Kirche und Schule im Gespräch

Nachricht 06. Dezember 2018

Landesschulbehörde und Evangelische Kirchen thematisieren Umgang mit Populismus

Vertreter und Vertreterinnen der Landesschulbehörde und der Ev. Kirche aus den Sprengeln Hannover und Hildesheim-Göttingen trafen sich Anfang Dezember in der Hamelner Elisabeth-Selbert-Schule und tauschten sich gemeinsam mit Schulleiterin Gisela Grimme über den richtigen Umgang mit Populismus aus (Foto: F. Gartmann).

(Hannover / Hameln) „Auf! Lass uns anders werden als die Vielen, die da wimmeln in dem allgemeinen Haufen!“ Mit diesem Zitat von Carl Spitteler, Nobelpreisträger für Literatur, kann das Hauptthema des diesjährigen Treffens der Niedersächsischen Landessschulbehörde wohl kaum treffender umschrieben werden: Es geht um den Umgang mit Populismus in der Schule.

Sie ist immer und überall, zumindest schein es so. Frühmorgens treffe ich in der Schule ein und sie läuft mir auch gleich über den Weg. Obwohl gleich das Treffen der Niedersächsischen Landesschulbehörde mit Vertreterinnen und Vertreter der E.-luth. Kirche mit den Sprengeln Hannover, Hildesheim-Göttingen und Osnabrück ansteht, nimmt sie sich sofort Zeit für mich. Freundlich lächelnd führt sich mich in das Nachbargebäude, leitet mich weiter an eine Kollegin und bittet kurzerhand ein paar Schüler um Hilfe. Ich möchte eigentlich nur die, von Schüler*innen produzierten Weihnachtsgeschenke für unseren Kirchenkreis abholen. Doch allein in diesen 10 Minuten bereits erlebe ich die Schulleiterin der Elisabeth-Selbert-Schule (ESS), Gisela Grimme, als überaus freundlich-offenen, hilfsbereiten und konstruktiven Menschen. Und das ist vielleicht einer der Gründe, warum die taffe Oberstudiendirektorin „Ihre“ Schule zum Hauptpreisträger des Deutschen Schulpreises 2017 führen konnte.

Landesuperintendent Eckhard Gorka (stehend) leitete das jährlich stattfindende Treffen zwischen Schulvertretern und Evangelischer Kirche im Raum Hannover und Hildesheim-Göttingen (Foto: F. Gartmann)

„Was machen Sie anders als andere?“, will dann auch der Landessuperintendenten für den Sprengel Hildesheim-Göttingen, Eckhard Gorka, wissen, nachdem Grimme keine Stunde später den neuen Imagefilm der berufsbildenden Hamelner Schule stolz den Teilnehmer*innen des Jahrestreffens präsentiert. Seit 23 Jahren ist Grimme Schulleiterin an der ESS, bei ihr laufen ähnlich eines focus imaginarius alle Fäden der großen und vielfältigen Schule zusammen – mit dem Unterschied, dass sie alles andere als der unsichtbare Kern ist. An fünf Standorten werden insgesamt 2000 Schüler*innen aus 37 Nationen beschult, das Lehrerkollegium verstehe sich zugleich als Lern- und Lebensbegleiter, hebt Grimme hervor, dadurch ein Miteinander auf Augenhöhe mit den Schüler*innen. Als Erfolgsfaktor sei aber die sehr früh eingerührte systematische Qualitätsentwicklung unbedingt zu nennen, wobei jeder daran teilhaben kann und soll, Lehrkräfte und Beschulte! Hasan ist 21 Jahre alt, er wird sein Fachabitur an der ESS machen und in der Ausarbeitung zum Deutschen Schulpreis verkündet er die vermutlich eigentliche Antwort auf die Frage des Landessuperintendenten: „Die pädagogischen Grundwerte der Lehrer machen diese Schule besonders. Hier wird jeder so akzeptiert, wie er ist – egal, woher er kommt.“

Pastor Lutz Krügener, Beauftragter für Friedensarbeit im Haus kirchlicher Dienste, betonte die Aufgabe von Schule und Religionsunterricht sich gegen einen zunehmenden Populismus einzusetzen: Es gehe um "ein respektvolles und tolerantes Aushalten von Differenzen und unterschiedlichen Lebensentwürfen." (Foto: F. Gartmann)

Und Hasan liefert mit seinen Worten den perfekten Übergang zum Haupthema des Jahrestreffens. Akzeptanz, Toleranz, das Anderssein als reale Herausforderung für ein gelingendes Miteinander respektieren lernen – Wie umgehen mit dem Populismus in der Schule. Immerhin, laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung sind bei mehr als 30% Wählern und Nichtwählerinnen populistische Einstellungen zu erkennen, Tendenz steigend. Und diese werden zunehmend populärer auch in der politischen Mitte. Auch und vielleicht besonders Schule kann und muss dagegen anwirken. Davon sind die Referenten Pastor Lutz Krügener, Beauftragter für Friedensarbeit im Haus kirchlicher Dienste, und Elvin Hülser vom Antikriegshaus Sievershausen, überzeugt. Die Haltung und der Umgang zum Thema Populismus sei auch aus theologischer Sicht mit den Schüler*innen zu erörtern. Aufgabe des Religionsunterrichtes sei daher, sich der realen Herausforderung mit selbstbewusstem Mut zur Tugend zu stellen: „Wir haben umzugehen mit der Fremdheit, mit dem Fremden – ja auch Gott ist ein ganz anderer!“, fordert Krügener auf. Ihm ist an einem respektvollen und toleranten Aushalten von Differenzen, unterschiedlichen Lebensentwürfen gelegen. Das erfordere eine aufgeklärte und zugleich selbstbewusste innere Einstellung - als Voraussetzung, sich mit eigenverantwortlichem Verständnis einer klaren sachbezogenen Auseinandersetzung mit populistischen Tendenzen stellen zu können. Junge Menschen suchen nach Antworten für ihre Lebensentwürfe, persönlich wie gesellschaftlich und damit auch politisch. „Ihr Interesse an Politik zu stärken und ihre Bereitschaft zu fördern, demokratische Teilhaberechte wahrzunehmen, ist vordringliche Aufgabe von Schule und Gesellschaft. Politische Bildung sollte also an der gesellschaftlichen Realität und der ganz konkreten Lebenswirklichkeit junger Menschen ansetzen. Wenn ihr das gelingt, kann der Populismus in Idee und Wirkung entschlüsselt und zurückgewiesen werden.“, unterstreicht Burkhard Jungkamp vom Netzwerk Bildung die Bedeutung verantwortungsvoller politischer Teilhabe junger Menschen.
„Ja, Demokratie ist anstrengend und erfordert Mut.“ Mit diesen Worten beendet Krügener seine Ausführungen und fügt hinzu: „Und sie muss immer wieder eingeübt werden!“

Landessuperintendentin Dr. Petra Bahr machte in ihrer Andacht zum Abschluss des Treffens anhand des Herrnhuter Sterns deutlich, dass der Glaube "all unsere Lebenslinien zu einem Lebens- und Sinnziel leite und führe." (Foto: F. Gartmann)

Das Jahrestreffen der Landesschulbehörde und der Evangelischen Kirche in der Hamelner Elisabeth-Selbert-Schule schließt nach einer thematischen Diskussionsrunde zum Thema mit einer Andacht von Landessuperintendentin Dr. Petra Bahr, in der sie am Symbol des Herrnhuter Sterns die religiöse Kreativität aufzeigt, die im focus imaginarius – diesem unsichtbaren, aber alles zugrunde liegendem Punkt – den Glauben vereint. Er sein ein Punkt, der all unsere Lebenslinien im Alltag zu einem Lebens- und Sinnziel leite und führe.

(Text: Heike Beckmann, Öffentlichkeitsbeauftrage & Fundraiserin im Kirchenkreis Hameln-Pyrmont)