Erntedank 2020

Nachricht 04. Oktober 2020

Regionalbischöfin Bahr spricht Zwischenruf im NDR

Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr (Foto: Patrice Kunte / Sprengel Hannover).

Die Kamera zieht an leeren Regalen vorbei. Eine Konservendose liegt auf der Seite wie aus Versehen zurückgelassen. Ausnahmezustand im Supermarkt. „Wird es uns bald am Notwendigen mangeln?“

Diese düsteren Bilder haben den Beginn der Pandemie im März begleitet. Sie haben sich im Gedächtnis festgesetzt. Leute stapeln Klopapierberge im Keller, als könnte man so einen Schutzwall gegen das Ungewisse bauen. In Whatsappgruppen werden Hefepäckchen gehandelt. Der Alltag einer Katastrophe. Längst sind im Supermarkt die Regale wieder voll, und in vielen Haushalten gibt es Gärmittel für 10 Jahre Sonntagskuchen satt.

Für viele dennoch eine einschneidende Erfahrung. Nur die Alten konnten sich noch erinnern, an den Mangel, an den Hunger, an das Glück, in ein Stückchen Schokolade zu beißen. Dankbarkeit ist ein flüchtiges Gefühl. Kaum ist der Anlass verstrichen, orientieren Menschen sich unwillkürlich an dem, was fehlt. Davon gibt es immer eine Menge. Zu wenig Berührung, zu wenig Ausgelassenheit, der Mangel an Spontaneität, diese Dünnhäutigkeit überall. Daran ändert eine Scheibe Hefezopf mit Butter erst mal nichts. Das, wovon es genug gibt, ist ja das Selbstverständliche. Und das entdeckt man meistens erst, wenn es fehlt.

Am heutigen Sonntag ist Erntedank. Es ist immer schon das Fest, das das Selbstverständliche in den Mittelpunkt rückt: das, was satt hält und Leib und Seele gesund, das. Dankbarkeit kann man natürlich nicht verordnen. An Festtagen sollen auch nicht die Probleme der Welt vertuscht werden. Aber den Wechsel der Perspektiven einüben, lohnt sich aber. Dieser Wechsel macht sogar reich. Einen Tag lang mal nicht fragen: „Was fehlt?“ sondern: „Was haben wir? Wovon leben wir?“ 

NDR-Zwischenruf von Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr

Den Zwischenruf hier nachhören