Das Licht der österlichen Sonne leuchtet

Das Auferstehungsfenster im Kloster Locum

Ein Osterfenster. Grab und Auferstehung. Das Bild ist bestimmt von einem hellen Gelb, vom Licht der österlichen Sonne. Wenn draußen die Sonne scheint, hat das Fenster eine wunderbare Leuchtkraft.

Dieses Glasfenster ist neu im Kloster Loccum zu betrachten. Zum 850. Jubiläum, das in diesem Jahr gefeiert wird, ist es jetzt in der Klosterkirche eingesetzt worden. Das kleine Fenster stammt von Johannes Schreiter, dem wohl bedeutendsten zeitgenössischen Künstler für Kirchenfenster.

Unten im Bild ist das Grab zu sehen, ein dunkler, viereckiger Kasten. Der Ort des Todes, der Trauer. Für mich aber auch Sinn-bild von eingemauerten Lebensmöglichkeiten, von Leben, dem keine Entfaltung erlaubt wird. Das Grab aber ist aufgesprengt. Von oben ist eine Kraft eingebrochen, die das Grab zerborsten hat. Der Tod hat seine Macht verloren. Der Weg in die Freiheit ist offen. Ein heller Streifen des Lichtes Gottes reicht bis in die Tiefe des Grabes hinein. Nach oben durchbricht dieser beinahe weiße Schein den Rahmen des Bildes: Durch Ostern sind die Grenzen unserer Wahrnehmung, auch unseres Verstehens überschritten. Gottes Kraft selbst verschafft sich Geltung, bricht ein in unsere Welt der Gräber, schafft neue Lebensmöglichkeit und taucht alles in ein beinahe blendendes Licht.

Mitten in dem weißen Streifen kreuzen sich zwei schwarze Linien. Ich sehe darin die Reste des Kreuzes. Am vertikalen Stamm sind mit der roten Farbe noch die Wunden Jesu am Kreuz markiert. Ostern ist nicht einfach eine große Schönfärberei. Wir feiern die Auferstehung des am Kreuz Gestorbenen. Die Erfahrung von Tod und Gottesferne ist uns nahe. Aber gerade da leuchtet das österliche Licht auf. Und in seinem Licht wird das Kreuz erkennbar als das, was es ist: Es wird zu einer großen Linie, die die Tiefen und Abgründe unserer Existenz mit dem Himmel verbindet.

Rechts reicht eine ganz neue Far-be in die Welt hinein: Rot – Farbe der Liebe. Violett – Farbe der Erlösung. Diese Farbe entsteht beim Brennvorgang, wenn man goldene Farbe in ein Fenster einbringt. Gold, Farbe der Ewigkeit, wird zur Farbe der Liebe.

In Loccum findet man das neue Fenster neben der alten Totentür. Durch sie wurden die Toten aus der Kirche auf den Friedhof getragen. An diesem Weg leuchtet nun das Oster-Fenster und erin-nert: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Wir Menschen sind mehr als Sternschnuppen, die nur kurz aufglühen. Im Sterben und im Leben sind wir beschienen vom Licht Gottes.

Einige schwarze Linien durchziehen das Bild noch. Es ist nicht frei von Brüchen. So wie unser Leben, unsere Biographien, unsere Familien nicht ohne Brüche sind. Aber hinter allen Lebenslinien, die ich manches Mal nicht verstehe, leuchtet das Licht der österlichen Sonne. Im Vertrauen auf Gottes lebensschaffende Kraft kann ich meinen Weg gehen.

Landessuperintendent
Dr. Hans Christian Brandy, Stade