Ist Ostern vernünftig?

Andacht in der Nordsee-Zeitung, 4. April 2015

Ist Ostern vernünftig? Spontan zögert man. Auferstehung geht über unseren Erfahrungshorizont hinaus. Unsere Vernunft kennt das nicht. Man kann Auferstehung nicht beweisen.

Allerdings beschreibt die Bibel in großer Breite: der gekreuzigte Jesus ist Menschen lebendig begegnet. Dafür wird systematisch eine Fülle von Zeugen benannt. Alle Schriften des Neuen Testamentes sind voll davon: Jesus ist nicht im Tod geblieben, sondern auferstanden und Menschen begegnet.

Die Auferstehung selbst bleibt ein Geheimnis, kein Video auf Youtube kann sie zeigen. Aber dass Jesus seinen frustrierten und verzweifelten Freunden begegnet ist, damit die Geschichte Jesu weiter ging und eine ganz neue Geschichte anfing, das ist breit belegt. Osterglauben kann man nicht beweisen. Aber er hält sich an bestens belegte Dokumente und Zeugnisse.

Ist Ostern vernünftig? Gegenfrage: Ist es vernünftiger, dem Tod das letzte Wort zu lassen? Wer unser Leben auf die Spanne von Geburt bis Tod reduziert, der muss das Leben als „letzte Gelegenheit“ sehen. Dann muss man aus diesen Jahren herausholen, was immer möglich ist. So powern wir aus unserer viel zu kurzen Lebensspanne eine Maximum an möglichst leidfreiem Glück heraus, nach dem Motto. „Jetzt oder nie.“ Kein Wunder, dass in einer solchen Gesellschaft der Burnout zum Massenphänomen wird. Das auf jeden Fall – das ist höchst unvernünftig.

Und wenn wir mit der Realität des Todes konfrontiert werden? Was trägt uns dann? Leicht macht sich da Sprachlosigkeit breit. Leiden und Unglück sollen in unserem Leben eigentlich nicht mehr vorkommen. Aber ist das vernünftig, wenn wir Krankheit, Unglück und Tod am liebsten verdrängen?

Ostern möchte dem eine andere Vernünftigkeit entgegenstellen: Eine Vernünftigkeit der Hoffnung. Ostern ist ein Gegenprogramm gegen die Dominanz des Todes. Dafür steht der auferstandene Christus: Der Tod - so schlimm er ist - ist nicht das Ende, sondern der Anfang eines neuen verwandelten Lebens bei Gott. Das ist eine unerhörte, eine neue und buchstäblich verrückte Botschaft. Und doch birgt sie eine tiefe Vernünftigkeit: Ich kann leben in einer großen Hoffnung und Gelassenheit. Kann jeden Tag aus Gottes Hand nehmen, kann ihn genießen und so verantwortlich füllen wie möglich. Aber ich muss mich nicht überfordern und andere auch nicht. Dieses Leben ist nicht „letzte Gelegenheit“. Unsere Endlichkeit ist keine Katastrophe, sondern zutiefst menschlich. Und eingebettet in die Hoffnung auf ein unvergängliches Leben bei Gott. Dafür steht Ostern. Es steht für eine große Freude und große Gelassenheit. So zu leben – ich finde das höchst vernünftig.

Landessuperintendent
Dr. Hans Christian Brandy, Stade