Friedhofsexperte warnt vor Urne auf dem Kaminsims

Nachricht 23. April 2014

Bremerhaven (epd). Der Theologe und Kunsthistoriker Professor Reiner Sörries sieht die geplante Aufhebung des Friedhofszwanges im Land Bremen aus mehreren Gründen kritisch. Auf die Angehörigen könnten psychische Probleme zukommen, auf Kommunen und Kirchen als Träger herkömmlicher Friedhöfe finanzielle Schwierigkeiten, warnte am Dienstagabend der Direktor des Kasseler Museums für Sepulkralkultur bei einer Diskussion in Bremerhaven. Bremen will als erstes Bundesland ermöglichen, dass Angehörige die Urne mit der Asche eines Verstorbenen in Zukunft zu Hause aufbewahren dürfen.

Würde der Friedhofszwang in Bremen fallen, wäre das nach Einschätzung des Kasseler Experten ein Dammbruch. "Friedhofskulturell guckt die ganze Republik nach Bremen", bekräftigte Sörries. Doch wer die Urne seines Angehörigen auf dem Kaminsims im Wohnzimmer aufbewahre, könne möglicherweise schwerer loslassen. "Die Distanz zum Toten ist wichtig. Die Grabstelle auf dem Friedhof erlaubt, Nähe und Distanz selbst zu bestimmen."

Geschichtlich sind Friedhöfe nach Angaben des Museumsdirektors auch die Errungenschaft einer solidarisch denkenden Bürgergemeinschaft, die kollektive Trauer ermöglichen wollte. Wenn die Urnen zu Hause aufbewahrt würden, schränke das den Zugang zum Trauerort ein: "Das kann besonders für Patchworkfamilien schwierig werden."

Fällt der Friedhofszwang, müsste nach Einschätzung von Sörries überdies die öffentliche Hand als Betreiber von Friedhöfen finanzielle Einbußen hinnehmen. Möglicherweise seien dann höhere kommunale Zuschüsse nötig, um die Gebühren nicht massiv ansteigen zu lassen.

Er selber wünsche sich den Erhalt der Friedhöfe. "Sie sind ein wichtiger Ort kollektiven Totengedenkens und ein sichtbares Zeichen der Endlichkeit in einer Welt, in der der Tod nicht vorkommen soll", betonte Sörries, der auch Geschäftsführer der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal ist.

Die Regierungskoalition in Bremen will den Friedhofszwang lockern und ermöglichen, dass Angehörige die Urne mit der Asche Verstorbener mit nach Hause nehmen können. Auch das Verstreuen in und außerhalb von Friedhöfen soll möglich sein. Im September vergangenen Jahres hatte die Bremische Bürgerschaft den Senat mit der Mehrheit der rot-grünen Regierungsfraktionen beauftragt, eine Novelle zur Lockerung des Bestattungsrechts auszuarbeiten, an dem die zuständige Behörde gerade arbeitet.

Die neue Regelung würde das aus dem Jahr 1934 von den Natio-nalsozialisten eingesetzte und in weiten Teilen noch bis heute gültige deutsche Feuerbestattungsgesetz zumindest teilweise aushebeln.
Danach muss eine Urne mit der Asche des Toten zwingend sofort auf Friedhöfen oder besonders ausgewiesenen Arealen wie Friedwäldern beigesetzt werden.