In der Nähe des Guten leben

Nachricht Celle, 11. September 2012

Pastoren-Jahrestagung fragte nach ethischen Maßstäben für christliches Handeln

Celle. Ethische Maßstäbe für christliches Handeln in der Welt sind ein „Schatz zur Humanisierung der Gesellschaft“. Das sagte Gerhard Wegner, Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland, in seinem Vortrag beim Generalkonvent des Sprengels Lüneburg. Vor den rund 300 Pastoren der zwölf Kirchenkreise im nordöstlichen Niedersachsen, die auf Einladung von Landessuperintendent Dieter Rathing in der Lobetalarbeit in Celle zusammengekommen waren, betonte Wegner den Wert christlicher Orientierungen: „Sie beschreiben ein Leben in der Nähe des Guten.“

Als erstes Beispiel nannte der Sozialwissenschaftler das Mitleiden mit Menschen in Not. Was er mit dem Gebot der „Wechselseitigkeit“ meint, verdeutlichte der Referent an der Frage, wie hoch Managergehälter sein dürften: „So hoch, dass der Chef seinem Angestellten mit der geringsten Entlohnung noch unter die Augen treten kann“ und der Geringverdiener versteht, dass sich sein Job dem Unternehmenserfolg verdankt. Der Mindestlohn habe „immense Anerkennungsfunktion“, nahm der Sozialwissenschaftler Stellung zur aktuellen Diskussion.

Fürsorge als „primäre Wertschöpfungsebene der Gesellschaft“ sowie „treuhänderisches Handeln“ nannte Gerhard Wegner als weitere ethische Maßstäbe. Letzteres habe gerade auf den Finanzmärkten zu gelten, die indes weithin spekulativ agierten. Schließlich nahm der Referent den christlichen Berufungsgedanken auf: „In einer gerechten Gesellschaft können möglichst viele Menschen ihre Berufung ausleben.“ Die Gesellschaft sei eine Gemeinschaft von Menschen, die zusammenwirken. „Die Kooperations-gemeinschaft ist mehr wert als die Wettbewerbsgesellschaft“, so Wegner.

 Anschließend gaben Vertreter der Agrar-, Automobil-, Finanz- und Energiewirtschaft Auskunft über ihre Handlungsmaßstäbe. VW habe sich inzwischen der „ökologischen Nachhaltigkeit“ verschrieben, berichtete beispielsweise Günter Damme, im Konzern weltweit verantwortlich für die Weiterentwicklung des Umweltmanagements in den VW-Standorten. Ökologie und Ökonomie seien nach einer Vorgabe des Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn gleich wichtige Ziele für 2018. Der „integrierte Umweltschutz“ gelte von der Forschung bis zum Recycling, erläuterte der Manager.
Als Nahrungsmittelproduzent sei der Bauer mehr als nur Unternehmer, mahnte Werner Hilse zur Wahrung von Handlungsmaßstäben. Der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes und Vorsitzende des niedersächsischen Landvolks bekannte sich in dem Zusammenhang zur Kreislaufwirtschaft, die Idee: Rohstoffe gelangen nach ihrer Nutzung vollständig in den Produktionsprozess zurück. In anschließenden Gesprächsrunden gab es die Möglichkeit zur Diskussion.

Ob es um sozialverträgliche Geldanlagen, „saubere Energie“, Ressourcen schonende Mobilität oder etwa die Bewirtschaftung verpachteter Ackerflächen geht: Überall müssten die Kirchenkreise und Gemeinden Entscheidungen treffen, machte Landessuperintendent Dieter Rathing die Bedeutung des diesjährigen Themas deutlich. Während Landvolk-Präsident Hilse der Kirche bei strittigen Themen vor allem eine moderierende Rolle zuwies, sah Ralf Meister die Notwendigkeit, etwa in der Frage der artgerechten Tierhaltung Position zu beziehen. „Da wünsche ich mir manchmal mehr Mut“, bekannte der Landesbischof.

Hartmut Merten