500 Jahre Gebetsbuch Kloster Mariensee

Nachricht 01. Oktober 2022

Pater Anselm Grün zu Gast bei Gebetsbuch-Jubiläumsfeier im Kloster Mariensee

„Wie heute von Gott reden?“ war Thema des Podiumsgespräches zwischen (von links) Pater Anselm Grün, Äbtissin Bärbel Görcke, Militärpfarrerin Dr. Alexandra Dierks und der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland Anna-Nicole Heinrich. Foto: Gunnar Schulz-Achelis

Neustadt a. Rbge. Das Thema „Gebet“ hat den Festnachmittag im Frauenkloster Mariensee am 1. Oktober geprägt. Der bekannte Autor, Benediktiner-Pater Anselm Grün aus der Abtei Münsterschwarzach gab in seinem Vortrag in der Klosterkirche vor über hundert Zuhörerinnen und Zuhörern Einblicke in die klösterliche Tradition des Betens. Und dann diskutierten untereinander und mit ihm drei Frauen unter dem Titel „Wie heute von Gott reden?“ Anlass des Festes ist das 500-Jahre-Jubiläum des Gebetsbuches der Marienseer Äbtissin Odilie von Ahlden.

Bestseller-Autor Grün meinte, Beten heiße Begegnung mit Gott, nicht unbedingt sprechen mit Gott. „Ich halte Gott meine Wahrheit hin und schließe nichts aus“. Selbst im vorformulierten Worten wie in den Psalmen werden eigene Gefühle angesprochen und von Gott verwandelt. Auch wenn es sich nicht beweise ließe, würden Gebete für andere Menschen Schwingungen erzeugen und Hoffnung aufrechterhalten. „Wir bekommen einen anderen Blick auf die Welt“. Gebete führten an den Ort in unserer Seele, wo man frei ist von Urteilen anderer und man einfach selbst sein kann.

In dem Podiumsgespräch vor 60 Zuhörerinnen und Zuhörern berichtete die Wunstorfer Militärpfarrerin Dr. Alexandra Dierks, dass sie zu Tagesbeginn in der Standortkapelle immer für ihre Soldaten betet. Beten bedeutet gleichzeitig loszulassen und sich zu konzentrieren. Grün berichtete, er segne morgens mit einer Gebärde die Menschen, mit denen er an dem Tag zu tun bekommen werde – und das verändere etwas, weil er dann mit Gesegneten zu tun hat.

Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland Anna-Nicole Heinrich sagte, sie persönlich habe keine regelmäßige Gebetspraxis. Über Beten zu reden sei genauso verpönt, wie über Einkommen oder Sexualität. Dabei könne man beim Beten nichts falsch machen. Äbtissin Bärbel Görcke berichtete, dass sie bei Führungen von Grundschulkindern merke, dass „wir mit unserer Glaubenspraxis nicht sichtbar sind“. Heinrich ermunterte daher dafür, mehr in der Öffentlichkeit davon zu zeigen. Der Post mit ihrem Gebet am Tag des Ukrainekrieg-Beginns sei ihr meist geteilter Text. „Leute können sich da dranhängen“, so Heinrich. Dierks meinte, Fürbitten für andere Menschen sollten herzenswarm sein und persönliche Leidenschaft zeigen. Görcke sagte mit Blick auf die politisch Verantwortlichen: „Ich sehe meine Aufgabe darin, sie im Gebet zu unterstützen“. Heinrich irritiert, dass Friedensgebete schon wenige Wochen nach Kriegsausbruch kaum noch stattfinden. Dierks meinte abschließend: „Nicht Not, sondern Liebe lehrt beten“.

Information:
Äbtissin Odilie von Ahlden hat das Gebetbuch 1522 zusammengestellt und selbst handschriftlich in Latein mit breiter Feder auf dickem Pergament geschrieben für ein Netzwerk von Frauen und ihre Konventualinnen. Die hochgebildete Chefin des damaligen Zisterzienserinnenklosters Mariensee bei Neustadt amtierte 14 Jahre und hatte Gebete für bestimmte Gelegenheiten und Anlässe im Kirchenjahr, wie Kirchen-, Marien- und Heiligenfeste zusammengestellt. „Bis heute hat für uns das Gebetbuch große Bedeutung“ sagt die heutige Äbtissin Bärbel Görcke mit Blick auf ihren Konvent, der aus sechs Konventualinnen besteht. Sie feiern Vespern in Anlehnung an dieses Gebetsbuch bis heute.

 

Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Neustadt-Wunstorf / Gunnar Schulz-Achelis