Worte zur Jahreslosung

Nachricht Hannover, 01. Januar 2018

"Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst." (Offb 21,6)

Die Jahreslosung aus dem Buch der Offenbarung nach einem Motiv der Künstlerin Friederike Rave (Foto: www.praesenz-verlag.com)

Durst! Erst ist es nur die Lust etwas zu trinken. Die Augen suchen eine Gelegenheit. Der Blick schweift. Die Füße tragen wie von selbst weiter, dorthin, wo der Durst gestillt werden kann. Dann, nach einer Weile, schreit der Körper geradezu nach Flüssigkeit. Die Zunge wird pelzig, die Lippen platzen auf, die Muskeln zittern. Die ganze Existenz ist auf einen Schluck Wasser aus. Da hilft keine Ablenkung.

Wer in der Wüste lebt, der weiß: Wasser ist ein kostbares Gut. Und ein entferntes Gut, das nicht sofort zur Verfügung steht. Der Weg dorthin ist oft weit. Und es kann nicht lange frisch gehalten werden. Viel lässt sich davon auch nicht auf einmal tragen, allzumal wenn man ohnehin geschwächt ist.

Durst ist so unmittelbar wie der Schmerz. Alles andere wird verdrängt, die Ziele für diesen Tag, die Nächsten. Alles versinkt im Nebel, aus dem nur dieser eine Schrei hallt: Durst! Hier geht es nicht um Genuss, nicht um das erste kalte Bier nach einem heißen Tag, nicht um nur einen Schluck aus der Flasche wie nach einem anstrengenden Training. Wer Durst hat, hat nichts anderes mehr. Nur noch Durst.

Wenn zwei sich aufmachen, um Wasser zu holen, dann geben sie auf­einander acht: dass nicht einer stolpere, dass sie nicht den Weg verlieren, dass nicht einer aufgebe unterwegs, nicht zurückbleibt, in der Wüste, in der Einsamkeit. Zwei haben mehr Hoffnung als einer alleine. Der Quelle entgegen, ins Licht!

Gottes Verheißung im Wort vom lebendigen Wasser ist unmittelbar, ist ausschließlich und überlebenswichtig: Wie Wasser, das er einem Verdurstenden reicht. „Du sollst leben“. Das ist die Botschaft dieser Geste.

Oder sehen wir den Durstigen hinterher? Sie wandeln wie auf Wasserwogen, ihre Krüge sind gefüllt, sie kehren wieder heim, der Sonne entgegen. Das Licht verzehrt nicht, es wärmt. Und auch wenn es heiß wird, wenn der Durst wieder quält, dann kennen wir den Weg zurück, zum Wasser, zur Quelle.

Hand aufs Herz, wissen wir überhaupt noch, dass es ums Überleben geht? Oder ist Gottes Verheißung eher so eine Art geistiges Genussmittel? Wie der Rotwein am Abend? Vielleicht ist die Frage unerbittlich, vielleicht ist die Skepsis groß, vielleicht ist der große Glaube auch mit der Zeit ausgetrocknet und geschrumpft. Nur wer Durst hat, will trinken. Wer das Durstgefühl verdrängt oder nicht mehr spürt, gefährdet sich selbst. Zuzugeben, dass einem etwas fehlt, vielleicht sogar etwas Elementares, ist ziemlich schwer.

Umsonst ist nicht der Tod; umsonst ist das Leben, das Wasser des Lebens. Umsonst. Was ist sein Preis? Unser Durst. Die Sehnsucht nach der Quelle. Die Bereitschaft, den Weg unter die Füße zu nehmen. Leer sein, empfänglich sein. Wie das? Wir sind es ja schon – immer gewesen. Denn der Durst ist unmittelbar, durch nichts zu verdrängen, alleingültig, wenn man nicht sterben will. Deshalb dürfen wir uns beschenken lassen.

Gott bietet seine Güte und Gnade an, nicht als geistigen Luxus, sondern als ein Überlebensmittel ohne Vorleistung, kostenlos: ein Schluck, ein Glas, ein Fass vom Wasser, das lebendig macht.

Ein gesegnetes neues Jahr wünscht Ihnen

Landessuperintendentin Dr. Petra Bahr

Karten zur Jahreslosung

Die Auslegung der Jahreslosung von Dr. Petra Bahr ist im Präsenz Verlag erschienen und steht kostenlos unter www.praesenz-verlag.com als Download zur Verfügung. Dort können auch Karten mit Motiven der Künstlerin Friederike Rave bestellt werden.