"Before I die"

Nachricht 03. November 2015

Kirchliche Aktion lässt Passanten öffentlich Lebenswünsche in Worte fassen

Bremerhaven (epd). Die evangelische Kirche in Bremerhaven lädt Menschen dazu ein, auf großen Tafeln öffentlich zentrale Lebenswünsche aufzuschreiben. Bremens Altbürgermeister Henning Scherf eröffnete am Dienstag die Aktion, die bis zum 13. November unter dem Motto "Before I die, I want..." (Bevor ich sterbe, möchte ich...) läuft. Er wünsche sich, dass er mit seinen Kindern und Enkelkindern unter einem Dach leben könne, schrieb er mit Kreide auf eine Tafel. Die Aktion mache deutlich, dass jeder Tag im Leben kostbar sei, lobte der 77-Jährige, der drei Kinder und neun Enkel hat.

Ihren Anfang nahm "Before I die..." auf Initiative der US-amerikanischen Künstlerin Candy Chang in New Orleans. Nach dem Tod eines Angehörigen wollte sie an einer Wand einen Ort schaffen, an dem Passanten ihre Wünsche und Sehnsüchte fest-halten konnten. Mittlerweile seien weltweit mehr als 1.000 Tafeln in über 70 Ländern aufgestellt worden, sagte die Bremerhavener Initiatorin Beate Kopf. 

"Die Tafel ist keine Aufgabenliste, die man jetzt sofort abarbeiten sollte", ergänzte die evangelische Theologin. "Das Projekt soll lediglich daran erinnern, wie einmalig unser Leben ist und wie gut es deshalb wäre, es für die Dinge zu nutzen, die man eigentlich schon immer tun wollte." 

Die Tafeln stehen bis Freitag auf der Bremerhavener Havenplaza. Schon kurz nach dem Start füllten sie sich mit Wünschen. "Einmal um die Welt reisen", "verschiedene Kulturen kennenlernen" oder auch "Mit dem Fallschirm springen" war auf den Flächen zu lesen. Aber auch grundsätzlichere Wünsche wie "in Frieden leben", "Leben lernen" oder "Ohne Reue gelebt haben". Die Aktion sei ungewöhnlich und bewegend, sagte die 57-jährige Renate aus Solingen, die sich wünschte, ihren Sohn "ganz fest zu drücken".

Info: Die Tafeln stehen bis zum 6. November jeweils zwischen 10 Uhr und 18 Uhr Wände auf der Bremerhavener Havenplaza. Vom 9. bis 13. November sollen sie dann jeweils von 15 Uhr bis 18 Uhr im Hauptbahnhof der Seestadt aufgebaut werden.

 

Letzte Wünsche
Kirchliche Aktion lässt Passanten Sehnsüchte öffentlich in Worte fassen 

Von Dieter Sell (epd)

Vielen Menschen fällt es schwer, über Sterben und Tod nachzudenken.Dabei könnte das Leben erfüllter sein, wenn zentrale Fragen nicht ausklammert werden, meinen Experten. Eine Aktion in Bremerhaven regt nun dazu an, achtsamer mit dem Leben umzugehen. 

Bremerhaven (epd). Im Kino sind es die Hollywood-Stars Jack Nicholson und Morgan Freeman, die in dem Film "Das Beste kommt zum Schluss" ihre "Löffelliste" aufschreiben - also eine Liste mit Dingen, die sie noch tun wollen, bevor sie sterben, bevor sie "den Löffel abgeben". In Bremerhaven ist es unter anderen die 57-jährige Renate aus Solingen, die mit Kreide ihren Herzenswunsch auf eine Tafel schreibt. Zu dem öffentlichen Bekenntnis lädt die evangelische Kirche in der Seestadt ein. Viele Passanten beteiligen sich an der Aktion, die unter dem Motto "Before I die, I want..." (Bevor ich sterbe, möchte ich...) läuft.  

"Eine bewegende Idee", sagt Renate, die sich wünscht, ihren Sohn "ganz fest zu drücken und ihm noch mal zu sagen, dass ich ihn liebhabe". Doch bevor sie den Satz formuliert, geht sie an den Tafeln vorbei, denkt ein paar Minuten nach, kehrt dann zurück, um zu schreiben. Das sei es, was die Aktion erreichen wolle, meint Bremens Altbürgermeister Henning Scherf bei der Eröffnung am Dienstag: "Nachdenken darüber, was uns wichtig ist, dass jeder Tag im Leben kostbar ist." 

Auch Deutschlands wohl berühmtester WG-Bewohner Scherf hat sich einen Satz überlegt, den er jetzt schreibt: "Mit meinen Kindern und Enkelkindern unter einem Dach leben", steht bald auf der Tafel. Auch wenn das wahrscheinlich nicht klappen wird, räumt der 77-jährige Vater und Großvater von drei Kin-dern und neun Enkeln ein. Doch auch gelegentliche Treffen mit ihnen in Bremen machen ihn glücklich und geben ihm die Gewissheit, "dass das Leben nach mir weitergeht". 

Dabei ist die Aktion eigentlich gar nicht so existenzialistisch gedacht, meint Initiatorin Beate Kopf. "Die Tafel ist keine Aufgabenliste, die man jetzt sofort abarbeiten sollte, so wie das Jack Nicholson und Morgan Freeman in ihrem Film tun", erläutert die evangelische Theologin. "Das Projekt soll lediglich daran erinnern, wie einmalig unser Leben ist und wie gut es deshalb wäre, es für die Dinge zu nutzen, die man eigentlich schon immer tun wollte." 

Ihren Anfang nahm "Before I die..." auf Initiative der US-amerikanischen Künstlerin Candy Chang in New Orleans. Nach dem Tod eines Angehörigen 2011 wollte sie an einer Wand einen Ort schaffen, an dem Passanten ihre Wünsche und Sehnsüchte festhalten konnten. Mittlerweile wurden weltweit mehr als 1.000 Tafeln in über 70 Ländern aufgestellt.  

In Bremerhaven füllt sich schnell die Tafel, die auf der zentral gelegenen Havenplaza steht. "Mit Delfinen schwimmen", "dass mein Mann nicht ohne mich weggeht", "einmal um die Welt reisen", "verschiedene Kulturen kennenlernen", "mit dem Fallschirm springen" - diese und auch grundsätzlichere Wünsche sind auf der Fläche zu lesen. Etwa "in Frieden leben", "Leben lernen", "ohne Reue gelebt haben" und "meine Eltern glücklich machen".  

Einige Passanten kommen vor der Tafel ins Gespräch. Das sei selten, das Nachdenken über Tod, Sterben und letzte Wünsche werde oft verdrängt, hat Seelsorgerin Kopf erfahren. "Dabei kann das Leben erfüllter und ruhiger zu Ende gehen, wenn zentrale Fragen zugelassen werden und Wichtiges nicht offen geblieben ist." Was sie sich denn selbst wünsche? Die 54-jährige Pastorin muss angesichts ihrer erwachsenen Kinder, die Hunderte Kilometer weit weg wohnen, nur einen kurzen Moment nachdenken:"Meine Familie öfter sehen."