Dr. Petra Bahr zur Einweihung des Reformationsfensters in der Marktkirche

Nachricht 31. Oktober 2023

Hannover. Nach siebenjähriger Bau- und Planungszeit ist am Reformationstag in der evangelischen Marktkirche in Hannover das umstrittene Reformationsfenster des Künstlers Markus Lüpertz eingeweiht worden.

Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr würdigte in Ihrer Ansprache bei dem Festakt  mit rund 800 Besuchern, das Kunstwerk als Form der Predigt. "Kunst kann das zeigen, was schwer zu sagen ist", so Bahr.

Das 13 Meter hohe Buntglasfenster in der Südfassade der spätgotischen Kirche zeigt eine große weiße Figur, die den Reformator Luther (1483-1546) darstellen soll, dazu weitere Motive zur Reformation wie eine Schriftrolle, Kreuze und ein Tintenfass. Im Licht der Sonne leuchten sie Rot, Grün, Gelb oder Blau. Ins Auge fallen zudem fünf fette blau-schwarze Fliegen, die das Böse und die Vergänglichkeit symbolisieren sollen. Die Kosten für den Entwurf, die Herstellung und den Einbau summierten sich auf 208.000 Euro.

Das sogenannte "Fliegenfenster" zeige immer wieder aufs Neue, dass der Teufel keine dämonische Macht da draußen ist, sondern in uns wohne. Christ sein heißt, dem ins Auge zu sehen, sagte Bahr. Besonders betonte sie Hoffnungsperspektive in der Motivik des Fensters. Tod und Teufel, dargestellt durch die dunklen Fliegen seien zwar unübersehbar, jedoch erstrahle das Fenster immer im Gegenlicht. "Der Lichteinfall kündet davon, dass das Böse zur Eintagsfliege wird.", so die Regionalbischöfin.

Unter den Gästen des Festaktes war auch Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der das Fenster angeregt hatte. Im Einweihungsgottesdienst sagte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister, das Fenster bringe wie jedes gute moderne Kunstwerk Irritationen mit sich und ermögliche so einen „anderen Blick“ auf den Reformator Martin Luther: „Wir sehen einen getriebenen, von Selbstzweifeln geplagten Menschen, innerlich zerrissen.“ Das rege dazu an, über das eigene Leben und die eigene Existenz nachzudenken.

Altkanzler Schröder, ein Freund von Lüpertz, hatte ursprünglich geplant, der Kirche das Fenster zu schenken - Anlass war das 500. Reformationsjubiläum 2017. Dafür hatte er bei Unternehmen und Institutionen, bei denen er Vorträge gehalten hatte, Spenden in Höhe von 135.000 Euro gesammelt. Doch der russische Angriff auf die Ukraine durchkreuzte die Pläne. Wegen Schröders Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin steckte die Marktkirche die Spendengelder nun mit Zustimmung der Spender in einen Ukraine-Fonds oder zahlte sie zurück. Seither sammelt die Kirche selbst Spenden für das Fenster.

Schröder (79) zeigte sich nach dem Festakt trotzdem zufrieden: „Das Ergebnis zählt“, sagte er auf Anfrage. „Das Fenster ist eingebaut, und viele Menschen werden sich darüber freuen für lange Zeit.“ Das Kunstwerk sei eine Bereicherung für die Marktkirche und für die Stadt Hannover.

Der Künstler Lüpertz (82) nahm den Altkanzler gegen Kritik in Schutz. „Dieses Fenster ist auch ein Produkt einer Freundschaft, auf die ich sehr stolz bin“, sagte er. Durch den jahrelangen Fensterstreit habe das Kunstwerk nun eine besondere Vergangenheit und eine besondere Aktualität erhalten.

Die teilweise provokanten Bildmotive von Lüpertz über das Böse waren bei manchen Bürgern Hannover bereits früh auf heftigen Widerspruch gestoßen. Zudem entbrannte ein Rechtsstreit um Urheberrechte, der bis zum Oberlandesgericht Celle führte.

Ein Erbe des Architekten Dieter Oesterlen (1911-1994), der die einstmals kriegszerstörte Marktkirche zu Beginn der 1950er-Jahre neu gestaltet hatte, ging durch zwei Instanzen, weil er ihr Erscheinungsbild durch das Lüpertz-Werk gefährdet sah. Doch er konnte sich nicht durchsetzen. Mit einem dreiwöchigen Kulturprogramm will die Marktkirche nun den Bürgerinnen und Bürgern von Hannover das neue Fenster nahebringen.

epd Landesdienst Niedersachsen-Bremen / Öffentlichkeitsarbeit im Sprengel Hannover