500 Jahre und kein bisschen leise

Nachricht Emden, 14. Juni 2017

Regionalbischof Klahr zur die bleibenden Bedeutung der Reformation

Auf der Mitgliederversammlung der Ostfriesischen Evangelischen Seemannsmission im Seemannsheim in Emden hielt Landessuperintendent Dr. Detlef Klahr einen Vortrag über das Thema „500 Jahre und kein bisschen leise – von der bleibenden Bedeutung der Reformation“.

Die Reformation sei nicht leise geworden, sie habe auch heute noch Bedeutung. Mit Luthers Lebzeiten sei sie nicht zu Ende gewesen, sagte der Regionalbischof für den Evangelisch-lutherischen Sprengel Ostfriesland-Ems.  So habe sich etwa die Reformationsstadt Emden auf den Weg gemacht, die Bedeutung der Reformation über das Jahr 2017 hinaus zu gestalten. Der ehemalige Präsident der USA, Barack Obama, sei zum Kirchentag nach Berlin gekommen, auf dem in besonderer Weise das 500-jährige Reformationsjubiläum gefeiert wurde. In Wittenberg laufe derzeit die Weltausstellung Reformation.

 

Frühere Reformationsjubiläen

In seinem Vortrag ging Klahr der Frage nach, wie die Jahrhundertfeiern der Reformation begangen wurden und auch der Frage, wann zum ersten Mal des Thesenanschlags Martin Luthers gedacht wurde, der als Beginn der Reformation gilt. In einem Brief vom 1. November 1527 habe Luther selbst darauf hingewiesen, dass er tags zuvor mit Freunden in Wittenberg gefeiert habe: „Zehn Jahre, nachdem die Ablässe zertreten wurden, trinken wir darauf fröhlich!“

Das Jubiläum 1617 sei das erste hundertjährige Jubiläum, das deutschlandweit begangen wurde. Die Reformation wurde zu jener Zeit wie ein heilsgeschichtliches Datum verstanden. Man sei dankbar gewesen für das angezündete Licht des Evangeliums. 1717, in einer Welt vielfältiger Glaubensentwürfe und unterschiedlicher Staatsformen, wurde auch das Evangelium gefeiert. Hundert Jahre später dann sei Luther als Prototyp des Deutschen schlechthin gesehen worden. „Es wurden viele Lutherdenkmäler errichtet. Auf Festumzügen durch die Städte wurde mit Pauken und Trompeten Luther gefeiert“, so Klahr.

1817 schlossen sich erstmals auch Katholiken und Juden dem Reformationsgedenken an, indem sie gemeinsam bekannten, Luther sei ein großer Deutscher gewesen, weil er in einer Zeit der Intoleranz zu Gewissensfreiheit, Mündigkeit und selbstverantworteter Sittlichkeit geführt habe.

Im Gedenkjahr zu Luthers 400. Geburtstag, 1883, wurde dies noch verstärkt. Das neu gegründete Kaiserreich habe mit Luther eine religiöse Überhöhung erhalten. Auch 1917 klang dies an. Da galt Luther als nationaler Held und wurde gemeinsam mit Hindenburg als Befreier und Retter der Nation gesehen.

Zu seinem 500. Geburtstag würdigte ihn die damalige DDR als Revolutionär und Antikapitalist.

Dieser Überblick zeige, wie Luther, je nachdem wie die Zeit geprägt war, instrumentalisiert wurde. Jede Erinnerung solle sich der Gefahr der Ideologisierung bewusst sein, sagte Klahr.

 

Das 500-jährige Reformationsjubiläum

„Was wird wohl rückblickend über unser 500-jähriges Reformationsjubiläum gesagt werden?“, fragte Klahr. Es sei jedenfalls das erste Jubiläum, das mit Pastorinnen und Bischöfinnen gefeiert werde. Auch sei die Ökumene in den Blick gekommen, indem das Reformationsjubiläum vielerorts gemeinsam mit den Katholiken als Christusfest begangen wird, so etwa zu Beginn im schwedischen Lund mit Papst Franziskus. „Wir waren uns noch nie näher als heute!“, lasse sich daraus erkennen, so Klahr. Die ökumenische Bewegung habe dieses Jahrhundert und diese Jahrhundertfeier geprägt. „Rückschauend wird man sicher sagen, das 500-jährige Jubiläum wurde ökumenisch gefeiert“, stellte der Regionalbischof fest.

Und dieses Jubiläum sei das erste, das Luther ein Stück weit vom Sockel gehoben habe, indem auch Luthers Schattenseiten angesehen wurden. Dabei bliebe aber das Positive seiner Theologie und seines Werkes gleichfalls im Blick: „Der Ertrag seiner Theologie für die Welt ist enorm. Davon wird auch in hundert Jahren noch zu reden sein“, ist Klahr überzeugt.

Drei Gesichtspunkte mit bleibender Bedeutung seien besonders zu nennen: Zuerst Luthers theologische Einsicht von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gottes Gnade, allein im Glauben. Ohne den Artikel von der Rechtfertigung gebe es in der Welt nichts als Tod und Finsternis, habe Luther selbst gesagt. Er beschrieb diese Einsicht, als fühle er sich wie neugeboren und als hätten sich die Pforten zum Paradies für ihn geöffnet. Vor seiner bahnbrechenden theologischen Erkenntnis sei Luther zwölf Jahre lang Mönch gewesen und habe mit sieben Tagzeitengebeten gelebt. Nun lernte er die Bibel neu verstehen.

Daraus sei auch Luthers Beschreibung der christlichen Existenz als Freiheit eines Christenmenschen erwachsen. Ein Christ sei niemandem Untertan und doch zugleich ein dienstbarer Knecht aller. Beeinflusst von dem griechischen Wort für „frei“ änderte Luther nach dem Thesenanschlag seinen Familiennamen Luder in Luther. Der neue Name solle zum Ausdruck bringen, dass er nun durch die Gerechtigkeit Gottes befreit sei.

Regionalbischof Klahr ist der Auffassung, dass die Botschaft von der Rechtfertigung allein aus Gnade auch heute eine hohe Aktualität habe: „Mein Daseinsrecht werde mir von Gott zugesprochen und ich entkomme der Selbstoptimierung und dem Urteil der anderen.“

Auch Luthers Auffassung vom Allgemeinen Priestertum aller Getauften sei heute hoch aktuell und präge die lutherische Kirche. Alle Getauften Christen hätten Verantwortung für die Verkündigung des Evangeliums. In einer Zeit, in der es nicht mehr genügend Pastorinnen und Pastoren geben werde, sei dies von großer Bedeutung.

Als dritter bleibender Gesichtspunkt der Reformation müsse die Gabe der Unterscheidung gesehen werden. Es dürfe nicht vermischt werden, was zu Gott oder zum Menschen gehöre, was Gesetz und was Evangelium sei. Auch das gehöre zur bleibenden Bedeutung der Reformation, und somit zur Verkündigung des Evangeliums.

 

Auf der Mitgliederversammlung der Seemannsmission wurde die Aufgabe der Seemannsmission deutlich: Den in ostfriesischen Seehäfen verkehrenden Seeleuten und Binnenschiffern sowie Personen, die sich in einer besonderen Notlage befinden, in christlicher Verantwortung Hilfestellung und Beratung zu teil werden zu lassen und Seelsorge und Verkündigung des Evangeliums anzubieten.

Dass dies in vielfältiger Weise erfolgreich geschehe, darüber freuten sich der Vorsitzende, Pastor Wolfgang Ritter, und Seemannspastor Meenke Sandersfeld. Landessuperintendent Dr. Klahr dankte den Mitgliedern für die Unterstützung dieser segensreichen Arbeit.

Im letzten Jahr wurde eine Stelle für einen Sozialarbeiter im Anerkennungsjahr eingerichtet und seit dem Sommer sind vier junge Männer aus Tadschikistan, Mexiko und Ecuador im Freiwilligendienst in der Seemannsmission in Emden tätig.