle schreiben ein JA, ein ganz großes JA über das menschliche Leben.

Ostern, so sollen wir hören, Ostern ist ein großes, ganzes JA. Ein JA, das unsere Jahre umschließt, unser Glück und unsere Sorgen, unser Kommen und Gehen, unser Lachen und Weinen und unser Sterben auch. Und wenn wir von diesen großen österlichen Worten der Bibel, wenn wir von all den Fragen und Antworten im Einzelnen, wenn wir selbst von dieser Gottesdienststunde heute morgen alles vergäßen, Reden, Singen, Beten, und hätten doch einen Nachhall in uns, ein Echo, das wir hier mit hinaustragen würden von diesem JA über unserem Leben, wir hätten genug.

Hanna, Markus und Paulus haben dieses JA gehört. Und es hat ihr Leben verwandelt, es hat ihre Tage gezeichnet, ihr Denken und Fühlen geprägt. Wie welche, die nur noch eines im Sinn haben und alles andere dahinten lassen, versuchen sie immer wieder aufs neue, dies JA zu singen im Lobgesang, zu beschreiben im Evangelium, zu durchdenken im Brief. Gott schreibt ein JA über unser Leben!

Ostern heißt dieses JA. Und auch wenn wir hier im Gottesdienst aus vielen Schicksalen zusammenkommen und uns sicherlich vor großen Worten hüten sollen, ich will es doch so genau wie möglich sagen, dass Gottes JA einem Jeden gilt. Dem jungen Menschen, der noch in Träumen und Wünschen lebt, der ganz unverbrauchte Hoffnung auswirft in den Tag hinein, wie ein erstes Netz in den See. Über seinem Leben: JA! Dem alten Menschen, dem bange wird vor dem Abend und dem Längerwerden der Schatten, vor dem Abnehmen der Kräfte, vor den nächsten Schritten. Über ihm: JA! Dem Mann in der Mitte der Jahre, wo er zum ersten Mal verwundert und verwundet an seine Grenzen stößt. Er soll dieses JA hören! Der Frau, die das Getane zählt und sich fragt, wo die Tage geblieben sind und die Kraft ihrer Seele, die sie ausgeschüttet hat und drangegeben. Auch über ihr: JA! Über dem so oft schwer zu lösenden Gefecht unseres Lebens, über Wollen und Vollbringen und Versagen, über dem, was wir erkennen können und was unseren Augen und unserem Begreifen verborgen bleibt, auch über dem, woran unsere Gedanken und unser Grübeln wund werden kann: Im Letzten ein JA!

Und ich will dieses JA mit ein paar Gedanken noch weiter buchstabieren, es noch etwas greifbarer machen für uns und für unsere Welt. Das JA von Ostern, es ist kein billiges JA. Ich meine damit, es ist kein so dahingesagtes „Ja, Ja …“ im Sinne von „Ist ja schon gut! Das Leben gewinnt eben doch immer, nach Regen folgt Sonnenschein, und am Ende kommt es zum schönen Happy End.“ So billig ist dieses JA nicht.

Im Grunde müssen wir im Hintergrund von diesem JA immer mit im Ohr haben, was auch in der Bibel steht, beim Prediger Salomo: Es ist alles von Staub gemacht und kehrt wird zurück in den Staub. Ich sah alles Unrecht unter der Sonne. Ich sah die Tränen der Menschen, und ich sah dass niemand sie tröstete. Ich sah, wie nichtig alles Mühen und alles Gelingen ist, nicht mehr als ein Haschen nach Wind.

Das JA von Ostern ist kein billiges JA. Es muss Vergeblichkeit aushalten. Es muss Streit aushalten. Es muss die grauenvollen Bilder dieser Welt aushalten und die Todesnachrichten auch. Das JA hat es immer mit NEINS zu tun. Es ist ein JA, dass sich gegen viele NEINS durchsetzen muss. „Auferstehung“ heißt nie nur Auferstehung, sondern heißt immer „Auferstehung von den Toten“. Und die Toten stehen, stehen immer wieder als großes NEIN über dem Leben. Jedes JA ist einem NEIN abgerungen.

Als Pastorinnen und Pastoren erleben wir gelegentlich davon etwas bei Trauergesprächen, wenn wir mit Angehörigen über den Verstorbenen sprechen. Da wird dann erzählt und auch geschwiegen. Es fließen Tränen, viele Fragen ohne Antwort. Und dann wird wieder weiter erzählt, traurig und ernst. Und plötzlich fällt jemandem dieses eine urkomische Erlebnis ein, mein Gott, das hatten wir ja schon beinahe vergessen, wie der kleine Enkel da mit dem Großvater doch tatsächlich ..., und dann kommt eine irgendwie verrückte Geschichte, und auf einmal müssen alle mit den Tränen in den Augen und den Taschentüchern in der Hand laut lachen. Danach ist dann oft für einen Moment lang ein kleines Entsetzen in der Runde. Jetzt haben wir über den Tod gesprochen, und wir haben gelacht...

Liebe Gemeinde, von solch einer Art ist dieses österliche JA. Wie ein Lachen  und der Tod ist trotzdem. Wie ein Mut fühlen – und Verzweiflung ist trotzdem. Wie ein großes Hoffen – auch wenn viele Fragen immer noch bleiben. Auferstehung heißt nie nur Auferstehung, sondern heißt immer „Auferstehung von den Toten“.

Der Tod ist wirklich. Und wir sehen und erleben und erleiden ihn. Und das Mut fühlen und Hoffen ist trotzdem da. Und das Lachen auch. Vielleicht ist überhaupt das Lachen der beste Hinweis darauf, dass jemand das JA über seinem Leben schon gehört hat, auch wenn er es noch nicht glauben, sich noch nicht vorstellen kann, wie dieses JA über seinem Leben aussieht. Das Lachen zu Ostern hat ja in den Kirchen früherer Zeiten seine besondere Tradition gehabt mit dem Brauch des Osterlachens. Im Zeitalter des Barock erwartete man geradezu vom Prediger, dass er die versammelte Gemeinde am Osterfest zum Gelächter anstiften könne. Schöne Beispiele gibt es dafür.

Zu tragischen Figuren konnten unter dieser Anforderung allerdings die weniger witzigen Geistlichen werden. Aus Verzweiflung über seine mangelnde humoristische Begabung soll sich sogar mal ein Pastor in Kuhmist gewälzt und eine kalbende Kuh gemimt haben.

Ich verzichte deshalb hier heute auf das Erzählen eines Osterwitzes. Denn wenn ich Sie damit nicht wirklich zum Osterlachen bringe, dann würden Sie sich bestimmt gleich überlegen, wo ich denn jetzt wohl den Kuhmist herkriege, um es wenigstens mit einer Kälber-Imitation noch mal zu versuchen.

Nein, alle Versuche, die wir für ein freudiges Osterfest so starten können, bleiben sehr zweifelhafter Natur. So wie kein Mensch sich selbst zum Lachen bringen kann, so können wir uns das JA über unserem Leben auch nicht selber sagen, kein Mensch kann sich das JA über sein Leben selber schreiben. Das muss von woanders her kommen.

Bei Hanna: Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn …Der HERR führt hinab zu den Toten und wieder herauf... Bei Markus: Und sie wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war... Bei Paulus: Christus ist auferstanden von den Toten... Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin...

Das kommt von woanders. Und du darfst es hören als das JA über deinem Leben. Dieses JA weigert sich zu glauben, dass dein Leben allein dazu bestimmt ist dahinzuwelken. Dieses JA spricht gegen deine Angst, dass du vergehen könntest, als seiest du nie gewesen. Dieses JA ist der Widerspruch zu einem Leben nach der Weise der Kälber im Kuhmist – als käme es nur darauf an, zu essen und zu schmutzen, zu schlafen und Nester zu bauen. Das ist lächerlich.
Nein, dieses JA ist wie die Blumen, von denen kein Kalb im Kuhmist etwas weiß. Die Blumen, die wir Menschen uns schenken, um einander zu sagen, dass wir uns wichtig sind. Wie die Blumen, die wir in Liebe noch auf unsere Gräber legen, um zu bedeuten: Du bist mir unvergessen. So mögen wir zu Ostern von der Auferstehung hören und es auf immer im Herzen tragen: Über deinem Leben steht dieses JA und über deinem Sterben auch. Amen.