"Friede auf Erden"

Nachricht 22. Dezember 2013

Eine irritierende Krippendarstellung bekam ich in diesen Tagen: Stall und Krippe, Maria und Joseph, Tiere und der Stern – alles vertraut. Aber hinter der Krippe: Eine große Mauer. Den Weisen aus dem Morgenland versperrt die Mauer den Weg zum Kind in der Krippe.

In Bethlehem kann man solche Krippendarstellungen aus Olivenholz heute kaufen. Die Krippe steht vor der Trennmauer zwischen Israel und Palästina. Ein bedrückendes Bild ist das.

Zu Weihnachten richten sich unsere Blicke nach Bethlehem. Wie jedes Jahr hören wir die Botschaft der Engel über dem Stall mit dem Jesuskind: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden.“ Als „Stadt des Friedens“ gilt Bethlehem seither. Jedes Jahr wird in der Geburtskirche ein Friedenslicht angezündet und durch Pfadfinder in ganz Europa weitergegeben – ein wunderbares weihnachtliches Symbol.

Aber Friede auf Erden? Wer heute die kaum zehn Kilometer von Jerusalem nach Bethlehem fährt, muss – wenn er überhaupt fahren darf - eben die Grenz- mauer passieren mit hochgerüsteten Sicherheitskontrollen. Bis zu acht Meter hoch, Stahlbeton, Wachtürme. Der Internationale Gerichtshof hält den Verlauf für illegal. Als Schutz gegen gewaltsame Angriffe und Selbstmordattentäter sehen die Mauer die einen, als widerrechtliche Aus- grenzung und Diskriminierung die anderen. Gerade als Deutsche wissen wir: Auf einer Mauer liegt auf Dauer kein Segen. Der Fall der Mauer war der glücklichste Moment in unserer jüngeren Geschichte.

Die Krippendarstellung vor der Mauer: Sie erinnert an die bleibende Fried- losigkeit in unserer Welt. Mauern stehen zwischen Armen und Reichen, zwischen Deutschen und Migranten, zwischen Europa und Afrika. Mauern oft genug auch in unseren Köpfen. Über dreißig bewaffnete Konflikte gibt es zum Weihnachtsfest 2013 weltweit. Und auch die Sehnsucht nach familiä- rem und persönlichem Frieden erfüllt sich ja sehr unterschiedlich. Bei den einen gelingt ein Familienfest, bei dem viele zusammenkommen und sich freuen. Bei anderen werden gerade zu Weihnachten Spannungen oder Einsamkeit hart spürbar.

Auch Weihnachten 2013 feiern wir nicht in einer heilen Welt. Aber zu Weih- nachten leuchtet etwas von der großen Zusage Gottes auf: Gott überlässt uns nicht unserem Schicksal. Die Trennmauer zwischen Gott und uns ist abge- brochen, er kommt hinein in unsere Welt mit ihren Brüchen und Grenzen, er kommt in unser Leben, in dem wir manches Mal wie eingemauert sind. Kei- ne Mauer vermag in den Schatten zu stellen, was zu Weihnachten in Beth- lehem geschehen ist. Keine noch so hohe Mauer kann verhindern, dass der Stern von Bethlehem über uns leuchtet.

Eine Einladung in den Frieden Gottes ist Weihnachten. Und eine Einla- dung, Mauern zu überwinden und Menschen des Friedens zu sein. So kann immer wieder neu Friede entstehen, wo wir ihn beginnen – allen Mauern zum Trotz und nicht nur zu Weihnachten.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein gesegnetes und fried- volles Weihnachtsfest.

Landessuperintendent
Dr. Hans Christian Brandy, Stade