2011_12_20

Bild: Wiebke Dockhorn

Aktuelles Thema

"Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe" 1. Korinther 16,14
Andacht von Regionalbischof Dr. Hans Christian Brandy zur Jahreslosung 2024

Die Forscherin Margaret Mead wurde einmal gefragt: Was sind die ersten Anzeichen der menschlichen Zivilisation? Was macht uns Menschen aus? Ihre überraschende Antwort: „Ein geheilter Oberschenkelknochen“. Die Begründung: Wenn ein Tier sich in der Natur etwas breche, wären seine Überlebenschancen gleich null. Es würde verhungern, verdursten oder gefressen werden. Der Fund eines geheilten Oberschenkels sei ein Indiz: Jemand habe sich Zeit genommen, bei dem Verletzten zu bleiben, ihn zu versorgen und zu pflegen. Meads Thesen sind nicht ganz unumstritten. Aber ich finde diese Deutung großartig: Fürsorge, Barmherzigkeit und Liebe sind Zeichen für das, was menschliche Zivilisation ausmacht.

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ So schreibt Paulus im 1. Brief an die Gemeinde in Korinth. Paulus war vom Verfolger der christlichen Gemeinden zum Verkündiger der Frohen Botschaft von Jesus Christus geworden. Er gründet etliche Gemeinden im Mittelmeerraum. Aber er macht auch schnell die Erfahrung: In den Gemeinden gibt es Konflikte und Lieblosigkeit. So betont Paulus: Wer aus Gottes bedingungsloser Liebe lebt, die uns in Jesus Christus begegnet, dessen Leben wird auch praktisch von dieser Liebe bestimmt sein.

Das schreibt er auch der Gemeinde in Korinth. Dabei geht es ihm nicht um große Heldentaten, sondern um das Alltägliche. In seinem Brief spielt er das an praktischen Fragen durch, etwa an Streitigkeiten von Gruppierungen in der Gemeinde, an Gerichtsverfahren unter Christen, an verschiedenen religiös-kultischen Vorstellungen. Es darf nie einfach darum gehen, Recht zu behalten, sondern alles Tun von der Liebe bestimmt sein zu lassen. Vor allem: Wie wird Rücksicht auf die Ärmeren genommen? Damit hakte es in Korinth: Wenn sie zusammen Abendmahl feiern, sitzen da einige gesättigt, andere aber mit knurrendem Magen. Das geht gar nicht, schreibt Paulus, das verletzt die im Glauben an Christus vorgegebene Gemeinschaft. Und ums liebe Geld geht es auch: Paulus möchte eine ordentliche Sammlung für die christliche Gemeinde in Jerusalem zusammenbringen. Auch Spendenbereitschaft ist ein Ausdruck der Liebe.

Manche Themen sind erstaunlich aktuell. Viele wären heute in unserer komplexen Gesellschaft hinzuzufügen. Ständig steht man vor neuen Herausforderungen und der Frage, was zu tun ist. Wer kann da schon immer wissen, was richtig ist? „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“

Der Kirchenvater Augustin hat es später pointiert formuliert: „Liebe – und tu, was du willst.“ Wenn du eine Entscheidung aus Liebe heraus triffst, dann wird sie richtig sein. Was für ein weitherziger Kompass für Entscheidungen in unübersichtlicher Situation! Er verbindet Freiheit mit Verantwortung. Engstirniger Moralismus, den es leider gab und gibt, entspricht gerade nicht dem christlichen Glauben. „Man darf alles“, schreibt schon Paulus wörtlich (1. Korinther 10,23). Aber nicht alles tut gut, „man darf alles“ immer nur in Verantwortung für den und die andere.

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Nicht die Ich-Bezogenheit steht im Mittelpunkt, sondern die Gemeinschaft. Das gilt für Paulus aus dem Glauben heraus, dass Gott, der Grund aller Liebe, uns Menschen mit einem liebenden Blick ansieht und wir dadurch auch andere so anblicken können.

Aus der Liebe heraus können wir bejahend in der Welt leben und in ihr handeln. Gerade in Zeiten, in denen uns Krisen und Probleme übermächtig erscheinen. Dietrich Bonhoeffer hat es für seine Zeit, in der Krieg und Vernichtung tobten, so ausgedrückt: „Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.“ Für mich eine Auslegung dessen, was es heißt, alles aus Liebe zu tun. Und das macht unser Menschsein aus.
 

Ein gesegnetes Jahr 2024!
Ihr

Dr. Hans Christian Brandy
Regionalbischof für den Sprengel Stade  

Ostern - Wider die Zukunftsangst
Andacht von Regionalbischof Dr. Hans Christian Brandy

Die Aussichten sind düster. Das empfinden viele Zeitgenossen derzeit. Selbst wenn es vielen zu diesem Osterfest gut geht: In die Zukunft schauen die meisten eher skeptisch, wie aktuelle Umfragen zeigen. Die Sorge vor einer Ausweitung des Krieges in der Ukraine ist im März 2023 noch einmal gestiegen. Die kräftige Inflation lässt fürchten, dass man nicht mehr über die Runden kommt oder zumindest der Wohlstand sinkt. Dazu kommt die Sorge vor den Folgen des Klimawandels. Der sogenannte „Angstindex“, den Wissenschaftler aus allen abgefragten Sorgen der Menschen erheben, ist deutlich gestiegen. Erhofften sich Menschen früher von der Zukunft den Fortschritt, erwarten sie heute, dass es bergab geht. Über die Jüngeren liest man immer wieder das Etikett „Generation Zukunftsangst“ – mir zieht sich das Herz zusammen dabei.

In dieser Lage feiern wir Ostern 2023. Vielleicht passt das ganz gut. Die Ostergeschichten der Bibel beginnen bei einer „Gruppe Zukunftsangst“. Der Kreis der Leute, die Jesus begleitet hatten, ist nach seiner Kreuzigung allein geblieben. Mit Jesus mitbegraben sind ihre Hoffnungen und Erwartungen nach tollen gemeinsamen Jahren. Jetzt ist er tot. Krise. Der „Angstindex“ – was für ein Unwort! – ist am Anschlag.

Es ist nicht erklärbar, es bleibt ein Geheimnis. Aber in genau diese Situation hinein begegnet der auferstandene Jesus seinen Gefährten. Den Frauen zuerst. Er löst den Knoten ihrer Angst. Er lässt sie neu auf Gottes Nähe und Gottes Zukunft vertrauen. Und er schickt sie auf den Weg. Aus Zweifel wird Glaube, aus Resignation wird Hoffnung, aus Mutlosigkeit wird Kraft. Aus der Gruppe „Zukunftsangst“ entsteht die Gruppe „Hoffnung“. Sie bildet den Anfang der christlichen Gemeinde.

Keine Frage: Die Gefahren sind ja real. Wie es mit dem Krieg weitergeht, weiß niemand, die Bedrohungen durch den Klimawandel sind unabweisbar. Aber beherrschen lassen sollten wir uns von der Angst nicht. Jesus schickt seine frustrierten Anhänger mit neuer Zuversicht auf den Weg – mit einem starken Gottvertrauen. Ostern ist das Fest der starken Hoffnung, dass Tod, Gewalt und Terror nicht das letzte Wort behalten werden.

Die Botschaft von Jesu Auferstehung, so geheimnisvoll sie bleibt, begründet eine neue Zuversicht. Die macht nicht leichtfertig, sondern lässt Menschen mit Kraft und Vernunft eintreten für ein friedliches Miteinander und eine gute gemeinsame Zukunft. Wer nicht von Furcht bestimmt ist, kann mit freiem Herzen und freien Händen eintreten für den und die Nächste.

Die österliche Botschaft steht dafür, dass Gott selbst den Horizont weitet und erhellt. So wie am Ostermorgen die aufgehende Sonne davon kündet, dass Gottes Wille für unsere Welt das Leben ist. Christus ist auferstanden – das ist Gottes letztes Wort. In diesem Zeichen der Hoffnung feiern wir auch in diesem Jahr Ostern - gegen alle Zukunftsangst.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Osterfest!

Regionalbischof
Dr. Hans Christian Brandy, Stade

"Du bist ein Gott, der mich sieht"
Andacht zur Jahreslosung von Regionalbischof Dr. Hans Christian Brandy

„Du bist ein Gott, der mich sieht“ (1. Mose 16,13)

Es ist heiß. Unerträglich heiß. Denn sie ist in die Wüste geflohen. Weg von den Demütigungen. Schwanger ist sie. Und weiß nicht mehr weiter. Da tritt ein Engel zu ihr und sie, die bislang nur die namenlose Magd war, wird vom Boten Gottes mit ihrem Namen angesprochen: Hagar.

Ein Name gibt Würde und verleiht Ansehen. Und manchmal sind Namen auch sprechend. Wie der Name Hagar. Übersetzt heißt er: Fremde.

Wer ist Hagar, diese Frau, die erste weibliche Gestalt der Bibel, die von Gott durch einen Engel angesprochen wird? Sie ist eine Ägypterin, die als Magd bei Sarah und Abraham, den Erzeltern Israels, lebt. Da Sarah bislang kinderlos geblieben ist, gibt sie ihre Magd ihrem Mann Abraham, damit er „zu ihr gehe“. Ein üblicher Brauch im Alten Orient: Kann die Herrin kein Kind bekommen, schläft ihr Mann mit der Magd. Im Schoß der Herrin bekommt die Magd ihr Kind und das Neugeborene gilt als legitimer Erbe. Quasi eine Art „Leihmutter“ soll Hagar sein.  Für uns heute ein mehr als befremdlicher Brauch.

Es kommt zu Konflikten. Die schwangere Hagar flieht noch vor der Geburt, weil sie die Demütigungen ihrer Herren nicht mehr erträgt. So findet der Engel sie in der Wüste und spricht sie an: „Hagar, wo kommst du her und wo willst du hin?“ So beginnt das Gespräch zwischen der Frau und dem Boten Gottes. Manchmal braucht es vielleicht nicht mehr als diese Frage an einen verzweifelten Menschen: „Wie geht es dir und was hast du vor?“

Der Engel sagt Hagar zu, dass sie einen Sohn gebären wird, dessen Name „Ismael“ heißen soll. Wieder ein sprechender Name, denn übersetzt heißt er: Gott hört. Hagar wird wieder zurückkehren zu Sarah und Abraham. Aber vorher nennt sie Gott bei Namen: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“  Noch ein sprechender Name in dieser wunderbaren Geschichte, in der Gott hört und sieht und sich der Fremden annimmt.

„Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Die Worte dieser Frau begleiten uns durch die nächsten zwölf Monate: Hagar legt ein ganz persönliches Glaubensbekenntnis ab. Und lädt ein, diese Erfahrung zu teilen: Gott sieht mich.

Gesehen werden. Wahrgenommen, ernstgenommen werden. Das brauchen Menschen. „Mich sieht niemand“, höre ich manchmal als Klage. Oder: „Niemand sieht, was ich hier tue.“ Nicht gesehen zu werden, das kränkt und das ist der innere Motor für Konflikte. Nicht gesehen werden, das macht einsam und lässt Menschen in Not allein. In Berthold Brechts Dreigroschenoper heißt es: „Denn die einen sind im Dunkeln, und die anderen sind im Licht. Und man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.“ Dazu ist die Jahreslosung ein Gegenwort: Für Gott ist niemand im Dunkeln. „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Der Engel Gottes wendet sich gerade der Fremden zu. Gott sieht und hört ihr Elend.

Was sieht und hört Gott in diesem neuen Jahr 2023? Er sieht eine Welt in Unordnung und Krisen. Er sieht viele Menschen im Dunkeln. Als Christenmenschen vertrauen wir darauf: Gott hat durch die Geburt von Jesus Christus das Dunkel hell gemacht – so hören wir zu Weihnachten. Gott sieht uns liebevoll an und ist an unserer Seite. Gott lässt sein freundliches Angesicht leuchten über jedem Menschen. In den Augen Gottes wird niemand übersehen.

Das kann auch unseren menschlichen Blick auf die Welt verändern. Es ermutigt dazu, dass auch wir auf andere mit dem Blick der Liebe und Barmherzigkeit schauen. Gerade auf die im Dunkeln. Wo sind in meinem Umfeld Menschen, deren innere oder äußere Not niemand wahrnimmt? Wo kann ich zeigen: „Ich sehe dich“? Wo kann ich helfen? Kein Mensch darf übersehen werden.

Wir leben in herausfordernden Zeiten. Das ist wahr. Aber wir vertrauen auf einen Gott, der sieht und hört und Menschen Halt gibt - und die nötige Orientierung, damit wir verantwortungsvolle Wege gehen können.

Ein gesegnetes Jahr 2023!

Ihr

Dr. Hans Christian Brandy
Regionalbischof für den Sprengel Stade

Andacht zum Weihnachtsfest 2022
Regionalbischof Dr. Hans Christian Brandy

Das Licht scheint in der Finsternis

Vor wenigen Tagen ist im ukrainischen Charkiw das Friedenslicht aus Bethlehem angekommen. Pfadfinder haben es per Zug dorthin gebracht. Die Bilder aus der Ukraine haben mich angerührt. Eine Kerze und ein paar Tannenzweige im eiskalten Bahnhof, mitten im Luftalarm. Das Friedenslicht als Zeichen der Hoffnung in einem Land, das Putins Russland vorsätzlich und völkerrechtswidrig ins Dunkel gestürzt hat. In dem gezielt die zivile Infrastruktur beschossen wird, damit die Menschen im Kalten und im Dunklen sitzen. Kaum zu ertragen das alles. Aber auch hier scheint das Licht von Weihnachten. Und hier vielleicht besonders. Das heute-journal zeigte, wie Menschen für sich Kerzen am Friedenslicht aus Bethlehem entzünden.

„Das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis hat’s nicht ergriffen“. So erzählt der Evangelist Johannes vom Kommen Jesu in die Welt. Ganz realistisch. Die Welt kann finster sein und auch bleiben. Auch in mir herrscht manchmal das Dunkel.

Aber so wie Gott am Beginn der Welt das Licht geschaffen hat und das Leben damit seinen Anfang nahm, so ist es mit der Geburt Jesu. An Weihnachten feiern wir einen Neuanfang. Und das in den Tagen, an denen es am längsten dunkel ist. Wir feiern, dass mit der Geburt Jesu ein neues Licht, das Licht Gottes in die Welt gekommen ist. Und dass die Finsternis diese Kraft, dieses Licht nicht überwinden kann.

Licht scheint in der Finsternis. Das ist Weihnachten. Nicht immer ist das Licht strahlend und hell. Manchmal scheint es nur durch einen schmalen Riss in unsere Welt. „Gott ist nicht überall. Er verbirgt sich hinter allem, und in allem sind schmale Spalten, durch die er scheint – scheint und blitzt. Ganz dünne, feine Spalten, so dünn, dass man sie nie wiederfindet, wenn man nur einmal den Kopf wendet." So hat Ernst Barlach seine Erfahrung mit dem Licht Gottes beschrieben, der Künstler, der in der NS-Zeit verfemt war.

Durch die schmalen Spalten blitzt und scheint das Licht Gottes. So wie die Futterkrippe im Stall von Bethlehem ja auch ein höchst ungewöhnlicher Ort ist für die Geburt des Gottessohnes, auch nur so ein schmaler Spalt. Aber gerade so wird deutlich: Hier wird eine Hoffnung begründet, die das Dunkel erhellt. Ein Grund, in den Dunkelheiten dieser Welt und meines Lebens niemals mutlos zu werden. Und ein Grund, immer wieder selbst Licht weiterzugeben und in Solidarität und Nächstenliebe für Menschen im Dunkel einzustehen.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes und lichtes Weihnachtsfest!

Ihr
Dr. Hans Christian Brandy
Regionalbischof im Sprengel Stade

Jahr der Taufe - Gottesgeschenk
Interwiew mit Regionalbischof Dr. Hans Christian Brandy

Die Landeskirche hat 2022 zum Taufjahr ausgerufen. Warum?

Jede Taufe ist ein wunderbares Fest des Lebens. Gottes Segen steht am Anfang, am Anfang des Lebens und am Anfang eines Lebens mit Gott. Diese Feier des Lebens ist wie andere wichtige Feiern durch die Corona-Pandemie oft ausgefallen. Aber wir beobachten auch schon länger, dass die Taufe oft lange aufgeschoben wird und dann ganz ausfällt – und das, obwohl wir durch Umfragen wissen, dass bei sehr vielen Evangelischen der grundsätzliche Wille da ist, ihre Kinder taufen zu lassen. Da möchten wir einladen zur Taufe. Das Signal ist: Lasst die Gelegenheit nicht verstreichen, jetzt zu feiern, Eure Kinder oder Euch selbst dem besonderen Taufsegen Gottes anzuvertrauen.

Welche Ideen gibt es im Sprengel für das Taufjahr?

In vielen Kirchengemeinden wird es besondere Tauffeste geben. Aber natürlich gibt es nach wie vor überall einfach schön gestaltete Taufgottesdienste. Das besondere an Tauffesten: Da werden - oft im Freien, an Seen oder Flüssen - ganz viele Menschen getauft. In Bremerhaven z.B. wird es Mitte Juni ein großes ökumenisches Tauffest direkt an der Weser geben, an dem sich über ein Dutzend Kirchengemeinden beteiligen.  Bei Tauffesten wird ja nicht nur gemeinsam ein Gottesdienst gefeiert, sondern auch Essen und Trinken im Anschluss geteilt. Denn zusammen zu feiern, macht einfach mehr Freude. Schön ist zudem, dass Tauffeste gerade Menschen, für die sich ein klassisches Familienfest nicht anbietet, einen besonders gestalteten Rahmen bieten.

Was bedeutet es Ihnen persönlich, getauft zu sein?

Die Taufe ist die unverbrüchliche Zusage, dass ich bei Gott angenommen bin mit all meinen Stärken und Schwächen. Sie ist das große Plus-Zeichen vor meinem Leben. Sie verbindet mich mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus. Und ich bin hineingestellt in die weltweite Gemeinschaft der Christinnen und Christen durch alle Zeiten.

Ihr Taufspruch?

Psalm 36,6: „HERR, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.“ Ich liebe es sehr, auf weiten Touren mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Dabei kann ich dieses Wort schön meditieren und mich dabei an meine Taufe erinnern.

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Eindrücke von einem Tauffest in Nordholz:

„Am beeindruckendsten war für mich die Taufe einer Konfirmandin im See in Wanhöden. Sie wollte sich ganz untertauchen lassen und hat das im wahrsten Sinne eiskalt durchgezogen. Sie hatte auch vorgesorgt und Ersatzkleidung mitgebracht. Ihr Name war Jule - wo es doch gerade über eine Jule ein Kinderlied zum Thema „Waschen“ gibt. Frisch - fromm - fröhlich - frei. So fühlt sich Tauffest draußen für mich an."  Stephan Büttner, Pastor in Nordholz

Sonja Domröse, Pressesprecherin Sprengel Stade

Friedensandacht, 25. Februar, St. Wilhadi-Kirche, Regionalbischof Dr. Hans Christian Brandy

Könnte ich doch hören, was Gott der Herr redet, dass er Frieden zusagte seinem Volk (Ps 85,9)

So betet der 85. Psalm:
Könnte ich doch hören das Wort des Friedens.

Aber da sind wir nicht.
Wir hören nicht Worte des Friedens, sondern Worte vom Krieg.
Wir hören schrecklichste Drohungen aus Moskau,
wir hören falsche Propaganda und unverhohlene Lügen:  
Die Lügen lauten: Es gebe keine Ukraine. Die Lüge lautet: Dort würde nicht eine demokratisch gewählte Regierung die Geschicke leiten, sondern eine Naziregierung. Die Lüge lautet: Es gebe Völkermord durch die Ukraine.

Lange befürchtet, hören wir Worte vom Krieg.
Und wir sehen Bilder vom Krieg.
Kaum zu ertragen sind sie, die Worte und die Bilder.
Rollende Panzer, kreisende Hubschrauber, brennende Häuser.
Die Kinder, die angstvoll im Schacht der U-Bahn sitzen, um vor Luftangriffen geschützt zu sein.
Der Mann, der weinend erzählt, dass er die Kinder in Sicherheit bringt, um dann selbst zurückzukommen um zu kämpfen.
Die Frau in Deutschland, die mit Tränen von ihrer Familie in Kiew erzählt.
Unendlich viel Leid bringt Krieg mit sich. Jeder Krieg.

Kaum zu ertragen sind sie, die Gedanken.
Ein so eklatanter Bruch des Völkerrechts.
Ein hemmungsloser Ausbruch des Bösen.
Und die eigene Hilflosigkeit, bei der wir doch nicht stehen bleiben dürfen.
„Wie kann mit Putin und einer Bande von politischen Lakaien umgegangen werden, die von Bosheit, Enttäuschung und Größenwahn getrieben, den Weltfrieden bedrohen?“ so hat unser Landesbischof gestern gefragt.
Und: Wie weit wird Putin gehen?
Was, wenn er auch vor Nato-Mitgliedern nicht Halt macht?
Was kann man ihm entgegensetzen?
Soll man der Ukraine wünschen, dass sie sich militärisch lange behauptet? Das ist ihr gutes Recht, der Gedanke ist unerträglich, einfach der Gewalt zu weichen. Aber in einem langen Krieg sterben noch mehr Menschen.

Was können Sanktionen bringen? Sie sind sicher nötig. Aber was bringen sie? Was und wem schaden sie auch?

Kaum zu ertragen diese Wucht des Bösen.
Kaum zu ertragen die Gedanken und Fragen.
Was wird der Krieg für uns bedeuten in Deutschland?
Für unsere Sicherheit in Europa, unsere Wirtschaft?
Wie werden wir umgehen mit den ungezählten Flüchtlingen, die wir auf ihrem Weg nach Westen sehen? 

Fragen über Fragen.
Antworten haben wir bisher kaum.
Aber wir sind versammelt, um alle unsere Gedanken und unsere Angst vor Gott zu bringen.
Wir wissen – auch ein Friedensgebet wird heute Abend nicht zum Frieden führen.
Aber so bleiben wir nicht sprachlos.
So bleiben wir nicht allein.
So bleiben wir nicht hoffnungslos.

Wir beten für die Menschen in der Ukraine.
Im Gebet sind wir mit ihnen vereint, und sage niemand, dass das eine schwache Gemeinschaft ist.

Wir beten für den Frieden in unserer Welt.
Für alle die Verantwortung tragen.
Für die, die auch jetzt noch um politische und diplomatische Lösungen ringen
Für die, die auch militärisch in Verantwortung stehen. Ich denke – um nur einen Namen zu nennen – daran, dass einer aus unserer Wilhadi-Gemeinde, Jürgen-Joachim von Sandrat, als Kommandierender General einer großen Militäreinheit der Nato in Polen in der Verantwortung steht. Und es gibt viele andere persönliche Betroffenheiten und Verbindungen.

Wir sind nicht hilflos, wenn wir beten und nicht allein und nicht sprachlos. Wir wenden uns an den, der Himmel und Erde in seinen Händen hält. Wir stehen vor dem, der in Jesus Christus an unsere Seite gekommen ist. Jesus Christus hat selbst Tod und Gewalt und Leid durchlitten. Gerade so hat Christus uns zugesagt, dass Gott in den dunklen Tagen da ist, dass Gott da ist in aller Not, aller Hilflosigkeit und Angst. Auf ihn, auf Christus lasst uns schauen gerade in diesen Tagen. Er ist unser Friede, so sagt es der Epheserbrief (2,14)

Könnte ich doch hören, was Gott der Herr redet, dass er Frieden zusagte seinem Volk. So betet der 85. Psalm.
Heute hören wir Worte vom Krieg.
Aber als Christenmenschen hören wir auf Gott und hören das Wort vom Frieden, vom Frieden, der höher ist als alle Vernunft.

Und der 85.Psalm fährt fort: Doch ist ja seine (Gottes) Hilfe nahe denen, die ihn fürchten, dass in unserm Lande Ehre wohne; dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen.

Dass Gerechtigkeit und Friede sich küssen. Davon sehen wir heute wenig bis nichts. Aber wir hoffen auf diese Wirklichkeit Gottes, und das gibt einen anderen Horizont. Das lässt nicht mutlos werden. Das gibt die Kraft, anders zu handeln.

Krieg soll nach Gottes willen nicht sein, so hat es der Weltkirchenrat 1948 formuliert. Daran will ich mich erinnern lassen.
So verzweifelt die Lage im Moment erscheint – lasst uns
eintreten für den Frieden, wo immer wir können.
Wo für Frieden gebetet wird, wird auch für Frieden gehandelt, getan, was getan werden kann.

Lasst uns Menschen des Friedens sein. In dem, was wir tun können, für Menschen aus der Ukraine.
Wir wissen noch nicht, was kommt. Aber unsere Menschlichkeit besonders für Menschen auf der Flucht wird gefragt sein, das ist sicher.

Lasst uns auch Zeichen der Solidarität geben. Ich finde sehr gut, dass der Landkreis und die Stadt am Sonntag um 12.00 Uhr zu einer Solidaritäts- und Mahnwache aufrufen werden.

Lasst uns Menschen des Friedens sein. Auch in unserem Alltag, im Miteinander, in dem, wie wir über andere sprechen.
Frieden heißt, sich immer wieder in die Schuhe des anderen zu stellen. Die Ängste des anderen zu verstehen.

Ich schließe: Dietrich Bonhoeffer hat 1944 geschrieben: Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen.

Beten und Tun des Gerechten. Besseres weiß ich heute auch nicht.

Amen

Andacht zur Jahreslosung 2022 von Regionalbischof Dr. Hans Christian Brandy
„Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ (Johannes 6, 37)

Ein gedeckter Tisch, Kerzen brennen, es duftet aus der Küche, die Tür ist einladend geöffnet. Vor meinem inneren Auge entsteht dieses Bild, wenn ich die Losung für das Jahr 2022 lese. Die Worte Jesu rufen in mir Erlebnisse von Gastfreundschaft wach. Ich werde empfangen, bewirtet, darf Gast sein.

„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Jesus sagt diese Worte, nachdem er am Tag zuvor mit zwei Fischen und fünf Broten viele Menschen gesättigt hat. Wir kennen diese Geschichte als die Speisung der Fünftausend. Menschen haben bei Jesus Gastfreundschaft und Fülle erlebt. Im Johannesevangelium öffnet Jesus diese Geschichte in eine ganz weite Perspektive: Was ist Nahrung, was ist Grundlage für Euer Leben? Wo wird Euer Lebenshunger gestillt? fragt er. Seine Zusage, die zugleich eine Einladung zum Glauben ist: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer an mich glaubt, der wird nicht hungern.“

In Jesus Christus begegnet mir die Menschenfreundlichkeit Gottes, die tragende Gewissheit für mein Leben ist. Das ist ganz offenkundig nicht an Bedingungen gebunden. Meine Fehler, meine Grenzen und Widersprüche, meine inneren Zweifel - all das spielt keine Rolle. Und das gilt für alle: Weder Hautfarbe noch Geschlecht, weder Bildung noch Frömmigkeit werden überprüft. Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Was für eine Universalität der Menschenliebe Gottes!

Daraus folgt für mich eine Haltung der Gastfreundschaft. So hat es Jesus praktiziert. Und so ist es denen aufgegeben, die sich an ihm orientieren und ihm nachfolgen. Gastfreundschaft, das hat unabweisbar eine politische Dimension, wenn wir an die ungezählten Menschen denken, die auf der Flucht sind. Hier bleibt unser reiches Land und hier bleiben wir als Christenmenschen weiter gefordert.

Aber Gastfreundschaft – das ist eine Frage auch an unseren Alltag. Leben wir solch einen Geist, der nicht abweist, wenn Menschen zu uns kommen? Ein schottischer Pastor erzählte: „Gestern Abend saß ich mit einem Freund am Tisch, als es an der Tür klingelte. Ein Mensch, der Hilfe brauchte, stand vor der Tür. Wir baten ihn an unseren Tisch. Er blieb lange und aß mit gutem Appetit. Als er gegangen war, sagte mein Freund: ‚Heute war Jesus bei uns zu Gast. Aber ich hoffe, er kommt nicht allzu oft.‘“ Britischer Humor.

Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Wer das ernst nimmt, dem ist die Frage aufgegeben: Wie können Großzügigkeit und Gastfreundschaft, wie kann eine einladende Haltung konkret gelebt werden? Ganz persönlich. Aber auch in unseren Gemeinden, in unserem Alltag, in unseren Gottesdiensten.

Die meisten weisen sicher nur selten und ungern Menschen bewusst ab. Aber tun wir es vielleicht unbewusst? Ist unser Gemeindeleben auch für Menschen, die der Kirche ferner stehen, attraktiv? Sind unsere Gottesdienste einladend auch für die, die mit ihnen nicht vertraut sind, so dass sie sich nicht fremd fühlen müssen? Empfangen wir alle gastfreundlich, sprechen wir eine verständliche Sprache, geht es um die Lebensthemen der Menschen? Wie sieht es mit der Vernetzung vor Ort aus? Kooperieren wir mit anderen auch außerhalb unserer (wie man neudeutsch sagt) „Bubble“, die sich so - wie wir als Kirche - im Gemeinwesen für ein gelingendes Miteinander einsetzen?

Ich wünsche Ihnen, dass Sie Lust haben, mit anderen darüber ins Gespräch zu kommen, wie wir als Christenmenschen und als Gemeinden ausstrahlungsstark und einladend leben können. Und ich wünsche Ihnen persönlich, dass Sie immer wieder für sich selbst im Vertrauen auf Gott Kraft empfangen durch das „Brot des Lebens“, das Jesus Christus ist. Wir alle sind immer wieder an Gottes gedeckten Tisch eingeladen und sind bei ihm willkommen. Seine bedingungslose Menschenfreundlichkeit gebe Ihnen im neuen Jahr inneren Halt und Zuversicht in allem, was kommt.

Ein gesegnetes Jahr 2022!

Ihr

Hans Christian Brandy
Regionalbischof im Sprengel Stade

Weihnachtsandacht 2021 von Regionalbischof Dr. Hans Christian Brandy
"Binde Deinen Karren an einen Stern"

„Binde deinen Karren an einen Stern!“ Ein starker Satz von Leonardo da Vinci.

Sterne schmücken in diesen Weihnachtstagen unsere Häuser, Städte und Dörfer. Ein Stern, der Stern von Bethlehem, leitet die Weisen aus dem Morgenland zum neugeborenen Kind im Stall.

Himmelsgestirne geben Orientierung. Sie dienen der Navigation – nicht nur auf hoher See – und helfen so, zum Ziel zu finden. Selbst nicht so Sternenkundige wissen sofort, wo Norden ist, wenn der Polarstern am Himmel erscheint. So regen Sterne immer wieder dazu an zu fragen: Was gibt meinem Leben Orientierung? Welchem Leitstern folge ich auf meinem Weg?

Die Sterndeuter aus dem Morgenland machen sich auf den Weg und brechen aus dem Gewohnten auf. Ihre Geschichte ist eine vom Suchen und Finden. Sie folgen dem Stern. Eine Sehnsucht treibt sie an, eine Neugierde, der Wunsch nach Veränderung. Und sie werden am Ende fündig, weil sie ihren Karren an einen Stern gebunden haben. Sie finden das Kind in der Krippe und fallen vor ihm nieder. In diesem Kind erkennen sie, dass Gott selbst in die Welt gekommen ist, um mit der Welt einen Neuanfang zu machen. Er zeigt sein menschliches Antlitz in diesem Jesus von Nazareth und macht bereits bei der Geburt dieses Säuglings klar: Der Heiland, der Retter der Welt, er kommt ganz anders als erwartet. In einem Stall wird er geboren, umringt von armen Hirten. Wer sich von Gottes Stern leiten lässt, muss immer mit Überraschungen rechnen: Gott begegnet uns, wo und wie wir es nicht erwarten.

Ich liebe es, in Sommernächten stundenlang in den Sternenhimmel zu schauen. Am Firmament leuchten die Sterne und lassen uns Menschen ahnen, damals wie heute, was Unendlichkeit meint und dass es nicht nur unsere begrenzte Wirklichkeit gibt.

„Binde deinen Karren an einen Stern!“ Das heißt: Lass dich von einer Kraft ziehen, die nicht von dieser Welt ist, damit du die Welt verändern kannst. Dem Stern folgen meint, nach neuen Möglichkeiten zu suchen, eingetretene Pfade zu verlassen und Vertrauen zu haben in den Weg, der vorn liegt.

Unser Land steht vor enormen Herausforderungen. Nicht erst seit der Corona-Pandemie. Der Zusammenhalt der Gesellschaft, soziale Gerechtigkeit, die Bewältigung des Klimawandels, der Umgang mit Geflüchteten, der Schutz unserer Demokratie: Vieles wird zu tun sein.

Welchem Stern wollen wir dabei folgen? An welchen Werten uns orientieren? Als „Licht der Welt“ hat Gott seinen Sohn in die Welt geschickt. Damit es dort hell werden kann, wo Menschen in Angst und Sorgen leben, auch an diesem Weihnachtsfest. Und damit wir einen Fixstern haben, an dem wir unsere Navigation auch in rauer See ausrichten können. Der Stern von Bethlehem leuchtet bis heute und ermutigt zu praktischer Nächstenliebe und zu einem verantwortlichen Leben. Wer auf diesen Stern schaut, wer seinen Wagen an diesen Stern bindet, wird es etwas heller werden lassen in dieser Welt.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, den Mut und das Vertrauen, dem Stern von Weihnachten zu folgen. Ein gesegnetes und friedvolles Weihnachtsfest wünscht Ihnen

Ihr
Dr. Hans Christian Brandy
Regionalbischof im Sprengel Stade

Osterandacht von Regionalbischof Dr. Hans Christian Brandy

Ein Krankenhaus im Elsass. Täglich stehen schwerkranke Menschen vor der Tür. Heilung und Linderung ihrer Schmerzen erhoffen sie sich in diesem Spital. Getrieben von Angst und Sorge um ihr Leben sind sie hierhergekommen. Nein, es ist nicht das Corona-Virus, das hier Menschenleben gefährdet. Wir schreiben das Jahr 1512. Ein junger Maler, Matthias Grünewald, will dem Leid und Elend der Kranken im Isenheimer Krankenhaus Hoffnungsbilder entgegenstellen. Für die Kirche des Spitals gestaltet er einen Altar mit Bildern, die bis heute nichts von ihrer Ausdrucksstärke verloren haben.

Grünewald malt die Kreuzigung, den Tod Jesu, in einer bis dahin nicht gekannten Eindringlichkeit. So können die Leidenden sich in diesem geschundenen Jesus von Nazareth wiedererkennen und darin Trost finden, dass Gottes Sohn auch im Leiden bei ihnen ist.

Ebenso eindrücklich stellt Grünewald die Auferstehung Jesu dar. Er taucht sie in Farbe und Licht. Für mich ist dieses Bild vom Isenheimer Altar, dieses Trost- und Hoffnungsbild für die Erkrankten, eines der wunderbarsten Osterbilder. Denn es stellt dar, was wir zu Ostern feiern, auch in diesem Jahr, gerade auch im Angesicht der Pandemie: Das Leben siegt über den Tod. Gott hat dem Tod ein für allemal die Macht genommen.  

Diesen Auferstehungs-Schwung hat Grünewald genial in Szene gesetzt mit dem lichten Körper Jesu. Er trägt noch die Wundmale der Kreuzigung und damit die Zeichen des zerbrechlichen Lebens. Aber die Kraft Gottes hat den Tod überwunden. Das Leichentuch verbindet Jesus noch mit dem offenen Grab, aber dieses Tuch aus gelb, orange, rot und blau nimmt leuchtend die Farben des Regenbogens an. Es ist zum Königsmantel geworden. So sieht Verwandlung aus. So versteht ja auch die Bibel Auferstehung. Nicht Verlängerung des irdischen Lebens, sondern Verwandlung.

Der Auferstandene blickt uns als Betrachtende direkt an, offen und freundlich, seine Hände mit den Wundmalen zum Segen erhoben. Sein Kopf ist das Zentrum des strahlenden Lichtes: Der Auferstandene ist die Sonne der Welt, die hineinleuchtet in all unsere Dunkelheit.  

In diesem Jahr sehnen wir uns wohl noch mehr als sonst nach Licht und Sonne, Hoffnung und Leben. Krankheit und Tod sind nicht verschwunden. Natürlich nicht. Sie bedrängen uns sehr. Aber die Angst ist gebrochen durch die Botschaft von Ostern: Das Leben ist stärker. Gott ist stärker als der Tod.

Weil wir dies an Ostern feiern, gilt: Christenmenschen sind Protestleute gegen den Tod. Wer das Geheimnis von Ostern feiert, der kann die Angst vor dem Tod in Sorge für das Leben verwandeln. Derzeit durch große Vorsicht, durch Besonnenheit und durch Ausdauer in belastenden Zeiten.

Matthias Grünewald hat den Menschen aller Zeiten die Osterhoffnung eindrücklich vor Augen gemalt. Sein Bild hat nichts von seiner Strahlkraft verloren. Am Ostermorgen leuchtet das Leben in lichten Farben.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein gesegnetes und helles Osterfest!

Regionalbischof
Dr. Hans Christian Brandy, Stade

Interview mit Regionalbischof Brandy zu Karfreitag und Ostern
„Dieses Jahr hat manche persönliche Leidensgeschichte geschrieben“

Herr Dr. Brandy, die Tage vor Ostern sind für die Kirchen eine der wichtigsten Wochen im Jahr. Wie schauen Sie auf die bevorstehenden Feiertage?
Hans Christian Brandy: Wir feiern in diesem Jahr zum zweiten Mal unter Corona-Bedingungen die Karwoche und das Osterfest. Im letzten Jahr waren Präsenzgottesdienste verboten. In diesem Jahr dürfen nach aktueller Lage Gottesdienste stattfinden.  Darüber bin ich froh. Die Gemeinden entscheiden jetzt jeweils nach Lage vor Ort, was sie machen. Es ist selbstverständlich, dass in der aktuellen Lage alles getan werden muss, um weitere Infektionen zu vermeiden. Aber wir haben sehr detaillierte Hygienekonzepte, die seit Langem bestens bewährt sind und professionell umgesetzt werden. Deshalb halten wir Präsenzgottesdienste für gut vertretbar. Gerade in dieser Zeit der Belastung und auch der Einsamkeit sind Gottesdienste für viele Menschen sehr wichtig. Andere Gemeinden verzichten auf Präsenzgottesdienste. Sie setzen dann auf andere Formate. Es gibt eine Fülle neuer und kreativer Ideen: Kurze Gottesdienste im Freien, Internet-Formate, Oster-Wege, Postkarten-Aktionen, geöffnete Kirchen für Gebet von Einzelnen. So spannungsvoll und anstrengend die Situation für die Gemeinden auch ist: Dieser Reichtum ist ein Schatz.

An den schwankenden Vorgaben der Politik gibt es derzeit viel Kritik. Was meinen Sie dazu?
Brandy: Es ist offensichtlich, dass gesellschaftlich und politisch die Spannungen größer werden. Das überrascht mich nicht angesichts der dramatischen Problemlage: Da sind einerseits die Existenzsorgen von Unternehmen und Einzelnen, gewaltige Belastungen für Familien und Kinder, für Pflegepersonal, Erzieherinnen und viele andere. Und da ist die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit und Begegnung. Dagegen aber steht die zwingende Notwendigkeit, der dritten Welle entschlossener zu wehren, um Menschen vor Krankheit und Tod zu schützen. Die politisch Verantwortlichen suchen zwischen diesen Polen mühsam einen Weg. Längst nicht alles gelingt, Fehler sind offensichtlich. Kritik daran ist in einem freien Land selbstverständlich. Die verbreitete Häme gegenüber den Regierenden finde ich aber falsch. Allen, die Verantwortung tragen, gebührt Dank und Respekt, der sich auch in kritischem Dialog äußert. Als Kirchen sind wir insgesamt dankbar für ein konstruktives Miteinander mit den politisch Verantwortlichen in unserem Land. Wir schließen sie weiter ein in unsere Fürbitte und unterstützen, wo wir können.

Wir gehen jetzt in die Passionswoche mit dem Karfreitag. Welche Botschaft geht heute vom Tod Jesu am Kreuz aus?
Brandy: Ich glaube, dass vieles von dem, was in den biblischen Geschichten über das Leiden von Jesus erzählt wird, Menschen in den zurückliegenden Monaten in ihrem eigenen Leben erfahren haben.

Woran denken Sie da?
Brandy: Jesus hat geweint, er hatte Angst und war verzweifelt. Auch bei vielen von uns sind Tränen geflossen in dieser Corona-Zeit. Angehörige und nahe Menschen sind gestorben und viele konnten sich nicht so von ihnen verabschieden, wie sie es gewünscht hätten. Etliche sind selbst erkrankt und bangten um ihre Gesundheit. Die Sorgen um die eigene wirtschaftliche Existenz sind bei vielen gewachsen. Immer wieder höre ich, dass Menschen an der Grenze ihrer Kräfte sind, durch mehrfache Belastung bei der Arbeit, Versorgung der Kinder, Home-Schooling, Pflege von Angehörigen. Und durch die Isolation. Dieses Jahr hat manche persönliche Passionsgeschichte geschrieben.

Das Selbstverständnis der Kirche ist es, gerade in Krisenzeiten Trost und Hoffnung zu geben.  Steckt für Sie auch etwas davon in der Leidensgeschichte Jesu?
Brandy: Noch in der Nacht vor seinem Tod betet Jesus, dass Gott ihm Leid und Tod ersparen möge. Vergebens. Und doch liegt gerade in dieser Geschichte für mich auch ein Trost. Menschen fühlen sich verlassen, vielleicht auch von Gott. So erging es Jesus auch.  Er hat am Kreuz geschrien: ‚Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?‘ Mehr Gottesferne geht wohl nicht. Aber es kann tröstlich sein, dass wir Gott unser Leid klagen können, ja, ihn sogar anklagen können für das, was uns widerfährt. Das ist für mich eines der tiefsten Geheimnisse des Glaubens: Auch in der Gottesferne und im Glaubenszweifel weiß ich mich bei Gott gehalten. Gott ist solidarisch mit uns in unserem Leiden. Vom Leiden Jesu erzählen wir, weil auch darin Gott ist. Und weil dann Ostern kommt.

Werden wir in diesem Jahr Ostern anders feiern als in den Jahren zuvor?
Brandy: Vielen von uns ist in den letzten Monaten deutlich geworden, wie zerbrechlich unser Leben ist. Den Schmerz über die mehr als 75.000 Verstorbenen in unserem Land haben wir gemeinsam zu tragen. Gerade das gehört in diese Karwoche für mich mit hinein. Aber auch füreinander Verständnis zu haben und barmherzig miteinander umzugehen. Einander Fehler zu vergeben. Daher wird in diesem Jahr Ostern anders sein. Vielleicht werden wir intensiver erleben, dass nach der Dunkelheit von Karfreitag das Licht von Ostern scheint und den Sieg des Lebens verkündet.

Was möchten Sie den Menschen zu Ostern sagen?
Brandy: Leiden, Sterben und Tod haben nicht das letzte Wort. Jesus hat den Tod besiegt. Das feiern wir an Ostern. Auch in diesem Jahr. Vielleicht brauchen wir diese Botschaft jetzt besonders, da Leid und Schmerz so spürbar sind. Ostern ist das Fest des Lebens. Diese Hoffnung kann uns im Angesicht weiterhin schwerer Herausforderungen Mut machen. Und wir brauchen gerade jetzt Hoffnung, damit wir einen langen Atem haben für die vor uns liegenden Aufgaben. Das Leben siegt. Das ist die wunderbare Oster-Botschaft: Aus dieser Hoffnung heraus können wir kreativ und mutig sein, um das Miteinander zu stärken bei zunehmender Verzagtheit.

Hans Christian Brandy (62) steht als Regionalbischof den gut 200 evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden zwischen Elbe und Weser vor und ist seit 2010 im Amt.

Das Interview führte Sonja Domröse, Pressesprecherin Sprengel Stade

Brief des Bischofsrats an die Gemeinden zu Ostern 2021

An die Kirchenvorstände und Pfarrämter in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers

26. März 2021

„Gott, nach deiner großen Güte
erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.“ Ps 69

Liebe Schwestern und Brüder,
die Karwoche beginnt. Ein Jahr Corona. Ein Jahr kirchliches Leben mit schmerzli-chem Verzicht an Nähe und Begegnung, an Gesang und Musik, an Fest und Feier. Ein Jahr voller schwieriger Entscheidungen und großer Anstrengungen. Die Dauer zehrt an Nerven und Kräften. Viele sind müde, manche auch wütend – und oft beides zugleich.

Ein Jahr aber auch mit vielfältigen neuen Ideen und ungeahnter Kreativität: Neue oder rasch weiterentwickelte Formen von digitaler Begegnung, Gottesdienste im In-ternet und in ganz anderen Formen, vielfältige Treffen im Freien, zahlreiche Beispiele gelebter Nächstenliebe. So viele Fresh expressions of church gab es bei uns noch nie. Für all das große Engagement in den letzten Monaten danken wir Ihnen sehr herzlich. Allen, die mit viel Phantasie und Einsatz ihren Beruf unter veränderten Be-dingungen ausüben. Und besonders auch Ihnen allen, die ehrenamtlich in diesen Zeiten besondere Lasten zu tragen haben und ohne die das kirchliche Leben unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht laufen könnte. Danke!

Nun stehen die Festtage in der Karwoche und zu Ostern vor uns. Vor einem Jahr wa-ren Gottesdienste verboten. Im Jahr 2021 sind sie nach heutigem Stand zulässig. Die Bitte der Politik, auf Präsenzgottesdienste zu verzichten, wurde zurückgezogen. Gleichwohl sehen wir uns in der Pflicht, alles zu tun, um Infektionen zu verhindern. In unseren Gemeinden haben wir seit Langem eingeübt, Gottesdienste unter strengen Hygienebedingungen zu feiern. Nicht nur Weihnachten hat gezeigt, dass das sicher möglich ist – es ist kein Fall von Infektionen bekannt geworden. Zudem verbessern wir die Verfahren kontinuierlich.

Wir hören jetzt Voten mit unterschiedliche Stoßrichtung. Die einen votieren entschie-den dafür, aus Sicherheitsgründen auf Präsenzgottesdienste zu verzichten. Andere bitten uns dringend, für solche Gottesdienste einzutreten, gerade zu den kommen-den hohen Feiertagen. Wir halten es für wichtig, dass, dass wir bei unterschiedlichen Positionen miteinander verständnisvoll und versöhnlich umgehen.

Wir wissen, dass wir Ihnen einiges zumuten, wenn die Debatte in den Kirchenge-meinden verbleibt. Wir hören immer wieder Bitten, zusammen mit dem Landeskir-chenamt eine verbindliche Vorgabe für die gesamte Landeskirche zu machen. Weit überwiegend war allerdings die Zustimmung zu der Linie, die Entscheidung vor Ort zu treffen.

So ermutigen wir Sie zu Gottesdiensten in leiblicher Präsenz und unter sorgfältiger Beachtung aller Sicherheitsregeln. Für viele Menschen sind Gottesdienste besonders in diesen schwierigen Tagen wichtig, besonders dann, wenn sie keine Möglichkeit haben, digitale Angebote zu empfangen. Diese Gottesdienste, so hören wir, werden oftmals in kleiner Zahl im Außenbereich stattfinden und eine überschaubare Dauer haben. Viele Gemeinden haben gute Erfahrungen in den vergangenen Monaten mit solchen Formaten gemacht.

Etliche Gemeinen haben auch entschieden oder werden entscheiden, aus Sicher-heitsgründen keine Präsenzgottesdienste zu feiern. Sie werden andere Formate an-bieten. Auch dafür gibt es gute Gründe. Es gilt weiterhin: Was immer Sie nach bes-tem Wissen und Gewissen für Ihre Gemeinde entscheiden, tragen wir mit. Die Ent-scheidungen, die Sie vor Ort treffen, kann und darf Ihnen niemand abnehmen. In die-ser Eigenverantwortung unterstützen wir Sie ausdrücklich.

Selbstverständlich begrüßen wir auch alle anderen Formen, im Internet, an dezentra-len Orten, im Freien, auf Treckern oder wo immer. Diese Vielfältigkeit ist ein großer Schatz.

Am Palmsonntag endet die berührende Geschichte der Salbung Jesu im Hause Si-mon des Aussätzigen durch eine unbekannte Frau mit einem Ruf Jesu. Wie Ihr auch feiert, seid gewiss:
„Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.“

Eine gesegnte Karwoche und ein hoffnungsfrohes Osterfest!
Ralf Meister
Dr. Petra Bahr
Dr. Hans Christian Brandy
Dr. Detlef Klahr
Dieter Rathing
Friedrich Selter

Freitagabends Lichter für Verstorbene ins Fenster stellen
Regionalbischof Brandy ermutigt zur Teilnahme an „Aktion Lichtfenster“

Stade/Elbe-Weser-Raum. Regionalbischof Hans Christian Brandy (Stade) ruft Menschen im gesamten Elbe-Weser-Raum dazu auf, sich der bundesweiten „Aktion Lichtfenster“ anzuschließen. „Gerne nehmen wir als evangelische Kirche die Anregung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf, ein Licht zum Gedenken an die Opfer der Corona-Pandemie ins Fenster zu stellen.“

Jeweils Freitagabends mit Beginn der Dämmerung gilt die Einladung, eine Kerze sichtbar ins Fenster zu stellen. Der Bundespräsident beabsichtigt, die Aktion mindestens bis April fortzusetzen. Er hat zudem eine bundesweite Gedenkveranstaltung für die Opfer in der Pandemie angeregt.

„Mit den ,Lichtfenstern‘ verbinden wir das Gedenken an all die Menschen, die an Covid-19 in den letzten Monaten verstorben sind“, so der leitende Theologe für das Elbe-Weser-Dreieck. Eine öffentliche Trauerkultur sei angesichts der großen Verstorbener wichtig für unsere Gesellschaft. Hinzu komme: „Viele sind einsam gestorben, weil Besuche im Krankenhaus oder Pflegeheim nicht möglich waren. Das war und ist für Sterbende, ihre Angehörigen und auch für das Pflegepersonal eine extreme Belastung.“ Aber auch für an Corona-Erkrankte und ihre Familien sei die Situation noch immer beängstigend. „Wir denken aber auch an alle anderen Verstorbenen und ihre Familien, die seit Beginn der Pandemie unter Corona-Bedingungen bei Beerdigungen nur im kleinsten Kreis Abschied von ihren Lieben nehmen mussten. Auch das ist schwer.“

Mit der „Aktion Lichtfenster“ solle, so Brandy, eine öffentliche Sichtbarkeit erreicht werden. „Das Licht steht für Christinnen und Christen aber auch für den Glauben daran, dass das Leben stärker ist als Tod. Das Licht der Osterkerze erinnert uns an die Auferstehung Jesu und damit an unsere Hoffnung, die über den eigenen Tod hinausgeht.“ Gerade in den kommenden Wochen der Passions- und Osterzeit könne dies ein ermutigendes Signal und ein tröstendes Symbol sein.

In den Sozialen Medien können auf den Kanälen der hannoverschen Landeskirche unter #Lichtfenster künftig an jedem Freitag Fotos veröffentlicht werden. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat zudem unter www.ekd.de/aktion-lichtfenster-62441.htm eine Themenseite zur Aktion zusammengestellt.

Sonja Domröse, Pressesprecherin Sprengel Stade

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