Kirche auf der Grünen Woche

Nachricht Berlin, 20. Januar 2016

50 Zentner Heide-Kartoffeln und 310 Kilogramm Quark hatte Sabine Block im Gepäck, als sie zur Internationalen Grünen Woche nach Berlin reiste. Die Kreisvorsitzende der Lüneburger Landfrauen präsentierte mit ihrem Team ein typisches Erzeugnis ihrer Heimat, um für die Region zu werben. Auch Landessuperintendent Dieter Rathing ließ sich die erlesene Knolle schmecken. Und nutzte die Gelegenheit auf der Messe zu Gesprächen rund um die Kirche auf dem Lande.90 Jahre nach der ersten Grünen Woche trafen sich Landwirte, Vertreter landwirtschaftlicher Verbände und Politiker kürzlich zu der traditionellen Leistungsschau auf dem Messegelände der Bundeshauptstadt. Aussteller aus aller Welt, darunter das diesjährige Partnerland Marokko, öffneten den Blick auf andere Kulturen. Doch wie in den Vorjahren gab es auch diesmal Proteste gegen die Auswüchse der „Agrarindustrie“. An den Kundgebungen der Initiative „Wir haben es satt“ beteiligte sich auch das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt.

Dafür wiederum musste die Referentin für Kirche und Landwirtschaft im Haus kirchlicher Dienste, Pastorin Ricarda Rabe (Hannover), teils heftige Kritik von Vertretern der konventionellen Landwirtschaft einstecken. Die Frage des Einsatzes von Gentechnologie und die Sorge um das Tierwohl waren ebenfalls Gegenstand ihrer Gespräche, berichtete die Landwirtschafts-Pastorin der hannoverschen Landeskirche. Sie sehe es als ihre Aufgabe an zu moderieren, erklärte die Theologin, und: „Ich bringe ethische Fragen ins Spiel, damit nicht nur die wirtschaftlichen Themen im Zentrum stehen.“

Auch Landessuperintendent Rathing sieht die Aufgabe der Kirche darin, das Gespräch zwischen den Parteien in Gang zu halten. „Und ich möchte Haltungen der Kirche verständlich machen“, sagte der Regionalbischof. Dazu gehöre zum Beispiel auch der Umgang mit Pachtland.

Ein Forum bietet die Grüne Woche jedoch nicht nur für landwirtschaftliche Themen. Auch Wirtschaft und Tourismus sowie Kultur und Politik prägen die Ausstellung. Am „Elbe-Wendland“-Stand erläuterten Vertreter der Städte und Gemeinden dem Landessuperintendenten ein Entwicklungskonzept der ländlich geprägten Region im nordöstlichen Niedersachsen. Es gehe um die wirtschaftliche Entwicklung und die Förderung des dörflichen Lebens.

André Wiese, Bürgermeister der Stadt Winsen (Luhe), weiß, dass die Kirche „die soziale Infrastruktur in den Dörfern stellt“. Der soziale Zusammenhalt funktioniere über Kirche, Feuerwehr und Sport, so Wiese. „Aber die stehen heute alle unter enormen Herausforderungen“. Die sogenannte Leader-Region „Elbe-Wendland“ wolle die Infrastruktur in den Dörfern zukunftsfähig machen.

Einen Besuch stattete Rathing auch dem Stand des Kirchlichen Dienstes auf dem Land ab, der von evangelischer Kirche und katholischer Landvolkbewegung gemeinsam organisiert wird. Die hölzerne Kirche mit Turm und einem etwa zehn Menschen Platz gebenden „Kirchenschiff“ bildet einen Hingucker in Halle 3.2. Kleine geistliche Impulse und das tägliche Abendgebet bieten den Besuchern im Messetrubel eine Oase der Ruhe an. „Hauptproblem sind Konflikte in den Betrieben“, erklärt Hermann Witter von der badischen Landeskirche als Gesprächspartner vor Ort. „Deshalb ist der Kirchliche Dienst auf dem Land so wichtig.“

Im kommenden Jahr wird die Präsentation des Kirchlichen Dienstes auf dem Lande federführend von der hannoverschen Landeskirche organisiert, hauptverantwortlich von Ricarda Rabe. Doch Landessuperintendent Rathing, der auch Vorsitzender des Evangelischen Dorfhelferinnenwerks Niedersachsen ist, gab der Landwirtschafts-Pastorin umgehend sein Versprechen: „Nächstes Jahr komme ich wieder und mache zwei Tage Stand-Dienst.“

Hartmut Merten