Warum gibt es überhaupt LektorInnen und PrädikantInnen und was ist der Unterschied zwischen beiden?
Ein Lektor ist erst mal jemand, der etwas vorliest. Schon in der Anfangszeit der Kirche gab es ChristInnen, die in den Gottesdiensten zum Beispiel aus den Briefe von Paulus vorgelesen haben. Später erkannte Martin Luther, dass es das Priestertum aller Gläubigen gibt. Dazu gehört das Recht und die Notwendigkeit, dass jede Christin und jeder Christ an der Verbreitung der christlichen Botschaft mitarbeitet. Dies ist also sowieso nie ganz allein die Aufgabe der PastorInnen gewesen.
Heute versteht man unter LektorInnen und PrädikantInnen Laien, die eigenständig Gottesdienste vorbereiten und in der Kirche mit der Gemeinde halten. Es sind also Menschen, die einem ganz anderen Beruf nachgehen und keine ausgebildeten PastorInnen sind. Wenn man so will ist Lektor die erste und Prädikant eine mögliche zweite Stufe in der Ausbildung zu einer ehrenamtlichen PredigerIn.
LektorInnen benutzen dabei für ihren Gottesdienst eine vorgefertigte Lesepredigt. Diese Lesepredigt überarbeiten sie und passen sie an ihre eigene Sprache, aber auch an die spezielle Situation in der Gemeinde an. LektorInnen suchen etwa eigene Beispiele aus, die besser zu ihrer Person oder zur Kirchengemeinde passen. Dabei sollen die Aussage und der rote Faden der Lesepredigt jedoch erhalten bleiben. LektorInnen wählen Lieder aus, formulieren oder bearbeiten Gebete und singen oder sprechen die Liturgie.
PrädikantInnen tun im Prinzip alles das, was auch eine Lektorin tut. Jedoch haben sie eine zusätzliche und wesentlich umfangreichere Ausbildung durchlaufen. Deshalb wissen sie, wie man eine Predigt von A bis Z selbst schreibt und theologisch verantworten kann. Außerdem gehört seit einigen Jahren zu der Ausbildung einer Prädikantin dazu, im Gottesdienst das Abendmahl einzusetzen und auszuteilen.
In vielen Gemeinden gibt es Ehrenamtliche im Verkündigungsdienst. Was motiviert sie dazu?
Das sollte man die LektorInnen und PrädikantInnen natürlich am besten selber fragen. Gründe gibt es viele und sie unterscheiden sich:
Manch einer macht schon länger bei Familiengottesdiensten, im Jugendgottesdienst oder speziellen Andachten mit und hat Lust, auch „normale“ Sonntagsgottesdienste zu gestalten. Eine andere hat Freude an den Gottesdiensten in der Kirche und möchte auf diesem Weg mehr darüber lernen und erfahren. Wieder andere wollen sich ehrenamtlich stärker in der Kirche engagieren und suchen nach einer Aufgabe, die sie herausfordert. Und wenn in der Gemeinde in absehbarer Zeit PastorInnen fehlen werden, dann kann auch das ein Anlass sein, sich zur LektorIn ausbilden zu lassen. Dies sind mögliche Gründe, warum sich jemand irgendwann zu einer Ausbildung zur LektorIn entschieden hat.
Bei LektorInnen, die schon länger dabei sind, kommt oft auch noch die gute Gemeinschaft unter den LektorInnen und PrädikantInnen hinzu: Man bereitet im Team Gottesdienste vor, trifft sich regelmäßig im Kirchenkreis oder auf überregionalen Tagungen.
Über eine weitere Motivation kann ich nur Vermutungen anstellen. Kein Lektor und keine Prädikantin würde das selbst in den Vordergrund stellen: Ich stelle mir vor, dass gut gefüllte Kirchenbänke am Sonntag und ein nettes Wort an der Kirchentür auch sehr motivierend sein können.
Und was haben die Gemeinden davon?
Die Gemeinden haben einen vielfachen Nutzen: Es weht fast automatisch ein frischer Wind, wenn Menschen mit unterschiedlichen Glaubenserfahrungen und Lebensläufen in der Kirche das Wort ergreifen. PastorInnen verbringen oft schon ihre meiste Zeit irgendwie im Dunstkreis der Kirche und Gemeinde. Vieles, was wir PastorInnen wissen und was uns bewegt, kommt alles aus der gleichen Ecke. Aber welche Erfahrungen kann ein Industriearbeiter einbringen? Welche Geschichten bewegen eine Krankenschwester? Welches Argument ist für eine Polizistin schlüssig und was leuchtet einem Erzieher aus dem Jugendzentrum ein? Was einer Abiturientin oder einem jungen Auszubildendem? Da steckt schon mal Feuer drin.
Dann bringen all diese Menschen von Hause aus eine eigene, unverbrauchte Sprache mit. Sie haben noch nicht so viele fromme Floskeln und so eine abgenutzte Kirchensprache drauf, die sich bei vielen PredigerInnen unbewusst eingeschlichen haben.
Und schließlich haben alle LektorInnen und PrädikantInnen ihrerseits wieder Verwandte, FreundInnen und KollegInnen, die ihren Lektor am Sonntag in der Kirche erleben wollen.
Nächster Punkt: Ganz sicher machen die LektorInnen und PrädikantInnen nicht jeden Sonntag Gottesdienste. Sie haben oft einen längeren Vorlauf und können deshalb manche Gottesdienste auch viel aufwändiger vorbereiten und tollere Einfälle umsetzen als ich als Pastor. Und das ist lange noch nicht alles.
Pastorinnen und Pastoren sind „Mangelware“. Können Lektoren und Prädikanten PastorInnen ersetzen?
LektorInnen und PrädikantInnen sind kein Ersatz für fehlende PastorInnen. Anderenfalls könnte eine Gemeinde mit genügend PastorInnen ja ohne Schaden auf LektorInnen verzichten können. Ich denke, dass ehrenamtliche PredigerInnen immer eine gute und eine notwendige Ergänzung zu den Hauptamtlichen sind. Sie bringen etwas Eigenes in die Kirche ein, das ohne sie in einer reinen PastorInnenkirche bitter fehlen würde.
Sicher gibt es Zeiten oder Umstände, in denen in einer Gemeinde am Sonntag einfach ein Pastor fehlt. Sei es in einer Vakanz, in der Urlaubszeit, bei einer längeren Krankheit oder weil einfach überhaupt zu wenige PastorInnen da sind. Und natürlich können LektorInnen und PrädikantInnen da helfen, die größte Not zu lindern.
Trotzdem: Wer LektorInnen und PrädikantInnen als LückenbüßerInnen und Aushilfe sieht, der wird ihnen nicht gerecht. Und der hat auch nicht verstanden, was LektorInnen in der Kirche Gutes tun können.
Wie sind Sie dazu gekommen, Sprengelbeauftragter für diese Arbeit zu werden?
In der Kürzungsrunde von 2023 sollen 50% meiner bisherigen Pfarrstelle gestrichen werden. Ich musste mich also sowieso nach einer weiteren Aufgabe umsehen. Bei einem Termin im Kirchenkreis habe ich Herrn Dr. Schaede kennengelernt. Seine Sicht auf die Kirche und deren zukünftige Entwicklung hat mich sehr angesprochen.
Außerdem leite ich hier in Lüchow-Dannenberg zur Zeit bereits den zweiten regionalen Ausbildungskurs für angehende LektorInnen. Das ist eine herausfordernde und spannende Arbeit. Die KursteilnehmerInnen motivieren mich durch ihr großes Engagement.
Als ich dann davon hörte, dass im Sprengel jemand mit einer halben Stelle für ähnliche Aufgaben gesucht wird, habe ich mich beworben. Mir liegt die Arbeit mit LektorInnen und PrädikantInnen am Herzen und auch die Überlegung, was heute Gottesdienst bedeuten kann. Ich bin froh, dass man mir diesen Aufgabenbereich jetzt anvertrauen möchte und freue mich auf das, was kommt.
Worin sehen Sie diesbezüglich Ihre wichtigsten Aufgaben?
Für mich ist die größte Baustelle im Bereich Gottesdienst das Thema Sprache: Welche Sprache verwenden wir in unseren Gebeten und in unseren Predigten? Wie kann unsere Sprache wirksamer, glaubhafter und vielleicht auch origineller werden? Der Sprachgebrauch in den Medien aber auch im Alltag hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Nur in der Kirche ist man oft bei seinen alten Mustern, Formeln und Bildern geblieben. Das ist mit ein Grund, warum sich ungeübte Kirchgänger in Gottesdiensten fremd und auch nicht wirklich angesprochen fühlen. Dabei kann unsere Sprache ja so viel mehr. Für mich ist es wichtig, LektorInnen und PrädikantInnen ihre sprachlichen Möglichkeiten zu zeigen. Sie sollen auf das vertrauen und das entwickeln, was sowieso schon in ihnen steckt.
Dazu gehört auch zu schauen, was ich unter diesen Voraussetzungen eigentlich aus Lesepredigten rausholen kann. Lesepredigten können weder aktuell sein, noch genau für eine Gemeinde passen. Das liegt in der Natur der Sache. Aber wenn ich eine Brücke zu den Menschen schlagen will, dann wird das zum Problem. Wie schaffe ich es in meinen Gottesdienst, dass da ein Funke zündet, der einen Menschen in seinem Herzen bewegt? Der für ihn in seinem Leben wirklich wichtig wird?
Fortbildungen und Freude an der Arbeit an den eigenen Fähigkeiten gehören dazu. Und vielleicht gelingt es ja auch, dabei die Kluft zwischen den Haupt- und den Ehrenamtlichen zu überwinden. Ich habe zum Beispiel im Atelier Sprache in Braunschweig anspruchsvolle Fortbildungen erlebt, in denen PrädikantInnen und PastorInnen ganz selbstverständlich und zu beiderseitigem Nutzen voneinander gelernt haben.
Zuerst einmal muss ich aber selbst erst lernen, was von einem Sprengelbeauftragten erwartet wird und wie ich im Sprengel den meisten Nutzen bringen kann. Es gibt da ein tolles Team im Sprengel, dass mich dabei sicher gut begleiten und beraten wird. Ich nehme mir vor, zuerst einmal viel zuzuhören. Und dann sind da ja auch die KollegInnen aus den anderen Sprengeln, die alle schon länger im Dienst sind und der Lektoren- und Prädikantendienst der Landeskirche in Hildesheim mit seiner Erfahrung und Kompetenz.
Gibt es ein Bibelwort, das Ihnen im Zusammenhang Ihrer neuen Aufgabe wichtig ist?
Es gibt da einen Bibelspruch aus dem Lukasevangelium, über den ich bislang an jedem ersten Tag bei einem neuen LektorInnenkurs gesprochen habe. Der Spruch steht am Ende der Emmausgeschichte. Zwei Jünger gehen nach der Kreuzigung von Jesus todtraurig von Jerusalem in das Dorf Emmaus. Sie hatten zwar Geschichten gehört, dass ihr Freund Jesus danach wieder lebendig gesehen wurde. Aber irgendwie können sie das nicht glauben. Auf dem Weg gesellt sich Jesus zu ihnen, ohne dass die beiden ihn erkennen. Er diskutiert mit ihnen und legt ihnen die Schrift aus. Am Abend kehrt er mit ihnen in ein Gasthaus ein. Er bricht das Brot und verschwindet.
Die beiden Emmausjünger gehen noch mal durch, was auf dem Weg geschehen ist. Sie fragen sich, warum sie Jesus nicht erkannt hatten. Der Hinweis, warum sie doch eigentlich darauf hätten kommen können lautete so: „Brannte nicht unser Herz?“ (Apostelgeschichte 24,32)
„Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?“ Ich glaube das ist es, wonach wir bei jeder Predigt streben sollten: Wenn wir in unseren Gottesdiensten das Evangelium predigen, wenn wir was von der Liebe des lebendigen Gottes weitersagen wollen, dann muss das auch zu merken sein. Das Wort Gottes kann das. Es ist sogar so seine Art. Wir müssen ihm nur seine Kraft lassen.