„Musik ist die vornehmste Art, in Beziehung zu treten“

Nachricht 23. September 2023

Gemeinsamer Generalkonvent kirchlicher Berufsgruppen

Mit einem Hallelluja unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Harald Röhrig begann der Generalkonvent in der Loccumer Klosterkirche. Foto: Meret Köhne

Loccum. Rhythmisches Fingerschnipsen, Stille, treibende Drums, Psalmworte geflüstert, gesungen, geschrien und getanzt – selten habe er so einen „gechillten“ Konvent erlebt, sagte Landesbischof Ralf Meister in der Loccumer Klosterkirche. Erstmals hatte Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr die drei Berufsgruppen PastorInnen, KirchenmusikerInnen und DiakonInnen zu einem gemeinsamen Generalkonvent eingeladen, der jetzt in der Klosterkirche Loccum stattfand.

Mit der Gestaltung beauftragt boten KirchenmusikerInnen des Sprengels den rund 250 Teilnehmenden Workshops an, in denen der Psalm 23 musikalisch interpretiert wurde: beispielsweise als Gospel, als Gregorianik, als Sprechimprovisation, als Pop and groove, vierstimmiger Chorsatz oder als circle singing. Schwebend gregorianisch tönte so im Kreuzgang „Ich bin der gute Hirte“, ein paar Schritte weiter war der schwingende Gospelsound des „suffering would come“ zu hören und in der Kirche hallte das Staccato  „Unter Feinden - frisches Wasser – die Seele erquickt“. Die musikalische Collage des Psalms ließen dann alle Workshop-Teilnehmenden in der Klosterkirche hören. Die Gruppen hatten sich in den Kirchenbänken platziert, von dem hinteren Teil der Kirche aus beginnend brachte jede ihre musikalische Form ein. Wie in einer Welle floss so der bekannte und von vielen Menschen geliebte Psalm durch die Kirche. Beim circle singing am Schluss erhoben sich alle Teilnehmenden, nahmen das gesungene „Gutes und Barmherzigkeit“ auf, bildeten Prozessionen, fielen in Tanzschritte, begegneten sich im Mittelgang oder wandelten allein durch die Seitenschiffe, sichtlich erfasst von dem Tönen, Singen und musikalischen Vibrieren, das Kirche und Teilnehmende zu einem Klangkörper verschmelzen ließ.

Transzendente Kraft der Musik

Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr hatte zuvor in einem inhaltlichen Impuls von ihrer persönlichen Prägung durch Kirchenmusik berichtet. Da waren die Schlaflieder in der Kindheit, die einen Grundstein ihres Glaubens legten, eine Matthäuspassion, die sie das „Einswerden der Musizierenden“ erfahren ließ und „andere Wirklichkeiten“ öffnete. Ein eindrückliches Lied der Sarah, gesungen von einer chaldäischen Christin, ein kirchliches Techno-Event für taube Menschen, ein Chor Wohnungsloser, ein letztes Singen mit dem im Sterben liegenden Vater, prägende Erfahrungen einer der Musik innewohnenden transzendenten Kraft jenseits aller Worte. Doch Musik und sogar Kirchenlieder ließen sich auch missbrauchen, warnte die Regionalbischöfin, beispielsweise in militärischen Zusammenhängen. Die mittelalterliche Musiktheorie von der „Musik als vornehmster unsichtbarer Ordnung“ erweiterte Bahr dann zu ihrem Schlusssatz „Musik ist die vornehmste Art, in Beziehung zu treten, deswegen kann Gott nicht ohne Musik und wir auch nicht“.

Berührung Gottes spüren

In seiner kurzen Ansprache ermutigte Landesbischof Ralf Meister die Teilnehmenden, als Impuls aus dem Psalm 23 die Bedeutung der Salbung und Segnung aufzunehmen und stärker in die gemeindliche Praxis zu integrieren. „In der salbenden Berührung, beispielwiese mit einem Öl auf der Stirn, kann spürbar werden, dass Gott uns berührt“, sagte der Landesbischof.   

Für Kirchenmusikdirektor Harald Röhrig war es eine „naheliegende Idee, einmal alle Berufsgruppen im kirchlichen Dienst zu einem gemeinsamen Konvent einzuladen“. „Die Verkündigung durch das Wort hat in der protestantischen Tradition einen hohen Stellenwert“, sagt Röhrig. „In der Kirchenmusik ist die Wortverkündigung einerseits in der Vokalmusik zu finden, zum anderen predigen wir als KirchenmusikerInnen auch durch die gesamte Musik, die in unseren Kirchen erklingt.“ Das Vorbereitungsteam des Konvents habe sich für den Psalm 23 entschieden, weil er „in knapper Form eine mutmachende Botschaft in sich trägt, ohne die Schattenseiten menschlicher Existenz auszuklammern“, erläutert Röhrig. Für viele Menschen drücke sich ihr Glaube in der Musik aus, erfährt er immer wieder. KirchenmusikerInnen seien durch ihre Ausbildung sowohl musikalisch als auch theologisch qualifiziert. „Im gemeindlichen Alltag versehen alle dort tätigen Berufsgruppen einen gemeinsamen inhaltlich-verkündenden Dienst und das spiegelt sich auch in einem gemeinsamen Generalkonvent wider“, betont der Kirchenmusikdirektor.

Den Psalm ins Herz gesungen

„Ein gemeinsamer Generalkonvent ist mit Blick auf die multiprofessionellen Teams in Gemeinden sehr wichtig“, sagt Diakon Florian Fröchtenicht von der Kirchenkreisjugend Nienburg. Vielen Menschen sei nicht ausreichend bewusst,  dass kirchliches Leben auch von anderen Berufsgruppen außer den PastorInnen gestaltet werde. „Der gemeinsame Konvent löst auch ein Anrecht aller Berufsgruppen auf Netzwerkarbeit und damit eine Gleichberechtigung mit den PastorInnen ein“, sagt er. Durch Stellenkürzungen verringere sich die Zahl der kirchlichen Mitarbeitenden. „Umso wichtiger ist es für uns DiakonInnen, uns auf der Sprengelebene auch mit Kolleginnen und Kollegen zu treffen“, betont Fröchtenicht. Auch wenn er sich bei Konvent mehr fachlichen Austausch gewünscht hätte, fühlt er sich durch das Treffen gestärkt. „Das gemeinsame Singen hat eine übergreifende Verbindung geschaffen“, sagt der Diakon. Im Alltag des kirchlichen Lebens gestalte jede Berufsgruppe mit ihren Kompetenzen den Verkündigungsdienst, dabei gebe es auch Überschneidungen. „Ich halte beispielsweise auch Andachten und predige“, sagt Fröchtenicht. Doch sehe er die spezielle Kompetenz der DiakonInnen darin, das Miteinander von Menschen aller Altersgruppen zu gestalten und „immer wieder neue Erlebnisse von Gemeinschaft zu ermöglichen“.

Pastorin Gundula Rudloff von der hannoverschen Kirchengemeinde Vahrenwald erlebte bei dem Konvent, „wie die Musik uns eins gemacht hat, das erreicht eine Wortverkündigung so nicht“. „Wir haben uns die Botschaft von Psalm 23 gegenseitig ins Herz gesungen“, fasst sie die Workshops und die gemeinsame Psalm-Präsentation in der Kirche zusammen. „Eine wunderbare Erfahrung der Einheit in Vielfalt und ein schönes Beispiel dafür, wie die christliche Botschaft uns berührt und erlebbar wird“. Gemäß protestantischer Tradition stünden oft die Wortverkündigung und damit die PastorInnen im Mittelpunkt, merkt sie auch kritisch an. Doch der Glaube brauche unterschiedliche Ausdrucksformen. „Warum nicht auch die Salbung“, sagt sie und will die Anregung des Landesbischofs in ihren Gemeindealltag mitnehmen. „Eine lebendige christliche Dienstgemeinschaft entsteht jedenfalls dann, wenn jede Berufsgruppe ihr eigenes Charisma einbringen kann“, ist sie überzeugt.  

Öffentlichkeitsarbeit im Sprengel Hannover / Sabine Dörfel