Himmlische Posaunenklänge in Leer

Nachricht Leer, 09. Juni 2018

Landesposaunenfest mit 1.400 Teilnehmern

Einen Abend und einen Tag lang wurde die Hafenstadt Leer von Posaunenklängen durchweht. Am 8. und 9. Juni 2018 fand das Landesposaunenfest der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers unter dem Motto „As de Wind weiht“ in Leer statt. „Hier in Leer weht ein frischer Wind, einladend sympathisch und offen“, freute sich Marianne Gorka, Landespastorin für die Posaunenchorarbeit aus Hildesheim, über die freundliche Atmosphäre der gastgebenden Stadt. Die Bläserinnen und Bläser waren dankbar dafür, dass eine leichte Brise immer mal wieder Erfrischung in die sommerlich heißen Temperaturen auf den Festplatz Große Bleiche brachte.

Die Bürgermeisterin der Stadt Leer, Beatrix Kuhl, sagte in ihrem Grußwort zur Eröffnung: „Welch‘ ein Glück für uns, dass Sie heute in unserer Stadt sind! Sie bringen Wind in unsere Stadt. Sie haben alle unsere Herzen im Sturm erobert.“ „Leericho“ werde tatsächlich gelebt. In Anlehnung an die biblische Geschichte, die beschreibt, wie Posaunenklänge die Stadtmauern von Jericho zum Einstürzen brachten, sagte Kuhl: „Ersetzen wir die Mauern durch unsere Herzen. Diese haben sie mit ihrer Musik erobert, bereits durch den abendlichen Auftakt mit dem Konzert in der Lutherkirche und dem fulminanten Auftakt mit abwechslungsreicher und hochprofessioneller Musik am Nesseufer.“ An diesem Wochenende hänge der Himmel nicht voller Geigen, sondern voller Posaunen und Trompeten. „Ich wünsche Ihnen, viele Besucher die diese himmlische Musik genießen können.“

In der Lutherkirche hörten 650 Besucher am Vorabend das Konzert zum Auftakt mit den sieben Landesposaunenwarten der Landeskirche. Bei der Abendserenade im Hafen spielten über 300 Bläser an beiden Ufern. Landessuperintendent Dr. Detlef Klahr sprach ein geistliches Wort und den abendlichen Segen zur Einstimmung auf das Landesposaunenfest am Wasser.

Am Sonnabend gab es an verschiedensten Stellen in Leer immer wieder Posaunen und Trompeten zu hören, sei es auf einem Ausflugsschiff vom Wasser aus, auf dem Denkmalsplatz, in Altenheimen und Krankenhäusern, in der Lutherkirche, im Theater an der Blinke und vor allem auf dem Festplatz Große Bleiche.

Der Klang einer Posaune habe immer auch etwas von einer öffentlichen Weite, sagte der Regionalbischof des gastgebenden Sprengels Ostfriesland-Ems, Dr. Detlef Klahr. „Wo sie erklingen, wird immer auch ein wenig vom Himmelsglanz hörbar“, so Klahr. Im letzten Buch der Bibel sei von den Posaunen des Heils die Rede. „Wir üben heute schon kräftig an den Posaunen des Heils!“

„Eure Musik ermutigt und tröstet zum Dienst in der Welt!“, sagte der Regionalbischof. „Ihr seid Botschafter Gottes!“ Wer die Posaunenchöre höre, den erreiche die Botschaft von Gottes Liebe. „Solange Menschen an Gott glauben, wird sein Lob unter uns auf vielfältige Weise mit Singen und Klingen zu vernehmen sein, denn: Gott loben, das ist unser Amt!“

Das Landesposaunenfest ist ein Treffen, das die Landeskirche Hannovers alle vier Jahre für ihre Bläser an unterschiedlichen Orten mit Konzerten, Workshops und einem Gottesdienst organisiert. Dieser Tag gibt den Posaunenchören für ihre Arbeit neue Impulse und bietet die Gelegenheit, das eigene Können zu präsentieren und neue Kontakte zu knüpfen. „Ihr seid die größte Laienbewegung in unserer Landeskirche!“, rief die Landespastorin den Bläsern zu. In 670 Posaunenchören gibt es rund 13.000 Musiker aus allen Generationen.

Brass-Oratorium zum Gedenken an Anne Frank

Eine Veranstaltung der ganz besonderen Art fand im Theater an der Blinke statt. Zum Gedenken an den 89. Geburtstag von Anne Frank am 12. Juni wurde das Brass-Oratorium „Anne! Damit wir klug werden“ von Marita und Reinhard Gramm mit 100 Sängern und Bläsern aufgeführt. Es handelt von dem 15-jährigen jüdischen Mädchen Anne Frank, das nach über zwei Jahren im Versteck in Amsterdam mit dem letzten Transport von Westerbork in den Niederlanden im September 1944 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert wurde und im KZ in Bergen-Belsen kurz vor der Befreiung 1945 verstarb.

Die Aufführung begeisterte und bewegte die 200 Zuhörer, die es am Ende nach einem langen Moment der Stille nicht mehr auf den Plätzen hielt. Die beiden Sprecherinnen und der Projektchor Hameln, Itzehoe und Cuxland unter der musikalischen Gesamtleitung von Knut Petscheleit überzeugten mit ihrer Feinabstimmung im Klang und in der Inszenierung.

Marita und Reinhard Gramm hätten es in bemerkenswerter Weise geschafft, Text und Musik thematisch dicht und bewegend zu verknüpfen. Dieses Brass-Oratorium stehe für die Bedeutung von Frieden, Freiheit, Achtung, Respekt und Toleranz, sagte Regionalbischof Klahr. „Es ist erstaunlich, welche Bekanntheit das Tagebuch der Anne Frank erlangt hat, und wie sehr dieses junge Mädchen uns aufrüttelt, klug zu werden, damit so etwas nicht wieder geschieht.“ Das Brass-Oratorium erinnere nicht nur an etwas Geschehenes, sondern schärfe den Blick dafür, die Würde eines jeden Menschen zu achten und Leben zu retten, wo immer es darauf ankomme. „Anne Frank hatte nie aufgehört, sich nach dem Leben zu sehnen. Uns kann sie eine besondere Aufmerksamkeit dafür schenken, dass das Leben ein kostbares Geschenk ist, für das es sich einzusetzen lohnt“, so Klahr.

Klahr, der gebürtig aus Bergen stammt und in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers aufgewachsen war, bewegte es sehr, dass dieses Stück nun gerade in Leer aufgeführt wurde. Leer ist eine Station des grenzübergreifenden Projekts „Auf dem Weg von Anne Frank. Spurensuche entlang der Gleise“. Seit 2015 erinnert in Leer vor dem Bahnhofseingang eine Mahntafel an die Deportationszüge, die von Westerbork aus in die östlichen Konzentrationslager fuhren. Auch wenn Anne Frank wohl auf einer anderen Route deportiert wurde, so sei Leer ein besonders geeigneter Ort, an ihr Leben und Sterben zu denken, das stellvertretend für viele Millionen Opfer der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft stehe.

Es sei bemerkenswert, dass auf dem Landesposaunenfest dieses Stück aufgeführt werde. Posaunenchorarbeit sei eben auch Bildungsarbeit, so Klahr.

Der Abschlussgottesdienst als Höhepunkt des Tages

Im Abschlussgottesdienst hielt Arend de Vries, Geistlicher Vizepräsident im Landeskirchenamt Hannover, die Predigt und sprach über die biblische Geschichte von der Sturmstillung. Auf unmöglichem Wege komme Jesus demjenigen nahe, der Hilfe brauche, sagte de Vries den 2.000 Gottesdienstbesuchern auf dem Festplatz Große Bleiche. „Menschen, die auf Christus vertrauen, bekommen Kraft und können mit den Stürmen im Leben anders umgehen.“ Der Theologe sagte auf die Frage, welcher Geist die Menschen antreibe, in der Kirche oder im Posaunenchor dabei zu sein: „Es ist der Geist der Hoffnung – trotz aller Schicksalsschläge, Diktatoren, Autokraten und Egomanen dieser Welt. Wir stehen dafür ein, dass Gott sich durchsetzen wird mit seiner Gerechtigkeit.“

Die musikalische Gesamtleitung der fast 1.400 Musiker hatte der hiesige Landesposaunenwart Hayo Bunger. Die aus allen Regionen der Landeskirche Hannovers gekommenen Blechbläser hatte Bunger zu einem großen Chor vereint, der die Stücke in festlicher Brillanz und einmaligem Klangvolumen so vortrug, dass das Landesposaunenfest sicher noch lange bei den Teilnehmern und Besuchern nachhallt.

Das Landesposaunenfest gibt es in der Landeskirche Hannovers seit rund 70 Jahren. Es findet alle vier Jahre in einer anderen Region Niedersachsens statt. 1982 wurde es zuletzt in Ostfriesland gefeiert, damals in Aurich.

Weitere Informationen über das Landesposaunenfest im Internet unter www.landesposaunenfest.de.