"Zeit für Freiräume"

Nachricht Lüneburg, 20. Dezember 2019

Landessuperintendent Dieter Rathing hat sich vorgenommen, etwa monatlich einen Text zur landeskirchlichen Initiative "Zeit für Freiräume 2019" zu schreiben. An dieser Stelle veröffentlichen wir die Beiträge fortlaufend...

Meditationen von Landessuperintendent Dieter Rathing

Josef seine Suppe (Dezember 2019)

Ob Maria die Suppe ausgelöffelt haben wird? Josef kocht. In den Genrebildern, die wir aus dem Mittelalter kennen, kommt das schon mal vor.[1] Josef wird aktiv in einem Freiraum abseits der Krippe gemalt. Da ist er mehr als ein tumber Komparse, der mit der Funzel einer Laterne eher überflüssig wirkt. Es gibt ein Bild, da unterhält er sich am Zaun angeregt mit einem Hirten, während Maria ihr Kind anbetet. Ein anderes zeigt ihn, wie er Eier und eine Gans anschleppt. Woanders erinnert Josef stark an heutige Männer, wenn sie sich mühen, einen Grill zum Glühen zu bringen: Er facht mal mit dem Blasebalg, mal mit der Kraft seiner Lunge das Feuer an. Josef kocht.

Auf diesem Bild kocht Josef auch. Aber, herrje, seine Suppe kocht über! Und jetzt weiß ich gar nicht, wo ich den „Freiraum“ in diesem Bild zuerst finden soll. Ist es der Freiraum, den Josef sich sucht, um aus dem Modus von Anbetung und Verehrung des Kindes einmal herauszukommen? Nach dem Motto: Nun ist tätige Nächstenliebe angesagt. Der Worte sind genug gewechselt, jetzt sind die Windeln mal dran. Oder ist es der Freiraum, aus den häuslichen Pflichten heraus zur Krippe zu schauen? Die sprichwörtliche „Besinnung“ im (weihnachtlichen)  Alltagsgeschäft. Nur die Suppe macht auch nicht satt.

Aber, herrje, die Suppe kocht über! Wahrscheinlich ist sie auch angebrannt. Dann kocht sie halt über. Dann ist sie eben angebrannt. Sorry, Maria!!!! Ich bin eben auch nur Josef. Ein Mann. Aber dein Mann! Und der hat nun mal für’s Praktische was über. Zweite Variante: Und der kann es sich in allem Praktischen auch nicht verkneifen, mal zur Krippe zu schauen. Löffeln wir die Suppe jetzt gemeinsam aus? Manchmal scheinen Freiräume ihren Preis zu haben.


[1] Vgl. Walter Pötzl: Die Aktivitäten des (heiligen) Joseph im gotischen Weihnachtsbild. Kalendarien, Legenden, mündliche Überlieferungen, Lieder sowie Spiele und ihre Rezeption im Bild, S. 71–119, in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 2014, hrsg. von der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Institut für Volkskunde, München 2014.

Hat Jesus eigentlich nur gegottet? (September 2019)

Neulich beim suchenden Blättern durch die Evangelien. Ich lese die Anfänge der biblischen Abschnitte. Jesus am Meer, Jesus in der Synagoge, Jesus auf dem Berg. Jesus „treibt seine Jünger“, steigt in Boote, geht von irgendwo weg oder kommt irgendwo an. Jordanufer, Tyrus, Galiläa. Besaida, Kapernaum, Jericho, Betfage, Jerusalem. Immer wieder „eine große Menge“ um ihn, mal 4000, mal 5000. Und „er sprach“ und „er sprach“ und „er sprach“. Blinde, Taubsumme, Besessene, Aussätzige, Kinder. Der Hauptmann, die Schwiegermutter, der Jüngling, Maria und Martha. Antworten und lehren, gleichnissen und speisen, verkündigen, vergeben, verfluchen, segnen und heilen. Auf Hochzeiten Speisemeister. Im Kornfeld Streitschlichter. Selbst in der Wüste nicht allein. Zum Teufel! Hat Jesus eigentlich nur gegottet?

Vor meinen Augen erscheint aus Pasolinis Film „Der Menschensohn“ ein über die Hügel Galiläas rennender Jesus. Der vom großen Ziel Getriebene und Gejagte, mit Tempomat auf Bleifuß gestellt. Muße Fehlanzeige. Vor lauter Aufgaben atemlos. Vom Regime des guten Worts und der guten Tat regiert. Einer, der nur in dem besteht, was er für andere tut. Dienstbote der Erlösung. Rettungsfunktionär. Die Person als Inbegriff des Programms. Seine Persönlichkeit geht restlos auf in ihren Pflichten. Im Himmel für den Vater, auf Erden für die Menschen. Heilsbeauftragter 24/7/365.

In der Tat, die klassische Theologie sieht in Jesus eine fest verplante Größe. Von Ewigkeit her steht fest, welche Aufgaben er zu erfüllen hat. Ja, er ist nichts anderes als der „Vollbringer von Aufgaben“, an deren Ende die Erlösung des Menschgeschlechts steht. Das Bild einer selbstständigen Persönlichkeit mit ihr eigenen Spielräumen ist nicht denkbar. Nach dieser, ganz von der Aufgabe her bestimmten Lesart seines Lebens konnte Jesus also nichts anderes als „gotten“.

Der Jesus, den ich in seinem „Erlösungswerk“ – auch! – sehe, ist dagegen manchmal arbeitslos, er hängt zuweilen auch mal rum. Die längste Zeit seines irdischen Weges verbringt er als unbekannter Handwerker, bei Markus wird er als Zimmermann angesprochen. In den Augen seiner Sippe ist er ein Sonderling, der schleunigst in die häusliche Disziplin zurückgebracht werden muss. In allen Evangelien gibt es beiläufig die Formulierung „Jesus ging allein“ irgendwohin – und da ist dann auch nicht vom Beten die Rede. Jesus geht einfach mal allein irgendwo hin.

Ich gebe zu: Das Spontane und Zufällige, die „Freiräume“ an ihm muss ich mehr ahnen, als dass die Evangelien sie benennen. Die „Freiräume“ werden nicht erzählt. Und doch finde ich: Das theologische Konzept, Jesu Lebensgang in einen gezielten Verlauf zu bringen, hat etwas Gewalttätiges an sich, hat zumindest mit vielen Ausblendungen zu tun.

Vor der Sturmstillung hat Jesus im Boot gelegen und geschlafen. In der Auslegungsgeschichte wird dieser Schlaf oft als Teil seiner Aufgabe gedeutet. Die Aufgabe hieß: Den Jüngern Vertrauen demonstrieren. Aber hat Jesus nur geschlafen, um dann etwas Heilsrelevantes zu sagen oder zu tun?

Soll Jesus wirklich mit seinen Jüngern ins Kornfeld gegangen sein in der festen Erwartung, dass die dummen Jungs irgendwann Ähren raufen werden und daraufhin die Pharisäer aus der Furche kommen? Oder kann’s nicht auch oder vielleicht sogar zuerst ein Stück schöpfungsfreundlicher Gemütlichkeit gewesen sein?

Und dann steht da ein ebenso schlichter wie schöner Satz bei Matthäus: “Da ließ Jesus das Volk gehen und kam heim.“ (Mt. 13,36) Jesus ist also auch einfach mal heimgekommen. Darf es nur eine Vermutung sein, dass er es genossen hat? Darf ich nur spekulieren, ihm wäre auch mal langweilig gewesen? Ich weiß, das ist in der geschäftigen Atmosphäre unserer Welt und unserer getriebigen Kirche ein kaum denkbarer Zustand. In der „Zeit für Freiräume“ erlaube ich mir, diesen Zustand zu denken.

Und ich denke mir weiter, es hätte bei Jesus auch ein freies Gefallen an den Menschen gegeben und eine ganz zwecklose Freude an der Schöpfung. Ich glaube, er konnte die Liebe zwischen Zweien mitfeiern in einer Hochzeit und die Einladung zu einem guten Essen annehmen. Auch das könnte für den göttlichen Logos doch etwas bedeuten: Die Gastfreundschaft der Kreaturen einfach genießen.

Wenn ich unbefangen im 1. Buch Mose lese, wie liebevoll und feierlich das Land der Schöpfung vor meinen Augen ausgebreitet und für gut, ja für sehr gut befunden wird, dann entsteht spontan die Erwartung, dass diese Wirklichkeit es für immer wert sein müsse, beachtet und geschätzt zu werden. Auch von Himself. Auch ohne den Spezialauftrag Erlösung.
Mit welchem Spezialauftrag auch immer Sie unterwegs sind: Gotten Sie gerne. Aber vergessen Sie das Heimkommen nicht.

Wenn der Lehm manchmal nicht ganz glatt zu ziehen ist (August 2019)

Anfang August habe ich mich fünf Tage auf dem Bau versucht. Unter anderem hatte ich es mit Lehmputz zu tun. Kurz beschrieben geht es darum, auf einen ebenen Untergrund mit einem Putzbrett zunächst ganz grob eine feuchte Lehmmischung aufzutragen und diese dann so lange glatt zu streichen bis eine einheitliche, feine Wandoberfläche entsteht. Zuerst ein Wunder: Das Lehmgemisch bleibt wirklich an der Wand kleben! Na ja, bei mir das meiste davon, immerhin. Beim folgenden Glattstreichen hätte ich allerdings noch ein kleines zweites Wunder mehrmals nötig gehabt. Denn an bestimmten Stellen will und will sich keine glatte Fläche einstellen. Ich reibe und wische, streiche und streichele die Wand, verwende alle verfügbaren Kellen und Spachtel, Reibebretter mit und ohne Schwamm. Aber was passiert? Hässliche Minikiesel tauchen unvermittelt aus dem Putz auf und reißen teuflische Spuren, fiese kleine Krater entstehen aus dem Nichts heraus, zuweilen fällt – ich revidiere das mit dem Wunder – ein ganzes Stück Lehmputz stumpf auf den Boden. Hiiilfe! Die kommt auch (nach meinem Feierabend) in Person von Daniel, ein erfahrener Lehmputzer, der auf dem Bau ohne zweite Wunder auskommt. Handwerker.

Am Abend lese ich in Jonathan Magonets „Einführung ins Judentum“. Er schreibt von der jüdischen Praxis der „Auslassung“: „In jedem Haus werden Juden angewiesen, einen Teil der Zimmerdecke unverputzt zu lassen, als Erinnerung und Zeichen der Trauer darüber, dass der Tempel zerstört ist.“ (Jonathan Magonet, Einführung ins Judentum, Berlin 2003, S. 264)Das wär‘s doch, einen Teil der Decke – bei mir: der Wand – unverputzt lassen. Ich hätte da auf meinem Bau mehrere Stellen anzubieten gehabt …

Unverputzte Teile. Unvollkommene Stellen. Freiräume lassen. Wenn der Lehm nicht halten will. Wenn die Wand nicht glatt wird. Wenn alle Liebesmüh umsonst, alle Handwerkskraft nicht reicht, aller gute Wille ins Leere läuft: Freiräume lassen. Bei mir nicht als Zeichen für den zerstörten Tempel in Jerusalem. Bei mir als Erinnerung an verbrauchte Kraft – und die Arbeit hatte doch keinen Erfolg. Viel versucht – aber Löcher sind geblieben. Auf ein kleines Wunder gewartet – besser wäre es, mit meinen Grenzen zu leben. Hilfe, Daniel!

Und noch etwas haben unverputzte Stellen. In ihnen steckt eine Verheißung. Da steht noch was aus! Da werden Spätere vielleicht noch mal rangehen. Daran werden Andere vielleicht mal ihre Kunst beweisen. Kannst du gönnen, indem du Freiräume lässt? Jetzt könnte ich fein schließen mit dem Gedanken des Glaubens, dass am Ende, ganz am Ende, Gott der sein wird, der unsere unverputzten Stellen schließt und unsere Unvollkommenheiten glatt zieht. Aber dafür fehlt mir der Glaube. Oder anders gesagt: Dazu glaube ich zu fest an den Gott, der auch mit den offenen Stellen, den unverputzten Seiten unseres Tuns, mit den Freiräumen, die wir lassen, fertig wird. Ich glaube für Gott muss da gar nichts gerade gezogen werden. Mit offenen Stellen, mit offenen Wunden kennt er sich aus, er weiß um sie und, ich glaube, er hält sie aus.

Ob die späteren Bewohner in dem Haus mit „meiner“ Lehmwand eine unverputzte Stelle ausgehalten hätten, glaube ich nicht. Aber – zusammen mit Daniel! – könnte ich ihnen nach allem guten Handwerk die eine oder andere Unvollkommenheit schon zeigen. Damit werden sie leben. Müssen. Weil der Lehm manchmal einfach nicht wirklich ganz glatt zu ziehen ist.

Landessuperintendent Dieter Rathing, August 2019

Freiräume aus fremden Federn (Juli 2019)

Foto: Jens Schulze

Schafe sind ängstlich und blöd, wenn der Mensch naht; sie haben Schläge und Steinwürfe des Übermuts kennengelernt. Aber wenn er ruhig stehen bleibt und in die Weite starrt, vergessen sie ihn. Sie stecken dann die Köpfe zusammen und bilden, zehn oder fünfzehn, einen Strahlenkreis, mit dem großen, lastenden Mittelpunkt der Köpfe und den andersfarbigen Strahlen der Rücken. Die Schädeldecken pressen sie fest gegeneinander. So stehen sie, und das Rad, das sie bilden, regt sich stundenlang nicht. Sie scheinen nichts fühlen zu wollen als den Wind und die Sonne, und zwischen ihren Stirnen den Sekundenschlag der Unendlichkeit, der im Blut pocht und sich von einem Kopf zum andern mitteilt wie das Klopfen von Gefangenen an Gefängnismauern.

  • aus: Robert Musil, Nachlass zu Lebzeiten, S. 26

So erzählt man im Judentum von einem der ganz großen „Wunder“, welches ein chassidischer Rabbi einmal wirkte: Es war auf einer Bahnfahrt; „die Strecke war durch Schneewehen versperrt“, es war ein Freitagnachmittag. Die Männer schaufelten und arbeiteten, um die Strecke freizubekommen; endlich war es soweit, doch da war schon der Sabbat angebrochen, wo kein Zug fahren und kein Rad sich drehen darf. Die Männer fluchten, die Frauen froren, die Kinder weinten, - was tat da der Rabbi? Er breitete die Arme aus über die Männer und Frauen und Kinder, sprach über sie den Segen und wirkte das Wunder: Links vom Gleise stand der Sabbat, rechts vom Gleise stand der Sabbat, doch mitten dadurch fuhr der Zug! – Wo irgend es „Rabbis“ gibt, die selbst das Tabu eines noch so strengen, eines noch so göttlichen Gesetzes durchbrechen, um der Menschlichkeit freie Bahn zu verschaffen, ereignet sich wirklich eines der ganz großen Wunder des Lebens. 

  • aus: Eugen Drewermann, Das Lukas-Evangelium Band 1, S. 323f. 

So siehe nun hier zumal in meinem Fall, wie schwierig es ist, sich aus Irrtümern herauszuwinden und zu befreien, die durch das Vorbild der ganzen Welt verfestigt und durch lange Gewöhnung gleichsam in Natur verwandelt sind. Wie wahr ist doch das Sprichwort: »Gewohntes zu lassen ist schwer.“ Und: »Die Gewohnheit ist unsre zweite Natur.“ Und wie wahr sagt es Augustin: „Gewohnheit wird Zwang, wenn man ihr nicht widersteht.“ 

  • Martin Luther, 1545 

„Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut.“

  • Pippi Langstrumpf

„Der frühe Vogel fängt den Wurm. Aber die zweite Maus frisst den Käse.“

  • Manager-Weisheit

„In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst.“

  • Augustinus, 354-430, Kirchenlehrer und Philosoph

„Seht, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“

  • Lukas 17,21

„Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt.“

  • Mahatma Gandhi, Rechtsanwalt, Pazifist, Menschenrechtler, 1869-1948

„Der Vernünftige verliebt sich leicht in Systeme. Er ist immer geneigt, seinen Instinkten zu misstrauen.“

  • Hermann Hesse

„Wenn ein Blatt sich bewegt, wird auch der Baum erzittern.“

  • aus Japan

„Es gibt nur eine falsche Sicht: der Glaube, meine Sicht sei die einzig richtige.“

  • Nagarjuna, buddhistischer Lehrer, ca. 2.Jh. n. Chr.

„Ein jegliches hat seine Zeit, und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.“

  • Kohelet 3,1

„Man entdeckt keine neuen Weltteile, ohne den Mut zu haben, alle Küsten aus den Augen zu verlieren.“

  • André Gide, franz. Schriftsteller, 1869-1951

„Das Unmögliche ist oft einfacher als das Schwierige.“

  • Daniel Barenboim, Stardirigent und Pianist, geb. 1942 in Buenos Aires

„Jeder Mensch bestimmt das Schicksal der Welt.“

  • Martin Buber, jüd. Religionsphilosoph, 1878-1965

„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“

  • aus China

„Auch sollt ihr […] haben, als hättet ihr nicht! Ich möchte aber, dass ihr ohne Sorge seid.“

  • Paulus, im 1. Brief an die Korinther, Kap. 7 

Wir sind Unterbrecher – von Glaubens wegen (Juni 2019)

Foto: Lotz

Von dem katholischen Theologen Johann Baptist Metz (*1928) stammt die wahrscheinlich „Kürzeste Definition von Religion: Unterbrechung“.1 Dabei scheinen die beiden auf den ersten Blick ein recht ungleiches Paar zu sein. Bei Religion denken wir an Tradition, an Fortführung des ewig Gleichen. Bei unserer „Religionsarbeit“ an viel eingeübte Routine. Von Unterbrechung keine Spur. 

Erst auf den zweiten Blick geben sie sich als schönes Paar zu erkennen: Religion und Unterbrechung. Menschen, die religiöse Erfahrungen machen, beschreiben das häufig als Unterbrechung ihres Alltags. Der Besuch in einer Kirche oder eines Gottesdienstes. Die Arbeit Arbeit sein lassen. Sich Abstand gönnen zu dem, was einen gerade umtreibt. Wo stehe ich? Was will ich ändern? Was könnte Gott von mir wollen? 

Wie war das nochmal bei Paulus? Als Saulus vom Pferd gerissen! In seiner „Religionsarbeit“ heftig unterbrochen und danach von Gott in eine ganz andere Richtung geführt. Oder bei Martin Luther: Im Gewitter überrascht und zum Mönch berufen. Unterbrechung heißt, der Lauf der Dinge wird vorübergehend angehalten. Ein Innehalten, ein Überprüfen des eigenen Denkens, des mitgeführten Gepäcks. Unterbrechung heißt auch, danach geht es weiter. Reicher um eine Erfahrung, eine Einsicht, eine Antwort. Eine Unterbrechung unterbricht, aber zerbricht nicht. 

In der Religion sind Unterbrechungen eingebaut: Der Sabbat im Judentum, der Sonntag bei uns. Aus den Klöstern kennen wir die Tagzeiten-, aus dem Islam fünf Tagesgebete. Johann Baptist Metz sieht das Gebet als einen „Ort des Widerstands, weil es ein Wagnis bedeutet, aus den scheinbar unhinterfragbaren Plausibilitäten der uns umgebenden Welt herauszutreten“. Etwas einfacher gesagt: Sachzwänge entlarven, aus Hamsterrädern rausspringen, der Schnappatmung ein Schnippchen schlagen. 

Unterbrechungen sind mehr als Glückskekse für geistliche Selbstfindung, mehr als Rezepthäppchen für eine ganzheitliche Work-Life-Balance. Sie haben auch eine gesellschaftliche Dimension. Wie viele Empörungsschleifen hätten nicht eine Unterbrechung verdient? Sekundenschnelle Tweets und pausenlose Postings ebenfalls. Und was ist mit unserer eingespielten kirchlichen Debatten- und Entscheidungsroutine? 

Eine irritierende Unterbrechung hat Landesbischof Ralf Meister der vergangenen Mai-Synode zugemutet. Er unterbrach seinen üblichen Bischofsbericht und ließ zwei Vertreterinnen der Fridaysfor-Future-Bewegung zu Wort kommen. Mit ihren Erwartungen an kirchliche Beiträge zum Klimaschutz redeten sie dem versammelten Plenum eindringlich ins Gewissen.

Eine heilsame Unterbrechung! Viele Beiträge in der anschließenden Diskussion waren mutiger, persönlicher und selbstkritischer als sonst gewohnt. Diese Unterbrechung hat uns unserer Hoffnung erinnert, erstarrte Strukturen in Frage gestellt, nach Orientierung und Werten unserer Nächstenliebe gefragt. Es war eine Unterbrechung nicht nur in der Form, sondern von Glaubens wegen. 
 

Du sollst Dich selbst unterbrechen
Zwischen Arbeiten und Konsumieren  
                                                      soll Stille sein und Freude, 
zwischen Aufräumen und Vorbereiten  
                                                      sollst du es in Dir singen hören,  
Gottes altes Lied von den sechs Tagen  
                                                     und dem einen, der anders ist.  
Zwischen Wegschaffen und Vorplanen  
                                                     sollst Du Dich erinnern an diesen ersten Morgen,  
 Deinen und aller Anfang,  
                           als die Sonne aufging ohne Zweck  
und Du nicht berechnet wurdest in der Zeit, die niemandem gehört  
                                                       außer dem Ewigen.  

Dorothee Sölle 

Schmeißen Sie Ihr Barometer vom Dach! (Mai 2019)

Foto: Lotz

Die Barometer-Frage ist Legende. „Beschreiben Sie, wie man die Höhe eines Hochhauses mit Hilfe eines Barometers ermittelt.“ – ??? Die erwartbare Antwort ist durch die Messwertermittlung für den Luftdruck mit Hilfe der barometrischen Höhenformel zu bestimmen. Das läuft irgendwie auf ... hinaus. Sie wissen schon. Eins. Setzen.

Allerdings, es gibt Alternativen! Zum Beispiel: Sie werfen das Barometer an einem Seil vom Dach des Hochhauses und messen die Länge des Seils bei Bodenberührung. Oder Sie lassen das Barometer vom Dach des Gebäudes herunterfallen und stoppen die Dauer des Falls mit einer Uhr und wenden die Formel zum freien Fall an. Oder bei sonnigem Wetter stellen Sie das Barometer auf und messen die Höhe des Barometers und die Länge seines Schattens. Dann ermitteln Sie die Länge des Gebäudeschattens und errechnen aus einer Verhältnisgleichung die Höhe des Gebäudes. Oder Sie werfen das Barometer vom Dach des Gebäudes und bestimmen die kinetische Energie aus der Verformung des Barometers.

Etwas schlichter geht es auch: Sie besuchen den Hausmeister des Gebäudes und bieten ihm das Barometer als Gegenleistung dafür, dass er Ihnen die Höhe des Gebäudes verrät. Oder das Barometer dient Ihnen als Beschwerer, wenn Sie (wo auch immer) die Baupläne des Gebäudes durchsehen. Oder Sie versetzen das Gebäude durch Anschlagen mit dem Barometer in Resonanzschwingungen, bis es einstürzt – am nächsten Tag steht in der Zeitung, wie hoch es war.

Es gibt Alternativen! Das TINA-Syndrom (There Is No Alternative“) kann bekämpft werden. Mit TATA („There Are Thousands of Alternatives!“). In der Jesusgeschichte läuft auf der TATA-Schiene ziemlich viel. Also Bethlehem, nicht Jerusalem. Hirten, keine Geistlichkeit. Fischer statt Leviten. Frauen am Grab, nicht Apostelmänner. Die Auferweckung kommt auch ganz klar aus dem TATA-Repertoire. Und seine Sprüche erst: „Gebt ihr ihnen zu essen …“ (Mk. 6,37); Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein …“ (Joh. 8,7); „Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern …“ (Joh. 9,3) Da schöpft einer aus der Fülle von TATA.

TATA in der Kirche gibt’s auch. Neulich habe ich aus dem Sprengel von „Gottesdienst on demand“ gehört. In einer großflächigen Gemeinde wohnen um die Predigtstätte herum nur drei, vier Dutzend Evangelische. Der monatliche Sonntagsgottesdienst war mit einer Handvoll von ihnen besucht. Jetzt feiert man (Planung!) verbunden mit gegebenen Anlässen – wenn der Posaunenchor gerade vor Ort probt, wenn die kleine Dorfgemeinschaft sich aus einem bestimmten Anlass sowieso gerade trifft … „Gottesdienst on demand“.

Von woanders lese ich: Eine Gemeinde verzichtet auf feste Gruppen, Kreise und Chöre. Ein Singkreis wird zweimal im Jahr zusammengestellt und dann wieder aufgelöst. Hauskreise gehen nach einem Jahr geplant auseinander. Ein Gemeindekonzept gibt es nicht. Man schaut erst mal, was geschieht, dann wird ein Plan dazu gemacht.

So oder so ähnlich sieht es wohl aus, wenn wir mal ein Barometer von unseren Kirchendächern werfen. Oder uns Freiräume nehmen. Darin denken. Darin handeln. An vielen Orten unserer Landeskirche geschieht das. Schönes oder ganz Schlichtes kommt dabei heraus. Eintagsfliegen oder was für die nächsten Jahre. Mit viel Planung oder ganz spontan. Hier und da suchen auch noch welche nach einem Barometer. Viel Erfolg!

Ansonsten: Die klassische Antwort auf die Barometer-Frage ist weiterhin erlaubt. Siehe oben, nach alter Formel. Auch das gehört zu den „Freiräumen“.

 

Geht doch mal weg! (April 2019)

Foto: Wodicka

In unserer kirchlichen Sozialisation sind wir es gewohnt zu meinen, dass es ein Wert an sich sei, anwesend zu sein, und dass dies fast immer besser sei als abwesend zu sein. Präsenz zu zeigen, macht einen wesentlichen Teil unseres Berufes aus: In Gottesdiensten, bei Patienten, in Gesprächskreisen, auf den Straßen des Dorfes oder der Stadt.

Dieser Dienst der Präsenz ist wichtig und wertvoll. Zu ihm gehört jedoch notwendig eine Ergänzung: Unser Abwesendsein. In beidem erst werden wir in unserem Dienst vollständig. Theologisch erfüllen wir unsere Aufgabe ja auch nicht vollständig, wenn wir nur Gottes Gegenwart bezeugen, die Erfahrung seiner Abwesenheit aber nicht zulassen. Wie mit Gott, so bei uns Menschen. Die Erinnerung bringt uns oft einander näher, als die körperliche Gegenwart es vermag.

In seinen Abschiedsreden sagt Jesus: „Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch.“ (Joh. 16,7) Nur im Erinnern wird wirkliche Nähe zu ihm möglich. In Abwesenheit entsteht neue und persönlichere Gegenwart. Eine Gegenwart, die mitten in Trübsalen Kraft und Halt gibt und die das Verlangen schafft, ihn wiederzusehen. Dietrich Bonhoeffer schreibt: „Der Gott, der mit uns ist, ist der Gott, der uns versucht (Mk. 15,34) … Vor Gott und mit Gott leben wir ohne Gott.“

Wir kennen das: Nähe erwächst aus dem Zusammenspiel von Anwesenheit und Abwesenheit. Wenn ich von zu Hause fort bin, spreche ich mich in schriftlichen Mitteilungen oft besser aus, als ich es von Angesicht zu Angesicht zu sagen vermöchte. Abwesenheit vermag zu klären, zu reinigen, schärfer zu sehen. Bedeutungen brechen im Getrenntsein durch.

Bei unseren Besuchen – zu Hause oder im Krankenhaus – ist es für Menschen wichtig, nicht nur zu erfahren, wie gut es für sie ist, dass wir kommen, sondern auch, dass wir gehen. Die Erinnerung an unseren Besuch kann genauso wichtig werden, wie der Besuch selbst. Es gibt einen Dienst, bei dem unser Weggehen Raum schafft für Gottes Geist. Und Gott kann im Freiraum unserer Abwesenheit auf neue Weise gegenwärtig werden. Im Abendmahl: In Jesu Abwesenheit entdecken wir seine Gegenwart. In der Erinnerung bekommen wir Nahrung.

Müssen wir Vorstellungen von unserer Verfügbarkeit überprüfen? Wenn es einen Teil unsers Dienstes ausmacht, abwesend zu sein, relativieren wir unsere Sicht, verfügbar zu sein? Können wir eine bestimmte Illusion über unsere Unersetzlichkeit demaskieren? Ein Schelm, der Arges dabei denkt! Das ist kein Plädoyer für Abtauchen oder Faulheit.

Es ist eher eine Antwort auf die Frage „Kann ich den Pastor sprechen?“ – „Tut mir leid, sie betet.“ Oder: „Er schläft.“ Oder: „Sie nimmt ihren Urlaub.“ Ich nehme den meinen übrigens vom 8. bis 17. April.

 

Hört doch auf! (März 2019)

Foto: Wodicka

Aufhören hat kein gutes Image. In der Kirche schon gar nicht. Das kommt wahrscheinlich daher, weil die Kirche selber eine ist, die nicht aufhört. Und in der Kirche predigen wir über viele Dinge, die auch nicht aufhören. Die Liebe zum Beispiel. Und Jesus selbst natürlich. Er hört ja nicht auf, bei uns zu sein: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage.“ Wie der Herr, so’s Gescherr, denkt man sich. Angefangen, mitgehangen. Aufhören kommt nicht in Frage. Wer aufhört, gibt auf. Wer aufhört, gibt klein bei. Wer aufhört, hat es eben nicht geschafft. Scheitern und Schwäche. 

Ich finde, das Aufhören hat einen Imagewechsel verdient. Gerade in der Kirche. Wir verstehen doch etwas vom Doppelsinn der Worte. Und da zeigt sich das „Aufhören“ als ein sprachliches Wunderwerk. Denn „Aufhören“ heißt ja nicht nur, von etwas abzulassen, sich abzuwenden, oder etwas zum Ende zu bringen. „Aufhören“ hat auch mit den Ohren zu tun. Auf etwas hören, für etwas aufmerksam werden, einem Menschen oder einer Sache sein Gehör schenken – Auf-Hören. 

Den Verdacht von Scheitern und Schwäche braucht solches Auf-Hören nicht zu fürchten. Im Gegenteil. Es stecken Riesenportionen von Mut und Stärke darin. Der Mut, sich durch Gehörtes verwandeln oder umstimmen zu lassen. Die Stärke, hellhörig und empfänglich zu sein für das, was zu uns spricht, für den, der uns anspricht. Mensch oder Gott. Himmel oder Hölle. Und oft genug mag es ein mutiges Selbstgespräch sein, das mir meine eigenen zum Schweigen gebrachten Möglichkeiten mal wieder zu Gehör bringt. 
Und am Ende kann das Auf-Hören mit den Ohren uns dann wieder zurückbringen zum Aufhören in der Kirche.

Zwei Fragen müssen dafür Antwort finden. Erstens: Worauf müssten wir hören, damit wir mit etwas, das so nicht weitergeht, wirklich mal aufhören können? Zweite Frage umgekehrt: Womit müssen wir in der Kirche aufhören, damit wir fähig werden, auf das, was im Rauschen der Betriebsamkeit unhörbar geworden ist, wieder zu hören? 

 

Zwei mal zwei ist grün (Februar 2019)

Foto: Wodicka

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wir essen jeden Morgen Müsli mit Mandeln und Vollkorn-Cornflakes. Wir fahren immer denselben Weg zur Arbeit. Wir schalten kurz vor 19 Uhr den Fernseher für ZDF heute an. Wie mit dem Tagesablauf, geht es oft auch mit unseren Meinungen und Überzeugungen.

Die alltäglichen Abläufe und lieb gewonnenen Auffassungen haben sicherlich etwas Gutes. Sie sorgen für eine gewisse Berechenbarkeit des Lebens. Sie geben uns im Alltag Sicherheit. Manchmal sind wir aber mehr am Funktionieren als am Leben. Wie kleine Maschinen.

Wenn ein Kind auf die Frage „Was ist zwei mal zwei?“ die Antwort „grün“ gibt, kommt uns das falsch vor. Der Physiker und Philosoph Heinz von Foerster sagt, dass dies mit eben unserer Sehnsucht nach Sicherheit und Berechenbarkeit zusammenhängt. Wie kleine Maschinen erwarten und dulden wir nichts anderes als „vier“. Auch wenn „grün“ unter gewissen Umständen durchaus eine kreative und plausible Antwort sein könnte.

Von Foerster weist darauf hin, dass es einen großen Unterschied zwischen Mensch und Maschine gibt. Unser Gehirn funktioniert anders als beispielsweise ein Rechner. Wenn ich am Computer die Taste „A“ drücke, erscheint der Buchstabe „A“ auf dem Bildschirm. Auch nach der 100. Eingabe taucht weiterhin das „A“ auf.

Das menschliche Gehirn kann jedoch verschieden auf denselben Tastenanschlag reagieren. Wenn die Schwiegermutter sich vor dem ersten Kaffee nach dem Fortschritt bei der Gartenarbeit erkundigt, fällt die Antwort vermutlich anders aus als bei beim Bier mit dem besten Freund. Einem Rechner dagegen ist es egal, wer wann welche Taste drückt.

Die „Zeit für Freiräume“ lädt dazu ein, weniger Maschine und mehr Mensch zu sein. Nehmen Sie gewohnte Muster im Leben unter die Lupe und durchbrechen Sie sie. Ab jetzt gibt es vielleicht Brot mit Marmelade zum Frühstück, Bier mit der Schwiegermutter und Kaffee mit dem Freund. Fünf können auch mal gerade sein. Oder zwei mal zwei grün.

 

Strg+Alt+Entf (Januar 2019)

Foto: Wodicka

Einige kennen das noch. Die ersten unausgereiften Computer. Rechner stürzten regelmäßig ab. Auf dem Monitor bewegte sich nichts mehr. Der PC hängte sich auf. Alles war mit allem aneinander geraten. Altes vertrug sich nicht mit Neuem. Die Festplatte überfordert. Alles zu viel. Aus dem Gehäuse noch sonore Geräusche. Aber die führten zu nichts. Das System simulierte nur noch. Wildes Blinken auf dem Bildschirm.

Danach viel Überlegen. Die Diskette noch mal in den Schlitz? Handbuch lesen? Stecker ziehen? Wildes Blinken weiterhin. Dann kam der sogenannte Klammergriff zum Einsatz: Strg+Alt+Entf. Die Finger sahen immer merkwürdig verkrampft dabei aus. Aber die seltsame Tastenkombination war erfolgreich, meistens. Reset. Neustart. Die Kiste lief wieder. Hätte man das nicht einfacher haben können? Ein großer, runder, grüner Knopf oder so?

Experten erklärten, es sei unvernünftig, einen Reset mit nur einem Tastendruck zu erlauben. Dann würden die Leute ja ständig was „resetten“, aus Versehen, wegen eines eigenen Fehlers oder weil sie zu ungeduldig wären. Wer sich den Neustart zu leicht macht, übersieht seine Ursache. Er wird immer wieder und immer öfter den Knopf drücken müssen. Das System fährt dann vielleicht brav hoch, aber schon bald sind die Probleme wieder da. Meistens nicht kleiner als vorher.

Haben wir in der Kirche auch mal einen Reset nötig? Manche meinen das. Ich auch. Weil wir immer öfter in Gemeinden und Gremien wildes Blinken sehen. „Wir sind überfordert.“ „Alles zu viel.“ Sonore Kirchengeräusche. Das Alte gerät aneinander mit Neuem. „Wofür nochmal sind wir mal angetreten?“ Simulieren wir nur noch? Strg+Alt+Entf?

Ich gebe zu: Manche Ideen und Gedanken dazu sehen auch merkwürdig verkrampft aus. „Freiräume“? „… um des Menschen willen“? Aber den einen, großen, runden, grünen Knopf gibt es nicht. Viel Überlegen. Wer sich den Neustart zu leicht macht, übersieht seine Ursache. Das System fährt dann vielleicht brav wieder hoch, aber … - siehe oben.

In unserer christlichen Tradition haben wir Worte für einen Reset. Sie heißen Umdenken, Umgestaltung, Metanoia. Das ist der harte Kern. Wir erfinden die Welt nicht neu. Auch die Kirche nicht. Wir verändern sie. Und uns auch. Damit die Kiste – pardon Kirche – wieder läuft. Meistens. Hoffentlich.

Metanoia, Umgestaltung ist spießiger als Reformation und Revolution. Ich kann es auch Entwicklung nennen. Evolution. Da gehen die Dinge langsam voran. Solche Veränderungen sind das Ergebnis zäher und mühsamer Anpassungsverhandlungen. Nicht zwangsläufig ein Bruch mit allem, was war. Metanoia ist ein Lernen in kleinen Schritten. Wir bleiben an viele Voraussetzungen gebunden: an alte Versprechen, an Deals, an Erwartungen, an Rücksichtnahmen. An Menschen! An die vor allem. Sie sind die Wichtigsten im ganzen System. Bitte keine Operationen am offenen Herzen!

Der Reset gründet in der Einsicht: Das, was wir tun, ist im Grunde richtig. Wir schütten das Kind nicht mit dem Bade aus. Aber Müll sammelt sich immer an. Dinge verknoten. Routinen erstarren. Abläufe laufen leer. Der Reset bringt das System wieder zur Besinnung. Wir bringen uns zur Besinnung. Ist das Kirche, oder kann das weg? Wo pflegen wir den Schatten von Dingen, die es schon lange nicht mehr gibt? Oder ist fürs Müllrausbringen wieder mal niemand zuständig?