Das Genie unter den Orgelbauern

Nachricht Stade/Elbe-Weser-Raum., 29. Juli 2019

Der Norden feiert den barocken Orgelbaumeister Arp Schnitger

Stade (epd). Kenner vergleichen die Klasse seiner Instrumente gerne mit der Qualität der Stradivari-Geigen. Was der barocke Orgelbaumeister Arp Schnitger (1648-1719) geschaffen hat, fasziniert Musiker und Publikum bis heute. Etwa 170 Orgeln soll er neu gebaut oder wesentlich umgestaltet haben, etwa 30 sind noch erhalten. Er starb vor 300 Jahren - wann genau, ist nicht bekannt. Klar ist, dass er am 28. Juli 1719, in der Kirche von Neuenfelde im Alten Land bei Hamburg begraben wurde. Daran und an das Genie des Orgelbauers erinnert der Norden mit Konzerten und Festen.

"Arp Schnitger war schon zu Lebzeiten eine Legende", sagt der Bremer Orgelprofessor Harald Vogel. Ohnehin galt Musik zu Schnitgers Zeit als Vorstufe zum himmlischen Paradies, die Orgel selbst als Instrument zur Ehre Gottes. Deshalb wurde vielerorts auch nicht an Baumaterial und Ausstattung gespart, wenn es darum ging, die Kirche mit einer Orgel auszustatten. Das wirkt sich bis in die Gegenwart aus: Feines Zinn, gutes Leder und abgelagertes Holz ließen die Mechanik oft Jahrhunderte überdauern.

In der Stader Cosmae-Kirche lieferte Schnitger sein Gesellenstück ab. Und in Lüdingworth bei Cuxhaven steht eine besonders prachtvolle Orgel aus seiner Werkstatt: Die reichen Marschenhöfe ließen sich hier in ihrem "Bauerndom" ein Instrument mit riesigen Pedaltürmen und 2.200 Pfeifen aus edelstem Material bauen. Die Tasten des Spieltisches sind teils mit Buchsbaum belegt, teils aus Ebenholz.

"Die Bauern an der Küste von Amsterdam im Südwesten bis Hamburg und dann weiter in den Raum nördlich von Ribe in Dänemark haben die allererste geschlossene Orgellandschaft der Welt geschaffen", schwärmt der Freiburger Musikwissenschaftlicher Konrad Küster. Dabei ging es nicht nur um Frömmigkeit, denn die Orgel war auch ein Statussymbol. Mit einem Instrument von Arp Schnitger sicherten sich die Bauern am zuverlässigsten die neidvolle Anerkennung aus den Nachbarorten. Denn Schnitger, Tischlersohn aus der Wesermarsch, zählte europaweit zu den besten Orgelbauern.

Das reiche Alte Land zwischen Stade und Hamburg sticht noch hervor, weil hier besonders viele Orgeln von Schnitger stehen. 1678 übernahm er nach dem Tod seines Lehrmeisters Berendt Hus dessen Werkstatt in Stade. Bereits vier Jahre später zog er nach Hamburg, um in der Hauptkirche St. Jacobi sein größtes Werk mit knapp 4.000 Pfeifen zu bauen. Bis heute zählt sie in Klang und Optik zu den schönsten Orgeln der Stadt.

Von Hamburg aus exportierte er später seine Instrumente zunächst in den norddeutschen Raum und in die Niederlande, dann nach Russland, England, Spanien und Portugal. In Neuenfelde, wo er nach seiner Heirat den "Orgelbauerhof" erwarb, wurde der Meister schließlich begraben.

Nach Schnitgers Tod machten sich viele seiner Schüler selbstständig und konstruierten Orgeln im Stil ihres Meisters. Bis heute werden Instrumente von Schnitger weltweit bei großen Orgelneubauten als Vorbild genutzt. Und noch immer sind Musiker fasziniert vom Klang der Schnitger-Orgeln. Sie loben das harmonische Verhältnis von Grund- und Obertönen sowie die unterschiedlichsten Charaktere der Flöten, die zu einer erstaunlichen Klangfülle verschmelzen.

Das feiert Hamburg mit einem Orgeljahr, schließlich ist Neuenfelde heute ein Ortsteil der Hansestadt. Am Montag (29. Juli) lädt der Senat zum Empfang ins Rathaus. In der Neuenfelder St. Pankratius-Kirche, Schnitgers letzter Wirkungsstätte, wird am Sonntag (28. Juli, 17 Uhr) mit einem Festkonzert gefeiert. Schon am 6. Juli war ein Festakt in Schnitgers Taufkirche St. Bartholomäus in Golzwarden bei Brake geplant. Doch zwei Tage zuvor wurde die Kirche durch einen Brand schwer beschädigt. Jetzt müssen Dach und Innenraum aufwendig saniert werden, was Jahre dauern kann. Zu dem Festakt soll noch in diesem Jahr an anderer Stelle eingeladen werden.

Schon von Sonntag (28. Juli) an bis zum 3. August werden rund 300 Orgelexperten in Hamburg zur Internationalen Tagung der Gesellschaft der Orgelfreunde erwartet. Ein "Schnitgerfest rund um die Kirche" lockt am 24. August nach Steinkirchen ins Alte Land. Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zeigt noch bis zum 3. November die Ausstellung "Manufaktur des Klangs" zu 2.000 Jahre Orgelbau.

Gefeiert wird aber nicht nur ein begnadeter Künstler, sondern auch ein Mensch, der oft uneigennützig gehandelt hat. Schnitger schrieb über sich selbst: "Ich habe nie viel verlangt, sondern den Kirchen, wenn sie keine ausreichenden Mittel besaßen, zur Ehre Gottes die Orgel für den halben Preis gebaut."

Infokasten: Arp Schnitger: Der erste europäische Orgelbauer

Stade (epd). Kaum ein anderer hat so viele Orgeln geschaffen wie der berühmteste Orgelbaumeister des norddeutschen Barock, Arp Schnitger (1648-1719). Musikwissenschaftler sehen in ihm den ersten europäischen Orgelbauer. Etwa 170 Instrumente hat er gebaut, wesentlich umgebaut oder im größeren Umfang repariert. In diesem Jahr wird in vielen Veranstaltungen in Norddeutschland und in den Niederlanden an sein 300. Todesjahr und an sein Begräbnis am 28. Juli 1719 erinnert.

Schnitger wurde 1648 als jüngster Sohn eines Tischlers (früher "Snitkers") in Schmalenfleth geboren, heute ein Stadtteil von Brake in der oldenburgischen Wesermarsch. 1678 übernahm er nach dem Tode seines Lehrmeisters Berendt Huß dessen Werkstatt in Stade. Wenige Jahre später verlegte er seinen Wirkungskreis nach Hamburg, um dort in der St.-Jacobi-Kirche sein größtes Werk mit fast 4.000 Pfeifen zu bauen.

Von Hamburg aus exportierte Schnitger seine Instrumente zunächst in den norddeutschen Raum und in die Niederlande, später auch nach Russland, England, Spanien und Portugal. Eine Schnitger-Orgel, die 1701 in Hamburg erbaut wurde, gelangte sogar in die brasilianische Stadt Mariana. Dort ist sie in der katholischen Catedral da Sé noch in Gebrauch.

Heute existieren nach Angaben von Experten noch etwa 30 Instrumente von Schnitger, die in der Grundsubstanz erhalten sind und einen Eindruck von der Orgelkultur Nordeuropas in der Barockzeit vermitteln. Musiker sind noch immer fasziniert vom Klang der Instrumente. Sie loben durchgängig das harmonische Verhältnis von Grund- und Obertönen sowie die unterschiedlichsten Charaktere der Flöten, die zu einer erstaunlichen Klangfülle verschmelzen.

Nach seinem Tod machten sich viele Schnitger-Schüler selbstständig und pflegten so im Stile ihres Meisters die Orgeln. Mittlerweile sind sie zu einem herausragenden Bestandteil der globalen Orgelkultur geworden. Schnitger wurde am 28. Juli 1719 in der St.-Pankratius-Kirche Neuenfelde im Alten Land begraben. Neuenfelde gehört heute zu Hamburg.
 

Infokasten: Schnitger-Jubiläumsjahr: So feiert Niedersachsen

Stade (epd). Vor 300 Jahren, am 28. Juli 1719, wurde der barocke Orgelbaumeister Arp Schnitger (1648-1719) in der Kirche von Neuenfelde bei Hamburg im Alten Land begraben. In Niedersachsen erinnern Kirchengemeinden, Initiativen und offizielle Stellen mit Konzerten und Veranstaltungen an den genialen Baumeister, der mit seinem Können eine ganze Branche beeinflusst hat. Die nächsten Termine:

- "Arp Schnitger und seine Zeit" lautet der Titel einer Orgelexkursion des Organeums im ostfriesischen Weener am Sonnabend (27. Juli). Auf der Fahrt per Bus werden vier berühmte Denkmalorgeln der Schnitgerzeit und seiner unmittelbaren Nachfolger vorgestellt. Los geht es um 9 Uhr am Organeum in Weener (Norderstraße 18).

- "Schnitger und Buxtehude" ist die Überschrift des Konzertabends am Sonnabend (27. Juli) in der Findorffkirche in Grasberg bei Bremen. Auf dem Programm stehen Orgelwerke von Dietrich Buxtehude, die Exzellenzstudenten aus führenden Orgel-Institutionen in Europa, USA, Kanada, Japan und Südkorea an der Grasberger Schnitger-Orgel spielen. Beginn 18 Uhr (Speckmannstraße 42).

- Die Kirchengemeinde St. Cyprian und Cornelius in Ganderkesee bei Oldenburg lädt am Sonntag (28. Juli) ein zu einem Meisterkonzert an der dortigen Schnitger-Orgel mit der polnischen Organistin Hannah Dys. Beginn 18 Uhr (Ring 3).

- Bokeloher Orgeltage zum 300. Todesjahr von Arp Schnitger vom 23. bis 25. August in Wunstorf bei Hannover. Mit Informationen zum Orgelbau, einer "konzertanten Orgelführung", einem musikalischen Gottesdienst und einer Matinee (An der Kreuzkirche 11).

- Ein "Schnitgerfest rund um die Kirche" lockt am 24. August nach Steinkirchen ins Alte Land. Mit ungewöhnlichen Einblicken ins Innere der Orgel, Klangpräsentationen und einem Konzert. Beginn 15 Uhr (Kirchweg 1).

Schon am 6. Juli hatte die örtliche Arp-Schnitger-Gesellschaft zu einem Festakt in Schnitgers Taufkirche St. Bartholomäus in Golzwarden bei Brake eingeladen. Doch zwei Tage zuvor wurde die Kirche durch einen Brand schwer beschädigt. Zu dem Festakt soll noch in diesem Jahr an anderer Stelle eingeladen werden.

Dieter Sell, Evangelische Pressedienst Niedersachsen/Bremen