Predigt zum Praxistag Gottesdienst

St. Liborius-Kirche, Bremervörde, 9. März 2013

Landessuperintendent Dr. Hans Christian Brandy

Predigt über Joh 6,47-51

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Predigt I: Wort zum Abendmahl

 

Liebe Gemeinde,

er war ein Feinschmecker. Was zu Hause auf den Tisch kam, stammte aus dem Delikatessengeschäft. Feiner Schinken, luftgetrocknete Salami, edler Käse. Wenn er essen ging, dann durfte es schon mal das Restaurant mit drei Sternen sein, mit vielen Gängen, die je eigen den Gaumen kitzeln. Nun wurde unser Mann magenkrank. Er kam ins Krankenhaus. Die Krankenschwester brachte ihm Haferschleim. Er aß ihn mit einiger Mühe und leidvoller Miene und seufzte dann: „Schade um den schönen Hunger“.

Schade um den schönen Hunger. Wenn man krank ist, geht es ja nicht anders. Aber ich kenne das ganz gut, dass man auch ohne Not etwas hineinstopft in sich, das keinen wirklichen Genuss bringt, sondern nur ein schales Gefühl hinterlässt. Und man hat auch bald wieder Hunger.

Schade um den schönen Hunger. Was tun Menschen alles, um ihren Hunger nach Leben zu stillen. Und wie oft bleibt der Hunger doch. Und dann braucht man immer mehr. Im besseren Fall wird man dann ein wenig dick oder verplempert seine Zeit. Im schlimmeren Fall entstehen Abhängigkeiten:   Zu viel essen, zu viel Fernsehen oder PC, zu viel Arbeit, zu viel Alkohol. Manchmal sind es nur ungute Gewohnheiten, manchmal wird es zur wirklichen Erkrankung, zur Sucht. Steht dahinter nicht oft der ungestillte Hunger nach Leben, die Sehnsucht nach einem Leben, das sich lohnt, nach erfülltem Leben?

Wolf Biermann, der Dichter aus der DDR, hat es in einem Gedicht so gesagt:

"Das kann doch nicht alles gewesen sein,
das bisschen Sonntag und Kinderschrein.
Das muss doch noch irgendwo hingehn! …

Das kann doch nicht alles gewesen sein,
da muss doch noch irgendwas kommen!
Nein, da muss doch noch Leben ins Leben!“

Da muss doch noch Leben ins Leben. Sehnsucht nach einem erfüllten Leben. Leben, das diesen Namen verdient.

Ich bin das Brot des Lebens, sagt Jesus. Ich will euren Hunger nach Leben stillen. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer an mir Anteil hat, findet ein Leben, das nach Ewigkeit schmeckt. Wahrlich, ich sage euch, sagt Jesus: Wer glaubt, der hat das ewige Leben. Wer mir vertraut, der findet einen Sinn für sein Dasein. Einen Halt, der trägt auch in schweren Zeiten, der trägt selbst in Krankheit und im Tod: Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit.

Brot des Lebens. Da kann ich weiter gehen, auch wenn meine Kräfte manchmal schwach sind. Da kann ich wieder neu anfangen, auch wenn manches nicht gelungen ist. Da kann ich fröhlich bleiben, auch wenn mich manches herunterzieht.

Brot des Lebens. Lebens-Mittel, die man nicht kaufen kann.

Derzeit füllen unsere Lebensmittel ja die Nachrichten. Pferdefleisch in Würsten, Bio-Eier, die keine sind, Gift im Futter. Selbst die Köttbullar bei Ikea sind nicht mehr verlässlich (was hält das Abendland dann überhaupt noch zusammen?). Die Sensibilität ist riesengroß, bei dem was wir essen. Unser tägliches Brot verlangt höchste Aufmerksamkeit. Da wird zu recht aufgeschrien, wenn Betrug oder Verdorbenes im Spiel ist.

Aber wer schreit eigentlich auf, wenn seelisches Gammelfleisch verkauft wird? Und da könnte man jetzt etwa auf das schauen, was tagtäglich Menschen in vielen Fernsehprogrammen angedreht wird. Wer wehrt sich, wenn der Hunger nach Leben mit gepanschtem Schund abgespeist wird? Wer fragt nach den Lebensmitteln, die die Seele braucht?

Ich glaube, das ist auch unsere Aufgabe als Kirche. Wir sind Lebensmittelspezialisten für die Seele. Wir haben einen Blick für den ganzen Menschen, für seine Nöte und Sehnsüchte. Und wir gehören zu dem der sagt, ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Deshalb haben wir etwas gegen totes und verdorbenes Brot. Gegen Zeugs, dass den Hunger nach Leben eher betäubt als dass es wirklich satt macht.

Wie bekommen Menschen Anteil am Brot des Lebens? In unserer Gemeinde, in unserem Gottesdienst? Ein hoher Anspruch. Mich bewegt die Frage: Sind unsere Gottesdienste Orte, an denen Menschen satt werden? An denen sie bekommen, was ihre Seele zum Leben braucht? Die Kinder und die Alten, die Konfis und die Posaunenbläser, die Jugendmitarbeiterinnen und die Erwachsenen. Erleben sie, dass ihre Seele satt wird? Erleben sie gute Gemeinschaft, erleben sie Trost, erleben sie Ermutigung? Bekommen sie Anteil an Christus, der das Brot des Lebens ist?

Ein hoher Anspruch, manchmal ein entmutigender Anspruch, wenn man auf unsere real existierenden Gottesdienste schaut.

Aber wir feiern doch Gottesdienst nicht in unserem Namen. Wir feiern Gottesdienst im Namen Jesu Christi, der verheißen hat, unter uns zu sein.

Ich bin das Brot des Lebens, sagt Jesus. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist.

Brot ist ja etwas wunderbar Konkretes und Sinnliches. Wenn morgens der Frühstückstisch gedeckt ist. Wenn die Küche nach Toast riecht und ich dann Butter und Honig darauf streiche. Wenn Brötchen und Croissants duften, frisch gebackenes Brot angeschnitten wird. Brot kann man riechen, anfassen, anschauen – allein die Farben:  Schwarzbrot, goldgelber Toast, Graubrot, weißer Hefezopf usw., und vor allem: man kann es schmecken.

So ist der Glaube gemeint. Er gilt dem ganzen Menschen, Leib, Seele und Leib. Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist.

Deshalb lasst uns jetzt Abendmahl  feiern. Schmecken, sehen, fühlen, wie wir verbunden sind als Gemeinde von Schwestern und Brüdern. Und wie Christus selbst zu uns kommt, er, das lebendige Brot. Er will nicht nur geben, er will sein, was wir zum Leben brauchen. Er gibt sich selbst.  Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist. Ich bin das Brot des Lebens.

 

Feier des Abendmahls

Predigt II: Wort auf den Weg

Wir haben Brot und Kelch miteinander geteilt.
Das Brot des Lebens, den Kelch des Heils.

Wer sich auf einen langen Weg macht, wird vorher essen, damit er etwas im Bauch hat. Mit einem leeren Bauch kommt man nicht weit.

Das Abendmahl ist Wegzehrung. Geistlicher Wegproviant. Nicht, weil das Stück Brot lange vorhalten würde. Sondern weil der, der das Brot des Lebens ist mit uns geht auf unseren Wegen.

Wenn wir nachher unserer Wege gehen: Lasst sie uns in Zuversicht gehen. Der, der das lebendige Brot des Lebens ist, geht mit uns und will uns stärken.

Diese Erfahrung hat das Volk Gottes schon immer gemacht. Schon damals in der Wüste. Jesus erinnert seine Jünger an die Geschichte vom Manna in der Wüste.

Ein verflixt langer Weg war das damals, als das Volk Israel durch die Wüste ins gelobte Land zog, schwer und lang. Das Volk hungerte. Viele murrten und erinnerten an die berühmten Fleischtöpfe  Ägyptens. „In Ägypten haben wir es viel besser gehabt“, hieß es. „Auf jeden Fall sind wir satt geworden.“

Und plötzlich, am Morgen: Man hu? Was ist das? Brot, das vom Himmel fällt? Ja, Manna  in der Wüste. Es ist das Brot, das Gott zu essen gegeben hat.

Gott sorgt für sein Volk. Er begleitet und schützt es, gerade auch durch Wüstenzeiten. Auch durch gottesdienstliche Wüstenzeiten, wenn der Kindergottesdienst mal einschläft oder am Sonntag nur eine kleine Schar da ist. Es bringt nichts, sich an früher zu erinnern, an die Fleischtöpfe als die Leute tatsächlich oder oft auch nur angeblich mehr zur Kirche kamen.

Gott sorgt für sein Volk und gibt Manna, und zwar „soviel du brauchst“. Das wird ja auch das Motto des Kirchentages sein. Das ist das göttliche Prinzip vom täglichen Brot. Es ist soviel da, wie du brauchst. Aber auch: Gebrauche nur soviel wie nötig. Wenn du mehr nimmst, verdirbt es. Gott gibt reichlich und er gibt täglich neu, „soviel du brauchst.“

Ob das auch für den Gottesdienst gilt? Gott gibt heute, was wir brauchen. Auch im Gottesdienst. Für den Gottesdienst könnte das auch eine große Entlastung bedeuten: Wir dürfen da sein, dürfen Gott feiern, in jedem Gottesdienst. Egal wie viele da sind. Egal ob das alles dramaturgisch auf dem höchsten Stand ist, so dass Fritz Baltruweit nur mit der Zunge schnalzen kann, oder ob da noch manche Luft nach oben ist.  

Ich bin das lebendige Brot – das gilt unabhängig von Inszenierung und Dramaturgie, unabhängig von mitreißender Predigt und super erzählter Geschichte im Kindergottesdienst. Der, der das Brot des Lebens, der ist da. Er gibt sich selbst, soviel du brauchst. Wir wollen keinen Perfektionismus in unseren Gottesdiensten.

Aber, wir möchten, dass Menschen etwas spüren von diesem Brot des Lebens. Gott selbst möchte das. Er selbst lädt ein. Er möchte Bort für alle sein, Brot für die Welt. Darum wünsche ich mir einladende und menschenfreundliche Gottesdienste für viele.

Deshalb machen wir uns auf den Weg. Auch auf den Weg zu neuen Gottesdiensten. Gott führt sein Volk in ein neues Land. Auch in neue Gottesdienst-Länder. Lasst es uns ausprobieren, lasst uns den Weg gehen in neue Gottesdienstländer. Zu Experimenten mit dem Gottesdienst, mit dem 1. Programm oder dem 2. Programm, mit einer neuen Kindergottesdienst-Idee, vielleicht  auch nur mit einem einzigen neuen Element, dass Sie von heute mitgenommen haben, einer Idee. Gott ist mit uns auf unseren Wegen. Auch wo wir nach Formen für den Gottesdienst suchen. Manchmal ist es eine heiße Spur, manchmal führt ein Weg nicht weiter, eine Idee wird nicht angenommen.

Gott lässt sein Volk nicht allein auf dem Weg. Er geht mit uns, gibt Wegzehrung, schenkt sich selbst. Manchmal wissen wir gar nicht, wer er ist und wo er ist. Und doch ist er da uns lässt uns nicht hungern. Im Vertrauen auf ihn laßt uns unsere Wege gehen. Er, der das lebendige Brot ist, wird mit uns gehen.

Amen.