Andacht von Landessuperintendent Dieter Rathing zum Heiligen Abend 2015, erschienen in der Weihnachtsausgabe der Landeszeitung für die Lüneburger Heide
„Wie hätte ich euch denn sonst alle zusammenbringen sollen?“ Ein älterer Herr kommt zögernd und unsicher aus der Küche ins Esszimmer. Auf der anderen Seite des festlich gedeckten Tisches stehen seine Kinder und Enkelkinder. Sie alle sind schwarz gekleidet. Per Post hatten sie die Nachricht bekommen, Vater ist verstorben. Jetzt sind sie aus allen Ecken der Welt nach Hause geeilt. Für die Trauerfeier haben sie sich Zeit genommen, für ein gemeinsames Weihnachtsfest hatten sie keine Zeit.„Wie hätte ich euch denn sonst alle zusammenbringen sollen?“ Der Großvater sieht unbeholfen aus. Vielleicht weil er sich nicht anders zu helfen wusste, als seinen Tod vorzutäuschen. Seine Kinder rennen aber auf ihn zu und nehmen ihn im Arm. In den folgenden Bildern der Supermarktwerbung isst und feiert eine glücklich lachende Familie.
Nicht immer gelingt ein Zusammenbringen. Manche werden heute Abend zum ersten Mal allein sein. Aus welchem Grund auch immer. Bitte, seien Sie nicht verbittert, wenn niemand Sie eingeladen hat. Lassen Sie Ärger und Enttäuschung erst gar nicht bei sich herein. Was können Sie dafür tun?
Vielleicht legen Sie die Post beiseite, die Sie heute noch bekommen. Heute Abend lesen Sie dann in aller Ruhe. Vielleicht legen Sie sich sogar einige Fotoalben zurecht. Diejenigen, die Ihnen verbunden sind, sehen Sie dann auch im Bild vor sich. Natürlich ist es schön, mit mehreren am Tisch zu sitzen. Aber verzichten Sie trotzdem nicht darauf, sich eine kleine festliche Mahlzeit zu bereiten. Decken Sie dazu Ihren Tisch ebenso schön, wie Sie es tun würden, wenn Sie Gäste hätten.
Sie haben gewiss Ihre Weihnachtsgrüße schon geschrieben. Aber vielleicht fällt Ihnen heute noch jemand ein, der am allerwenigsten damit rechnet, von Ihnen ein freundliches Zeichen zubekommen. Auch nach den Feiertagen noch. Was wäre das für eine Überraschung! Von Ihnen am Heiligen Abend bereitet!
Ein Zusammenbringen wird heute Abend gelingen. Ganz sicher. Menschen zünden Kerzen an. Ganz viele. Für sich und für andere. In Nähe und Ferne. Bitte, tun Sie es auch. Eine Kerze wird heute Abend in der Lüneburger St. Johannis-Kirche brennen. Ich zünde sie nach der Christvesper an. Für die, von denen ich weiß, sie sind heute Abend allein. Und für die, von denen ich es auch nicht weiß. So werden wir zusammengebracht. Gott weiß, wie.