Andacht zur Eröffnung der Mitgliederversammlung der Deutschen Seemannsmission e.V. mit Impulsen von Dietrich Bonhoeffer

Bad Bederkesa, 23. April 2015

Meine Damen und Herren,
Schwestern und Brüder,

ein herzliches Willkommen in Bad Bederkesa. Gern halte ich als Vorsitzender des Ständigen Ausschusses die Andacht. Ich tue dies mit Texten und Impulsen von Dietrich Bonhoeffer. Am 9. April 1945, genau vor 70 Jahren, wurde er hingerichtet. In diesem Monat gedenken wir seiner mit besonderer Dankbarkeit. Seine Worte mögen uns ausrichten auch für unsere Arbeit in diesen zwei Tagen.

Bitte wundern Sie sich nicht. Auch im Sprengel haben wir die Osterzeit. Gleichwohl ein Bericht über eine Weihnachtsfeier der Seemannsmission:

Der Männerchor sang sehr eindrucksvoll: Christ Kyrie, erschein uns auf der See. Dann gab es durch Kinder und Jugendliche ein Weihnachtsspiel von den Heiligen Drei Königen. Sehr eindrucksvoll. Die drei Könige sind drei arme Schlucker, die am Weihnachtsabend durch die Häuser gehen, singen und betteln. Als die Taschen endlich gefüllt sind, kommen sie auf dem Heimweg zufällig ins Haus einer armen Familie, eine junge Mutter mit einem Neugeborenen, der Vater, zwei Kinder, die mit fast leeren Händen vom Bettelgang heimkommen und nach dem Christkind fragen.

Fast wie die erschütternde Frage eines Proletarierjungen im kalten Kellerzimmer zu Weihnachten: „Sag doch, Mutter, warum kommt das Christkind immer nur zu den Reichen, die sich doch sowieso etwas kaufen können?“ In dieses Milieu hinein kommen also die sonderbaren heiligen drei Könige und hier wird es auch für sie Weihnachten. Sie schütten ihre Schätze aus – sie wissen, Christus war in der Armeleutestube geboren – und sie werden von dieser ihrer neuen Armut reich.

Dieser Bericht stammt von Dietrich Bonhoeffer (DBW Bd. 13). Er erzählt von der Weihnachtsfeier der Seemannsmission in London zu Weihnachten 1935. Mich hat natürlich interessiert, ob Bonhoeffer Berührungen mit der Seemannsmission hatte. Ein wenig bin ich fündig geworden, der Bericht über die Weihnachtsfeier ist der einzige explizite Beleg in der Ausgabe der Werke Bonhoeffers – vielleicht wissen Anwesende mehr, dann bin ich dankbar für Hinweise.

Eine frühere Begegnung gab es. Im Jahr 1928 war der 22 Jahre junge Doktor der Theologie Vikar in der deutschen Auslandsgemeinde in Barcelona. Sein Vikarsleiter, Pfarrer Olbricht, schrieb einen sehr positiven Bericht über den Vikar nach Berlin und fügt hinzu, so einen hätte er gern wieder (was nicht so einfach war…). In dem Bericht heißt es über Bonhoeffer: „Auch in die Arbeit der Seemannsmission tat er einen Einblick“

Von 1933-35 war Bonhoeffer, inzwischen Privatdozent, dann Pfarrer in London. Hier hat er zusammen mit den drei anderen deutschen Pfarrern – einer war auch Seemannspastor - ebenfalls mit der Seemannsmission zu tun gehabt, wie der Bericht über die Weihnachtsfeier zeigt.

In Reinhard Freeses Geschichte der Seemannsmission kann man lesen, dass die Londoner Seemannsmission mit in die Turbulenzen des Kirchenkampfes geriet. Die Londoner Gemeinden hatten dem Kirchenregiment unter Reichsbischof Müller die Anerkennung versagt. Bonhoeffer hat daraufhin für die Seemannsmission mit der Leitung der Bekennenden Kirche Verhandlungen geführt und erreicht, dass die Seemannsmission landeskirchliche Kollekten aus Bekenntnisgemeinden in Rheinland und Westfalen erhielt.

Damit genug der Geschichte, es soll ja um Impulse für unser Denken und Tun gehen in einer Handlung. Mit dem, wie Bonhoeffer das kindliche Weihnachtsspiel zusammenfasst, sind wir schon ganz nahe an der Sache: Gott kommt da zur Welt, wo Menschen sich öffnen und einsetzen für die Armen, für die Hilfsbedürftigen. Da geschieht Menschwerdung Gottes.
Das ist Grundlage allen diakonischen Tuns und auch unserer Arbeit in der Seemannsmission.

Anlass zum Engagement gibt es genug. In der alltäglichen Arbeit für die Seeleute. Und allemal wenn wir in diesen Tagen erschüttert sind von dem, was auf dem Mittelmeer geschieht – das bewegt zu Recht endlich alle. Und uns als Organisation, die sich um Menschen auf See sorgt, doch besonders. Es ist dringlichst nötig, dass hier politisch gehandelt wird und die EU diesem humanitären Skandal ein Ende macht. Und wir, ja, wir müssen im Moment sehr eindringlich beten: Christ Kyrie, erschein auf der See.

Wir tun, auch in unserem Engagement für die Seeleute in der Deutschen Seemannsmission, was uns zu tun aufgetragen ist als Christen. Ab 1943 war Bonhoeffer ja verhaftet wegen seiner Einbindung in den Widerstand gegen Hitler. Gerade in der Gefangenschaft hat er aufregende Gedanken gedacht darüber, wie der Glaube sich im weltlichen Leben bewähren muss. Dazu gehört nur als ein Element, dass Bonhoeffer intensiv ermutigt zum Engagement für den Nächsten, zum Handeln:

Nicht das Beliebige, sondern das Rechte tun und wagen, nicht im Möglichen schweben, das Wirkliche tapfer ergreifen, nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit. Tritt aus ängstlichem Zögern heraus in den Sturm des Geschehens, nur von Gottes Gebot und deinem Glauben getragen, und die Freiheit wird deinen Geist jauchzend empfangen.

Wer sich engagiert, wer tätig wird – der erfährt Freiheit. Das gilt aber auch umkehrt. Eine Kirche, die nicht für andere da ist, sondern sich zum Selbstzweck wird, wird unglaubwürdig. Ihr Wort wird kraftlos, sagt Bonhoeffer. Daher: „Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: Im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen“.

Beten und tun des Gerechten. Damit ist auch deutlich: Der Ruf zur Tat, so wichtig er ist, ist bei Bonhoeffer – wie für die Bibel – immer nur die eine Seite. Handeln und Beten, Widerstand und Ergebung gehören zusammen. Die Kraft des Menschen ist das Gebet. Beten ist Atemholen aus Gott; beten heißt sich Gott anvertrauen.

All unser Handeln ist begründet im Vertrauen auf dieses Handeln Gottes. Bonhoeffer erinnert uns immer wieder an die Dimension des Glaubens, er ist Zeuge eines tiefen Gottvertrauens: Christ ist der Mensch, der sein Heil, seine Rettung, seine Gerechtigkeit nicht mehr bei sich selbst sucht, sondern bei Jesus Christus alleine.

Und Gottes Handeln ist immer noch viel größer als das, was wir tun und planen. Mit diesem Bekenntnis Bonhoeffers schließe ich.

Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen,
die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage
soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.
Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht
auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.
In solchem Glauben müsste alle Angst
vor der Zukunft überwunden sein.
Ich glaube, dass auch unsere Fehler
und Irrtümer nicht vergebens sind
und dass es Gott nicht schwerer ist
mit ihnen fertig zu werden
als mit unseren vermeintlichen Guttaten.
Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist,
sondern dass er auf aufrichtige Gebete
und verantwortliche Taten wartet und antwortet.

Amen.