Predigt zur Einführung von Detlef Brünger als Geschäftsführer des Agaplesion Diakonieklinikums Rotenburg

1. Petrus 4,10

Landessuperintendent Dr. Hans Christian Brandy

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe festliche Gemeinde, lieber Herr Brünger,

ein schöner Tag ist das, lieber Herr Brünger, da wir sie feierlich  einführen können in Ihre Aufgabe als Geschäftsführer des Agaplesion Diakonieklinikums Rotenburg. Wir freuen uns sehr – von vielen Seiten habe ich das gehört –, dass Sie diese Aufgabe übernehmen. Sie sind ja auch schon eine ganze Weile tätig. Aber es ist doch gut, dass wir die offizielle Berufung zum Geschäftsführer in einem Gottesdienst begehen und Ihnen Gottes Segen und  Beistand für diese verantwortungsvolle Aufgabe zusprechen.

Wir tun das unter einem Bibelwort – auf der Einladungskarte war es zu lesen: „Dient einander – jeder mit der Gabe, die er erhalten hat. So erweist ihr euch als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes.“ Gute Verwalter: Ein Loblied der Bibel auf die kaloi oikonomoi, die guten Ökonomen. Wenn das nicht passt zur Einführung eines Chefökonomen, des kaufmännischen Geschäftsführers für unser Diakonieklinikum, der es gemeinsam mit dem ärztlichen Geschäftsführer, dem Direktorium und den Gremien in Frankfurt und in Rotenburg leiten wird. Als guter Ökonom sollen und wollen Sie arbeiten hier im Krankenhaus, Verantwortung dafür tragen, dass das Krankenhaus seinem Auftrag gerecht wird, dem diakonischen Auftrag, dem Dienst an den Patientinnen und Patienten, auch an den Mitarbeitenden, und das alles so, dass auch die Zahlen stimmen, ohne die es nun einmal nicht geht.

Dafür bringen Sie viele Erfahrungen und Kompetenzen mit. Sie stammen aus Dortmund, haben nach dem Abitur, der Bundeswehrzeit und einer Lehre dann in Hamburg Wirtschaftswissenschaften studiert, also den Weg zum Oikonomos beschritten. Das haben Sie dann etliche Jahre bei Siemens praktiziert, ab 2002 dann im Krankenhaus in Eilbeck, wo Sie in sechs Jahren drei unterschiedliche Träger erlebt haben – ich nehme an, das schult fürs Leben. Eine Reihe von Jahren waren Sie dann noch einmal in einem ganz anderen Bereich tätig, bei Hubladebühnen für LKWs, und 2015 sind Sie dann zu uns nach Rotenburg ans Agaplesion Diakonieklinikum gekommen, erst als Kaufmännischer Direktor und Prokurist, dann als Geschäftsführer.

Nun sind Sie also zuständig für professionelle Nächstenliebe. Und die liegt Ihnen ganz bewusst am Herzen. Sie kommen aus einer sehr engagierten katholischen Familie und sind bewusster katholischer Christ, so dass wir heute auch ein wunderbares Beispiel für gelingende Ökumene begehen, weil wir als evangelische und katholische Christen gemeinsam im Dienst an den Menschen stehen. Und dabei lernt man dann als Protestant auch etwas. Ich weiß jetzt nämlich, was eine ganze wichtige Qualifikation ist, um Kaufmännischer Geschäftsführer an einem Diakoniekrankenhaus zu werden: Herr Brünger ist „OMI“ gewesen – er war „Oberministrant“ in der katholischen Kirchengemeinde.

Nun sind Sie Oberökonom hier bei uns am Diakoniekrankenhaus. Sie übernehmen damit bewusst eine große Verantwortung. Und wir sind sicher, dass Sie dafür der Richtige sind.

Unser Bibelwort verweist uns nun darauf, dass Sie hier nicht nur Verwalter der Aufgaben und Ziele, der Menschen und besonders auch der Finanzen sind, sondern auch Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, Haushalter der mancherlei Gnade Gottes, so heißt es bei Luther. Dazu sind wir alle berufen. Gottes Gnade ist also reich, sie ist vielfältig, sie ist bunt. Gott ist kein Langweiler. Er steht nicht für graues Einerlei, sondern für reiche Vielfalt. Daran haben wir Anteil, und das drückt sich aus auch in einer Vielzahl von Gaben und Begabungen, die Gott gibt.

Die Kirche ist ein Ort vieler bunter und reicher Begabungen – es ist höchstens die Frage, ob wir schon immer gut genug darin sind,  sie alle zu entdecken und zu fördern und zur Entfaltung zu bringen – das müsste man von guten Verwaltern ja erwarten.

Die Diakonie als eine wichtige Lebensform von Kirche ist ebenso ein Ort vieler bunter Begabungen. Und ein Krankenhaus allemal. Ich gestehe es, dass ich als Laie immer wieder fasziniert bin von dem hochkomplexen System, indem so viele Räder ineinander greifen, indem so viele Menschen eine Rolle spielen, damit Patienten optimal versorgt werden.

Bei der letzten Sitzung des Kuratoriums des Diakonissenmutterhauses saß ich drüben im Mutterhaus so, dass ich die Auffahrt der Notaufnahme sah. Und da kam, glaube ich, alle 15 Minuten ein Rettungswagen angefahren, die ganzen vier Stunden lang, einer nach dem anderen – das war wohl zur Zeit der Grippewelle. Ich habe zwischendurch gedacht: Da müssen jetzt jedes Mal Ärztinnen und Ärzte bereitstehen, Schwestern, MTAs, Leute fürs Röntgen und die weitere Diagnostik, für die Logistik, das Essen, die Pflege, die Krankengymnastik, die Medikamente, die Verwaltung, die Organisation, die Seelsorge, die Reinigung usw. usw. Eigentlich ist so ein Krankenhaus, wenn es gut geht, ein Musterbeispiel für gute Haushalterschaft der bunten Gaben der Gnade Gottes. Und eben ein Ort erfahrener Gnade und erfahrener Barmherzigkeit. Genau aus diesem Grund haben die Diakonissen das ja einmal begonnen.

Nun muss ich einen Selbsteinwand machen. Zu guter Haushalterschaft, guter Ökonomie gehört auch ein nüchterner Blick auf die Realitäten. Ökonomen brauchen Controlling, und gutes Controlling sieht nicht nur Zahlen, sondern – natürlich in anderer Weise - auch Zusammenhänge, auch Menschen und auch Stimmungen. Und die ist in unseren Krankenhäusern, das gilt ja generell, belastet. Ich kann nicht von Haushalterschaft der Gnade sprechen ohne zu sagen, dass es in unseren Krankenhäusern sehr gnadenlos zugehen kann. Der Druck auf die Mitarbeitenden ist hoch und bisweilen viel zu hoch. Verkürzte Aufenthaltszeiten im Krankenhaus haben die Ansprüche weiter erhöht, besonders an die Pflegenden. Ich habe gerade einen Bericht einer Schwester in einer Notaufnahme im Rheinland gelesen  – unser Landessozialpfarrer hat ihn per Twitter versendet – der mir sehr unter die Haut gegangen ist: Über den großen Druck, über weitere Personaleinsparungen, manchmal auch über anstrengende interne Maßnahmen und Arbeitskreise, um gegen zu steuern. Pflegenotstand ist kein abstraktes Problem, sondern gelebte und erlittene Realität. Das kann uns nicht egal sein, da sind viele gefordert, besonders auch in der Politik, den Beruf und die Arbeitsbedingungen so attraktiv zu machen, dass mehr Menschen ihn - und die anderen medizinischen Berufe - ausüben wollen und können. Das gehört zu guter Haushalterschaft. Und zu ihr gehört auch die Ehrlichkeit, dass es dafür keine schnelle und einfache Lösung gibt. Und so gehört zu den Aufgaben der Leitung der Verwaltung, die sie übernehmen, lieber Herr Brünger, auch, Spannungen auszuhalten und nach bestem Wissen immer wieder in Ausgleich zu bringen, Spannungen etwa zwischen diakonischem Auftrag, medizinischer Qualität, menschlichen Erfordernissen und ökonomischem Druck. Wer Spannungen zum Ausgleich bringen muss, kann es nie allen Recht machen, ich denke, da braucht Herr Brünger unser aller Unterstützung und soweit möglich unseren Blick für das Ganze.

In dem Bibelwort ist ja auch eins ganz deutlich: Da ist nicht nur der Chefökonom angesprochen, sondern wir alle sind als gute Haushalter und Verwalter der von Gott  gegebenen bunten Gaben angesprochen. Dient einander. Da ist jede und jeder gefragt in der eigenen Verantwortung. Und da ist Leitung gefragt, den Mitarbeitenden und den anderen Ebenen zuzutrauen, dass auch sie gute Haushalter sind, dass sie Verantwortung übernehmen wollen und können, dass sie selber an den Lösungen mitarbeiten wollen und sollen. Gute Haushalterschaft  der Leitung heißt auch, die anderen zu motivieren, eigene Ideen einzubringen. Das alte Bibelwort enthält eine ganze Menge Managementaktualität.

Es verspricht aus den mancherlei Spannungen und Zwängen keine einfache Lösung, das sage ich ganz ausdrücklich, wenn ich nun noch einmal auf unser Bibelwort komme. Es bietet keine einfache Lösung, aber es eröffnet noch einmal eine andere Perspektive. Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes. Das ist noch einmal etwas anderes als gutes Personalmanagement – so sehr man sagen kann, dass das Neue Testament mit seinem Bild von dem einem Leib und den vielen Gaben schon vor 2000 Jahren ein beachtliches Programm zur Personalentwicklung aufgelegt hat, nämlich darauf zu schauen, dass es niemanden gibt, der nicht seine Gaben in den bunten Reichtum einzubringen hat.

Aber Gnade Gottes, das ist dann doch noch einmal sehr viel mehr. Es ist die große Zusage, dass unser Leben Geschenk ist, dass uns auch Bejahung geschenkt, ein bedingungsloses Ja der Liebe Gottes. Jeder und jede von uns ist mehr als die Summe der eigenen Leistungen und Gott sei Dank auch als der eigenen Fehlleistungen. Wir feiern diese Einführung heute in der Osterwoche, im Licht der Auferweckung Jesu, die dafür steht, dass Gottes „Ja“ zum Leben größer ist als der Tod und als alle tödlichen Mächte und als alle unsere Möglichkeiten. Es gilt ja auch und gerade dann, wenn alle medizinischen Möglichkeiten an eine Grenze kommen. Auf diese Möglichkeiten Gottes schauen wir, auf sie vertrauen wir – das gehört zum Herz der Kirche und damit auch zu einem Diakoniekrankenhaus, im dem sich Kirche ereignet. Wir sind Haushalter, wir sind Verwalter, aber wir müssen die Gaben und die Gnade nicht hervorbringen, sie sind uns anvertraut, nicht mehr und nicht weniger. Gott selbst eröffnet einen Raum der Gnade und Barmherzigkeit, an dem wir Anteil geben.

Herr Brünger hat mir erzählt: Als neulich die Grippewelle ganz hoch war, musste die Kapelle im Erdgeschoss zweckentfremdet werden und zur Erweiterung der Notaufnahme dienen. Ich war kurzfristig erschrocken und habe mich gefragt, ob ich mich jetzt aufregen muss. Aber dann wurde mir schnell bewusst: Eigentlich ist das ein tolles Symbol für das, was Diakonie ist: Christen feiern Gottesdienst zusammen, leben ihren Glauben, und öffnen ihren Raum für Menschen, die Hilfe brauchen, in ganz selbstverständlicher Nächstenliebe. Das gilt eigentlich, wenn es gut geht, für das ganze Krankenhaus, und im Notfall eben auch mal für die Kapelle.

Dient einander – jeder mit der Gabe, die er erhalten hat, sagt der 1. Petrusbrief, und wenn es die Gabe des Kapellenraumes ist. Dient einander – da steht diakonein. Wo Diakonie das tut, mit ihren Gaben den Menschen zu dienen, da ist sie bei ihrer Sache.

Das Wort für „Gabe“ ist Charisma. Darin steckt das Wort Charme. Wo Christenmenschen ihre Gaben einbringen und teilen, da geht es charmant zu, wenn es gut geht, da entsteht eine positive Ausstrahlung, eine Freundlichkeit, die ansteckt und auf andere ausstrahlt. Und das ist es ja, was Menschen immer wieder über unser Krankenhaus sagen, dass eine besondere Atmosphäre herrscht, eine besondere Zuwendung zu den Menschen. Und das ist auch Ihnen wichtig, lieber Herr Brünger.

Vielleicht ist das eine besondere Gabe, kann es ein besonderes Charisma von uns Christen sein, den Menschen als Ganzen zu sehen. Vermutlich nahezu jeder Mensch, der hier ankommt, hat neben seiner Krankheit oder Verletzung auch eine verwundete Seele. Die Seele leidet immer mit. Es gibt dafür Fachärzte und wir haben die Seelsorge, und das ist gut und nötig, aber ich glaube, es ist ein Charisma eines christlichen Krankenhauses und kann zu seinem Charme beitragen, dass alle die Seele des Menschen mit im Blick haben und pflegen.

So führen wir Sie heute ein, lieber Herr Brünger, als guten Ökonom. Als Manager, als Haushalter und Verwalter für eine Fülle von Aufgaben. Aber vor allem auch als    Verwalter der reichen Gnade Gottes, die uns geschenkt ist. In dieser Gnade segne Sie Gott in ihrem Dienst.

Amen.