Friedensandacht in der Stader St. Wilhadi-Kirche

Regionalbischof Dr. Hans Christian Brandy
Andacht am Freitag, 25. Februar

Könnte ich doch hören, was Gott der Herr redet, dass er Frieden zusagte seinem Volk (Ps 85,9)

So betet der 85. Psalm:
Könnte ich doch hören das Wort des Friedens.

Aber da sind wir nicht.
Wir hören nicht Worte des Friedens, sondern Worte vom Krieg.
Wir hören schrecklichste Drohungen aus Moskau,
wir hören falsche Propaganda und unverhohlene Lügen:  
Die Lügen lauten: Es gebe keine Ukraine. Die Lüge lautet: Dort würde nicht eine demokratisch gewählte Regierung die Geschicke leiten, sondern eine Naziregierung. Die Lüge lautet: Es gebe Völkermord durch die Ukraine.

Lange befürchtet, hören wir Worte vom Krieg.
Und wir sehen Bilder vom Krieg.
Kaum zu ertragen sind sie, die Worte und die Bilder.
Rollende Panzer, kreisende Hubschrauber, brennende Häuser.
Die Kinder, die angstvoll im Schacht der U-Bahn sitzen, um vor Luftangriffen geschützt zu sein.
Der Mann, der weinend erzählt, dass er die Kinder in Sicherheit bringt, um dann selbst zurückzukommen um zu kämpfen.
Die Frau in Deutschland, die mit Tränen von ihrer Familie in Kiew erzählt.
Unendlich viel Leid bringt Krieg mit sich. Jeder Krieg.

Kaum zu ertragen sind sie, die Gedanken.
Ein so eklatanter Bruch des Völkerrechts.
Ein hemmungsloser Ausbruch des Bösen.
Und die eigene Hilflosigkeit, bei der wir doch nicht stehen bleiben dürfen.
„Wie kann mit Putin und einer Bande von politischen Lakaien umgegangen werden, die von Bosheit, Enttäuschung und Größenwahn getrieben, den Weltfrieden bedrohen?“ so hat unser Landesbischof gestern gefragt.
Und: Wie weit wird Putin gehen?
Was, wenn er auch vor Nato-Mitgliedern nicht Halt macht?
Was kann man ihm entgegensetzen?
Soll man der Ukraine wünschen, dass sie sich militärisch lange behauptet? Das ist ihr gutes Recht, der Gedanke ist unerträglich, einfach der Gewalt zu weichen. Aber in einem langen Krieg sterben noch mehr Menschen.

Was können Sanktionen bringen? Sie sind sicher nötig. Aber was bringen sie? Was und wem schaden sie auch?

Kaum zu ertragen diese Wucht des Bösen.
Kaum zu ertragen die Gedanken und Fragen.
Was wird der Krieg für uns bedeuten in Deutschland?
Für unsere Sicherheit in Europa, unsere Wirtschaft?
Wie werden wir umgehen mit den ungezählten Flüchtlingen, die wir auf ihrem Weg nach Westen sehen? 

Fragen über Fragen.
Antworten haben wir bisher kaum.
Aber wir sind versammelt, um alle unsere Gedanken und unsere Angst vor Gott zu bringen.
Wir wissen – auch ein Friedensgebet wird heute Abend nicht zum Frieden führen.
Aber so bleiben wir nicht sprachlos.
So bleiben wir nicht allein.
So bleiben wir nicht hoffnungslos.

Wir beten für die Menschen in der Ukraine.
Im Gebet sind wir mit ihnen vereint, und sage niemand, dass das eine schwache Gemeinschaft ist.

Wir beten für den Frieden in unserer Welt.
Für alle die Verantwortung tragen.
Für die, die auch jetzt noch um politische und diplomatische Lösungen ringen
Für die, die auch militärisch in Verantwortung stehen. Ich denke – um nur einen Namen zu nennen – daran, dass einer aus unserer Wilhadi-Gemeinde, Jürgen-Joachim von Sandrat, als Kommandierender General einer großen Militäreinheit der Nato in Polen in der Verantwortung steht. Und es gibt viele andere persönliche Betroffenheiten und Verbindungen.

Wir sind nicht hilflos, wenn wir beten und nicht allein und nicht sprachlos. Wir wenden uns an den, der Himmel und Erde in seinen Händen hält. Wir stehen vor dem, der in Jesus Christus an unsere Seite gekommen ist. Jesus Christus hat selbst Tod und Gewalt und Leid durchlitten. Gerade so hat Christus uns zugesagt, dass Gott in den dunklen Tagen da ist, dass Gott da ist in aller Not, aller Hilflosigkeit und Angst. Auf ihn, auf Christus lasst uns schauen gerade in diesen Tagen. Er ist unser Friede, so sagt es der Epheserbrief (2,14)

Könnte ich doch hören, was Gott der Herr redet, dass er Frieden zusagte seinem Volk. So betet der 85. Psalm.
Heute hören wir Worte vom Krieg.
Aber als Christenmenschen hören wir auf Gott und hören das Wort vom Frieden, vom Frieden, der höher ist als alle Vernunft.

Und der 85.Psalm fährt fort: Doch ist ja seine (Gottes) Hilfe nahe denen, die ihn fürchten, dass in unserm Lande Ehre wohne; dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen.

Dass Gerechtigkeit und Friede sich küssen. Davon sehen wir heute wenig bis nichts. Aber wir hoffen auf diese Wirklichkeit Gottes, und das gibt einen anderen Horizont. Das lässt nicht mutlos werden. Das gibt die Kraft, anders zu handeln.

Krieg soll nach Gottes willen nicht sein, so hat es der Weltkirchenrat 1948 formuliert. Daran will ich mich erinnern lassen.
So verzweifelt die Lage im Moment erscheint – lasst uns
eintreten für den Frieden, wo immer wir können.
Wo für Frieden gebetet wird, wird auch für Frieden gehandelt, getan, was getan werden kann.

Lasst uns Menschen des Friedens sein. In dem, was wir tun können, für Menschen aus der Ukraine.
Wir wissen noch nicht, was kommt. Aber unsere Menschlichkeit besonders für Menschen auf der Flucht wird gefragt sein, das ist sicher.

Lasst uns auch Zeichen der Solidarität geben. Ich finde sehr gut, dass der Landkreis und die Stadt am Sonntag um 12.00 Uhr zu einer Solidaritäts- und Mahnwache aufrufen werden.

Lasst uns Menschen des Friedens sein. Auch in unserem Alltag, im Miteinander, in dem, wie wir über andere sprechen.
Frieden heißt, sich immer wieder in die Schuhe des anderen zu stellen. Die Ängste des anderen zu verstehen.

Ich schließe: Dietrich Bonhoeffer hat 1944 geschrieben: Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen.

Beten und Tun des Gerechten. Besseres weiß ich heute auch nicht.

Amen