Kerzen und Klagemauer

Nachricht 09. Juli 2015

Gottesdienstbesucher gedenken der Opfer des Eisdielen-Unfalls in Bremervörde

Ein Lichtermeer im Altarraum, Hunderte Menschen in der vollen Kirche:
Bremervörde hat nach dem schrecklichen Unfall vom Sonntagabend gemeinsam einen Moment innegehalten, um etwas auszuhalten, was kaum auszuhalten ist.

Bremervörde (epd). Nach dem tragischen Eisdielen-Unfall in Bremervörde haben Angehörige, Hilfskräfte und viele andere Bürger der Stadt am Donnerstagabend nahe des Unglücksortes in der evangelischen St.-Liborius-Kirche der Opfer gedacht. Mit Blumen und Kerzen drückten sie ihr Mitgefühl aus, auf dem Altar war eine symbolische Klagemauer aus Backsteinen aufgebaut. "Unvorstellbares Leid ist am vergangenen Sonntag über unsere Stadt hereingebrochen", sagte der Bremervörder Superintendent Wilhelm Helmers in einer Andacht und ergänzte: "Der strahlende Sommertag war von einem Moment zum anderen düster."

Bei dem Unfall am Sonntagabend nur wenige hundert Meter von der Kirche entfernt war eine 59-jährige Frau mit ihrem Wagen ungebremst in eine Eisdiele gefahren. Dabei starben ein zwei Jahre alter Junge und ein 65-jähriger Mann, neun Menschen wurden teils schwer verletzt.

"Wir wollen miteinander aushalten, was kaum auszuhalten ist", sagte der leitende evangelische Theologe Helmers. Das Leben von vielen Menschen sei plötzlich gänzlich verändert, zerstört und verletzt worden. "Wir verstehen nicht, was geschehen ist und suchen verzweifelt nach Erklärungen, um das Unglück fassen zu können."

Noch bevor die Glocken zum Gottesdienst riefen, bildete sich in der Kirche eine lange Schlange mit Menschen, die vor dem Altar Kerzen anzünden wollten. In seiner Andacht betonte Helmers dann, Freunde und Verwandte sorgten sich. Auch Feuerwehrleute, Rettungskräfte, Ärzte und die Polizei stünden fassungslos und innerlich verletzt vor diesem Unglück.

Die Ursache des Unfalls ist noch immer unklar, ein technischer Defekt wird allerdings ausgeschlossen. Noch in der Unfallnacht waren sechs Pastoren vor Ort, unter ihnen Helmers und der leitende Notfallseelsorger der Region, Pastor Andreas Hellmich. "Das war Erste Hilfe für die Seele, aber der Unfall ist weiter Stadtgespräch", sagte Hellmich dem epd.
"Viele Menschen kennen die Opfer und sie bewegt der Gedanke: Ich hätte auch in der Eisdiele sitzen können."

Superintendent Helmers tröstete die Gemeinde mit den Worten, Gott sei in dieser Situation bei den Menschen. Das sei leider kein Schutzmantel, der unverletzlich mache: "Es ist die Zusage, dass er auch in meinem Leid und in meiner Verzweiflung nicht von meiner Seite weichen will. Das allein kann trösten und das allein kann auch stärken."

Zeitgleich hatte auch die evangelische Kirche in Bevern nahe Bremervörde ihre Türen geöffnet, um den Menschen im Ort einen Raum der gemeinsamen Trauer und des Gedenkens anzubieten. Auch dort wurden Kerzen angezündet.

Gegen die Verursacherin hat die Staatsanwaltschaft in Stade zwischenzeitlich ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. Die Frau werde noch immer in einem Stader Krankenhaus behandelt, sagte Polizeisprecher Heiner van der Werp. Er fügte hinzu, sie wolle derzeit vor der Polizei keine Angaben zum Unfallhergang machen und lasse sich von einem Anwalt vertreten.