Engel überall

Nachricht Hannover/Bremen, 22. Dezember 2022

Schützende Wegbegleiter und himmlische Sendboten haben Hochkonjunktur

In der Adventszeit und zu Weihnachten haben sie wieder Hochkonjunktur: Überall finden sich Engel, in Filmen und Büchern, in der Werbung, als Glücksbringer. Mal als ehrfurchtgebietende Sendboten oder süße Flügelgeister, als selige Musikanten oder gerüstete Heerscharen Gottes, mal männlich, mal weiblich, mal kindlich. Dazu berichten Menschen immer wieder von Engeln, die ihnen zur Seite standen.

* ENGEL im HIMMELREICH? Wenn es um die Frage nach der Existenz von Engeln geht, legt die evangelische Theologin Margot Käßmann die Bibel als maßgebliches Koordinatensystem an. „In der biblischen Weihnachtsgeschichte beispielsweise wimmelt es geradezu von Engeln“, sagt die ehemalige hannoversche Landesbischöfin und ergänzt: „Sie kündigen Maria und Zacharias die Geburt Jesu an, sie ermutigen die Hirten, das Kind zu suchen. Und später, in der Ostererzählung, erwartet ein Engel die Frauen am leeren Grab.“

* SCHUTZENGEL: Der Theologe und Engelforscher Uwe Wolff aus dem südniedersächsischen Bad Salzdetfurth ist überzeugt: „Engel sind der rote Faden im Leben. Engel sind Wegbegleiter. Wenn sich das Leben wandelt, sind sie zur Stelle.“ In seinem Buch „Die Engel des Lebens“ schreibt der Kulturwissenschaftler, dass sie in Krisenzeiten erscheinen. Am bekanntesten sei der Schutzengel. „Menschen erleben immer wieder unerwartete und unerklärliche Rettungen, und sie haben das Bedürfnis, diese als personale Zuwendung einer höheren Macht zu deuten. Die Rede vom blinden Zufall reicht nicht.“

* WAGENBURG: Der Glaube an Engel ist also gleichzusetzen mit dem Glauben an die Kraft des Guten. Davon war schon der Reformator Martin Luther (1483-1546) vor 500 Jahren überzeugt, als er schrieb: „Wenn uns Gott nicht die lieben heiligen Engel zu Hütern gegeben hätte, welche wie eine Wagenburg um uns lagern, so wäre es bald mit uns aus.“ Seit der Reformation begehen Christen übrigens immer am 29. September den „Michaelistag“, den Gedenktag „des Erzengels Michael und aller Engel“.

* ENGELSARBEIT auf ERDEN: Engel existieren aber auch ganz real, so zum Beispiel die „Bremer Suppenengel“: Seit 1997 versorgen sie in der Hansestadt zwischen Hauptbahnhof und Marktplatz bedürftige Menschen mit Essen und organisieren vor Ort Hilfe zur Selbsthilfe. „Wir sind wenige hauptamtliche und viele ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Geschäftsführer Peter Valtink. Ähnlich arbeiten auch die „Oldenburger Straßenengel“, die sich ebenfalls für obdachlose und besonders bedürftige Menschen einsetzen.

Ebenfalls in Oldenburg arbeitet das DRK-Begegnungszentrum „Kaiser 19“. Es bietet vielfältige und nachhaltige Unterstützung für zugewanderte und geflüchtete Kinder sowie deren Familien - und hat dafür kürzlich den niedersächsischen Integrationspreis bekommen. Das Zentrum leiste „Engelsarbeit auf Erden“, sagte der Laudator bei der Preisverleihung in Hannover.

* GABRIEL bis LUZIFER: Wer mehr über Engel wissen will, ist in der landeskirchlichen Bibliothek Bremen richtig. Kostproben? Da gibt es unter dem Titel „Ein Engel niest“ heitere Erzählungen aus dem Leben eines Pastors genauso wie Informationen zur Kulturgeschichte der Engel („Von Gabriel bis Luzifer“) und - immer auch im Zusammenhang mit Engeln - zur Frömmigkeitsgeschichte und zur Seelsorge. „Wenn Engel lachen“ heißt ein unterhaltsames Buch zur Liebesgeschichte der Katharina von Bora. Faktenorientiertes Schwarzbrot mit Blick auf das Christentum liefert dagegen Theologieprofessor Helmut Fischer. Er klärt „Wie die Engel zu uns kommen“. „Außerdem verstecken sich in der Adventszeit Engel in der Bibliothek“, lädt Leiterin Kerstin Wölk zu einem Besuch ein und stellt in Aussicht: „Wer einen Engel findet, kann sich über einen Preis freuen.“

* JEDES KIND ein ENGEL: Für ihre Klasse bereitet die Bremer Grundschullehrerin Berit Nobel einen besonderen Adventskalender vor: Für jedes Kind füllt sie ein Kalendersäckchen, dass dann ausgepackt werden darf. Außer einem kleinen Geschenk kommen noch „Geheimaufträge“ hinein, die sich die Kinder ausdenken. „Es geht darum, jemand anderem etwas Gutes zu tun“, beschreibt Nobel. „Beispielsweise die Tür aufhalten, ein Bild malen und verschenken, lächeln, etwas teilen.“ Ein Geschenk sei in diesem Jahr besonders beliebt: „Jemanden umarmen und ihm zeigen, dass man ihn mag.“

* VISITENKARTE der ENGEL: Käßmanns liebster Engelvers stammt aus dem biblischen Psalm 91: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ Engel seien die Mittler Gottes, die Erfahrung von Gottes Nähe, fasst die Theologin zusammen: „Sie vermitteln, was Gott will, sie sagen die Gegenwart, die Anwesenheit Gottes zu. Gott ist da, tröstend, haltend, bergend und sagt: 'Fürchte dich nicht!' Diese Zusage ist so etwas wie die Visitenkarte der Engel, denke ich.“

„Wohl wird Gott mich nicht durch Engel vor allem Unglück schützen“, schränkt Käßmann ein und ergänzt: „Sie sollten auch nicht überhöht werden und an die Stelle Gottes treten. Wir können auch nicht festlegen, was und wie ein Engel ist. Aber ich kann um Schutz, Bewahrung und Begleitung bitten - für mich wie für andere.“

Dieter Sell, Evangelischer Pressedienst