Menschen unter dem Kreuz - Auf das Kreuz schauen

Nachricht Emden, 29. März 2017

Passionsandacht im Ostfriesischen Landesmuseum Emden zum 500-jährigen Reformationsjubiläum

Die fünfte der diesjährigen Passionsandachten war in doppelter Hinsicht eine Premiere. Zum ersten Mal fand die Veranstaltung im Foyer und nicht im Rummel des Ostfriesischen Landesmuseums statt und zum ersten Mal unter Beteiligung der Evangelisch-reformierten Kirche. Dies geschah anlässlich des Europäischen Stationenweges der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Das Geschichtenmobil, das von November bis Mai als Reformationstruck 60 Stationen in 19 Ländern besucht und Wittenberg als Ziel hat, erreichte am Mittwoch für 36 Stunden die Europäische Reformationsstadt Emden als 50. Station.

Auch die Passionsandacht stimmte inhaltlich auf dieses Ereignis ein, indem die Abbildung über der Schlosskirchentür in Wittenberg und ein Gemälde des ostfriesischen Künstlers Hermann Buß betrachtet wurden.

„Die 95 Thesen Martin Luthers haben die Reformation ausgelöst“, erläuterte Landessuperintendent Dr. Klahr die Bedeutung der Thesen gegen den Ablass.

 

Mitte des 19. Jahrhunderts hatte König Friedrich Wilhelm IV. die Schlosskirchentür als bronzene Tür mit den 95 Thesen Martin Luthers gestalten lassen. Dazu gehörte auch das Bogenfeld über der Tür, sagte Dr. Annette Kanzenbach in ihrem kunstgeschichtlichen Referat. August von Kloeber, ein damals sehr anerkannter Maler, entwarf das farbige Mosaik, auf dem der gekreuzigte Christus im Zentrum zu sehen ist. Darunter knien Martin Luther und Philipp Melanchthon. Luther mit der Bibel in der Hand und Melanchthon mit der Confessio Augustana, dem Bekenntnis, das maßgeblich von ihm formuliert den Glauben der Protestanten 1530 dem Reichstag in Augsburg vorstellte. 

Luther und Melanchthon seien sich darin einig gewesen, dass es im Glauben darum gehe, Christus vor Augen zu haben und sich unter sein Kreuz zu stellen. Luther weise in seinen Schriften stets auf den Gekreuzigten hin und erwähne die Vergebung, die durch Christus erfahren werden könne. Beide stellten in ihrem Wirken und ihren Werken das Wort vom Kreuz ins Zentrum, und damit  die Gnade und Barmherzigkeit Gottes.

„Bei Christus, dem Gekreuzigten erfahren wir, dass wir mit Gnade und Barmherzigkeit Beschenkte sind“, sagte der Regionalbischof für den Evangelisch-lutherischen Sprengel Ostfriesland-Ems. Auch stellte Klahr heraus, Erneuerung der Kirche bedeute immer ein Neubesinnen auf Christus. Das sei das Anliegen der Reformatoren gewesen. 

Das zweite Bild in der Andacht, Bild Nr. 11 aus dem Bilderzyklus „Poller und Persenning“ von Hermann Buß, war im Original in Anwesenheit des Künstlers zu sehen. Buß hatte im vergangenen Jahr 13 Bilder aus seiner Beschäftigung mit den 95 Thesen Luthers heraus gemalt.

An einem Poller könne ein kleines Boot oder auch ein großes Schiff vertäut werden, so Dr. Kanzenbach. Eine Persenning biete als widerstandsfähige Abdeckung Schutz gegen Wind und Wetter. „Die Begriffe Poller und Persenning sind für mich zu übersetzen in: Halt und Schutz – in etwas, das jeder Mensch braucht und sucht, sein Leben lang, immer wieder neu und immer etwas anders“, erläuterte die Kunstwissenschaftlerin.

Präses Hilke Klüver wendete sich den letzten beiden Ablassthesen Martin Luthers zu. Darin habe Luther die Menschen aufgefordert, das Kreuz Christi in der Nachfolge auf sich zu nehmen.

Klüver sagte, die Boote auf dem Gemälde lassen zunächst an die Flüchtlingsboote aus Afrika denken. Präses Klüver erinnerte aber auch daran, dass einige Jahre nach dem Thesenanschlag Menschen ihres Glaubens wegen die Niederlande verließen und in Emden Aufnahme fanden: „Hier konnten sie wie an einem Poller festmachen. Hier fanden sie Arbeit und durften ihren Glauben leben. Die Hafenstadt Emden gelangte durch die Glaubensflüchtlinge zu großer wirtschaftlicher Blüte. Integration gelingt, wenn man anderen gegenüber gnädig und barmherzig ist.“. Das heiße, Nächstenliebe üben aus Dankbarkeit, dass Gott mit uns liebevoll umgehe. Nächstenliebe üben sei grundlegend für den Zusammenhalt einer Gesellschaft, so Klüver.

„Ob und wie das gegenseitige Geben und Nehmen gelingt, wird in den nächsten Tagen zu hören und zu sehen sein, wenn Geschichten von Migration am Emder Delft vorgestellt werden. Sie werden berichten von den Pollern und der Persenning ihres Lebens und ihres Glaubens und wie diese ihnen Zuversicht gaben und geben“, sagte Klüver.

Landessuperintendent Dr. Klahr dankte dem Ostfriesischen Landesmuseum Emden, dass es das Foyer für die 120 Besucher hergerichtet hatte: „Wir kommen immer gern ins Landesmuseum!“

Kantor Elmar Werner gestaltete die Andacht musikalisch an der Truhenorgel.

Die sechs Passionsandachten vor Ostern werden mittlerweile im neunten Jahr gemeinsam veranstaltet vom Ostfriesischen Landesmuseum Emden, dem Sprengel Ostfriesland-Ems und den lutherischen Kirchengemeinden Emdens.